Zukunftsenergien für Bayern
Raus aus den Abhängigkeiten, rein in die Erneuerbaren
Die Energiewende könnte Bayern günstigen und klimafreundlichen Strom bringen und den Wirtschaftsstandort sichern. Doch seit Jahren arbeitet die Staatsregierung gegen den Ausbau der Windkraft.
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Es hätte so schön werden können: Im Jahr 2002 beschloss die damals bestehende Koalition aus SPD und Grüne Deutschlands Atomausstieg. Die Kraftwerksbetreiber durften noch eine bestimmte Menge Strom erzeugen, dann sollten die Reaktoren abgeschaltet werden. Nur ein konkretes Ablaufdatum wurde nicht festgelegt. Das folgte 2011 nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima. Am 31. Dezember 2022 sollte Deutschland endgültig aus der Atomkraft aussteigen, so die Bundesregierung. Zehn Jahre Zeit für weitere Maßnahmen Richtung Energiewende.
Es herrschte Aufbruchstimmung im Land: Die Anti-Atom-Bewegung feierte den Triumph über die Atomlobby, die Erneuerbaren-Branche brachte sich in Stellung und die Energiewende konnte in ganz Deutschland verstärkt Fahrt aufnehmen. In ganz Deutschland? Nicht ganz. In Bayern stießen einige der für die Energiewende nötigen Maßnahmen auf massiven Widerstand. Der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) wetterte erst erfolgreich gegen die bösen “Monstertrassen”, die Bayern mit Windstrom aus dem Norden versorgt hätten. Ab 2014 brachte dann die 10H-Abstandsregel den Ausbau der Windkraft vor Ort beinahe vollständig zum Erliegen - bis heute. 2022 gingen in ganz Bayern nur 14 neue Windkraftanlagen ans Netz, acht wurden genehmigt. Denn mit Markus Söder (CSU) als Ministerpräsident und zuvor Umwelt- und Finanzminister führte die bayerische Staatsregierung ihren Anti-Windkraft-Kurs fort.
Die 10H-Regelung
Die 10H-Regelung legt fest, dass Windkraftanlagen mindestens zehnmal so weit von Wohngebäuden entfernt sein müssen, wie sie selbst hoch sind. Ein etwa 200 Meter hohes Windrad muss demnach einen Mindestabstand von zwei Kilometern zum nächsten Wohngebiet einhalten. Diese strenge Abstandsregelung gilt in Bayern seit November 2014 und hat zu einem Einbruch des Windkraft-Ausbaus im Freistaat geführt. Erst Ende 2022 wurde sie auf Druck der Bundesregierung teilweise gelockert. Der von der Staatsregierung prophezeite “Aufschwung für die Windkraft” blieb bisher aber aus.
Inzwischen ist es vollbracht: Nach drei Monaten Streckbetrieb infolge der Energiekrise endete das Zeitalter der Atomkraft in Deutschland am 15. April 2023 mit dem Abschalten der letzten drei AKW. Auch Isar 2 bei Landshut in Niederbayern wurde vom Netz genommen. Für Greenpeace und den BUND Naturschutz ein Grund zu feiern: 1.500 Menschen kamen auf dem Münchner Odeonsplatz zusammen, um diesen historischen Sieg zu zelebrieren. Keinen Tag später präsentierte Ministerpräsident Markus Söder die Idee, Bayern könne das Atomkraftwerk Isar 2 in Eigenregie weiterbetreiben. Doch dafür bräuchte es eine Änderung des Grundgesetzes, das die Zuständigkeiten von Bund und Ländern bei der Nutzung von Atomkraft klar festlegt. Die dafür notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat: eher unwahrscheinlich.
Außerdem müsste Bayern sich dann selbst um die Endlagerung seines Atommülls kümmern. Im Meiler Isar 2 entstand zuletzt etwa alle drei Tage die Menge an radioaktivem Caesium-137, die Deutschland nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl kontaminierte und Bayern noch heute belastet. Derzeit ist der gefährliche Atommüll in provisorischen Zwischenlagern untergebracht. Für Markus Söder und seine Partei kommt ein Endlager in Bayern nicht in Frage, so festgehalten im Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern. Sogar nach Abschalten der AKW ihren Weiterbetrieb zu fordern, den gefährlichen Atommüll aber anderen Bundesländern zuschieben zu wollen, scheint für die CSU und ihren Ministerpräsidenten kein Widerspruch zu sein.
Chronik der Versäumnisse
Die verschleppte Energiewende
Spätestens nach Fukushima im Jahr 2011 war klar, dass Deutschland endgültig aus der Atomkraft aussteigen wird. Trotzdem behinderte die bayerische Staatsregierung weiter die Energiewende, vor allem den Ausbau der Windkraft. Die bayerische Energiepolitik der letzten Jahrzehnte: eine Aneinanderreihung von Versäumnissen, eine einzige Blockadehaltung.
Anstatt die Versäumnisse seiner Partei einzugestehen und endlich den Ausbau aller erneuerbaren Energiequellen voranzutreiben, bleibt Ministerpräsident Markus Söder der CSU-Linie treu - und ignoriert dabei die Gefahren der Atomkraft und die unbeantwortete Endlagerfrage. Auch die Probleme, die auf Bayern zukommen, sollte die Energiewende im Freistaat weiterhin nur schleppend vorankommen, scheinen ihn nur wenig zu interessieren.
Ausstiegsfest in München am 15. April 2023
Warum Bayern mehr Erneuerbare braucht
Bayern braucht endlich einen konsequente Energiewende. Das bedeutet vor allem, das Potenzial der Windkraft auszuschöpfen und eine Solarpflicht einzuführen. Der Ausbau der Erneuerbaren ist die nötige Transformation unserer Energieerzeugung, um den Freistaat zukunftsfähig zu machen - auch wirtschaftlich. Immer mehr Betriebe und Industriezweige ziehen Bayern ohne erneuerbare Energien als Standort nicht mehr in Betracht. Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze, Wohlstand - all das ist im Freistaat ohne Energiewende in Gefahr. Doch die CSU-geführte Staatsregierung ignoriert weiter alle Warnsignale und verbreitet sogar noch Unwahrheiten über Atomkraft und den Stand der Energiewende in Bayern.
Viele Kommunen und Unternehmen haben die Energiewende inzwischen selbst in die Hand genommen, teils gegen Widerstände der Landesregierung. Insgesamt stellen die Menschen in Bayern der Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern beim Klimaschutz und der Energiewende ein eher schlechtes Zeugnis aus. Eine repräsentative Online-Umfrage von Civey im Auftrag von Greenpeace hat ergeben: Rund 41 Prozent der Bayerinnern und Bayern finden, die Landesregierung unternimmt zu wenig für den Klimaschutz. Im von Trockenheit betroffenen Mittelfranken sind es sogar 45 Prozent. Zufrieden mit der Klimapolitik der Landesregierung zeigten sich nur 33 Prozent der Befragten, bei der Energiewende sind nur 28 Prozent mit der Regierungsarbeit einverstanden. Knapp 44 Prozent der Befragten finden dagegen, dass die Landesregierung zu wenig für die Energiewende unternimmt.
Umfrage Klimaschutz in Bayern
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HerunterladenWas jetzt passieren muss:
Raus aus Atomkraft und Fossilen: Bis 2035 muss Bayern auf 100 % Erneuerbare bei der Stromversorgung umgestiegen sein. Dafür brauchen wir:
- eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren, das heißt mehr Fachkräfte in Handwerk und Behörden, die Digitalisierung von Planung und Genehmigung und die Priorisierung des Ausbau von Anlagen.
- eine Beschleunigung der Flächenausweisung für Windenergieanlagen, vermehrte Modernisierung bzw. vermehrer Austausch von bereits bestehenden Windkraftanlagen (Repowering)
- eine Solaroffensive, unter anderem durch Solardachpflicht bei Neubau und Bestand - privat und gewerblich! Alle möglichen Flächen müssen sinnvoll genutzt werden
Und vor allem: Schluss mit der Panikmache! Stattdessen müssen die Menschen in Bayern endlich faktenbasiert informiert und bei der Planung, Finanzierung und Umsetzung neuer Wind- und auch Solarparks ins Boot geholt werden.
Söders Energie-Mythen
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