Landwirtschaft betrifft uns alle
Es geht um unsere Lebensgrundlagen: Erde, Wasser, Luft, Nahrung
Kurzfristig hohe Erträge, aber selten nachhaltig: Die konventionelle Landwirtschaft hat innerhalb weniger Jahrzehnte viel Schaden angerichtet.
Wie kann eine zukunftsfähige Landwirtschaft aussehen? Eine Landwirtschaft, die gesunde Lebensmittel für alle produziert, dabei aber sorgfältig mit unseren natürlichen Ressourcen umgeht. Eine Landwirtschaft, die Rücksicht auf Biodiversität, Tierwohl, Klima- und Wasserschutz nimmt – in der landwirtschaftliche Betriebe bei der nötigen Umstellung Unterstützung bekommen. Was sich utopisch anhört, ist machbar und lässt sich bis zum Jahr 2050 für Deutschland umsetzen. Wie, das hat Greenpeace mit dem “Kursbuch Agrarwende 2050” gezeigt.
Faire Preise für gesunde Lebensmittel
Eine konsequente Agrarwende – das bedeutet nicht nur, mit Subventionen den Umwelt- und Klimaschutz in der Landwirtschaft zu fördern und bäuerliche Betriebe auf eine ökologisierte Wirtschaftsweise umzustellen. Auch Verbraucher:innen muss klar sein: Gut und umweltschonend hergestellte Lebensmittel gibt es nicht zu Schleuderpreisen, selbst wenn das Supermärkte und Discounter mit Tiefstpreisen und Lockangeboten suggerieren.
Greenpeace fordert vom Handel deshalb faire Preise und langfristige Verträge für Erzeuger:innen – und mit Blick auf den Klimakiller Fleisch eine Umstellung des Sortiments auf Fleisch aus ausschließlich artgerechter und umweltschonender Tierhaltung. Auch die Politik kann eine gesunde, fleischarme Ernährung fördern, indem sie die Mehrwertsteuer für frisches Obst und Gemüse senkt sowie Bio-Essen in öffentlichen Kantinen einführt – und im Gegenzug die Steuerermäßigung bei tierischen Produkten streicht. Welche positiven Effekte dies für das Klima, die Staatskasse aber auch für Verbraucher:innen haben könnte, hat Greenpeace vom Ökoinstitut untersuchen lassen.
Welche Probleme verursacht die Landwirtschaft?
Weniger Fleischkonsum würde auch eine Verringerung der Tierbestände nach sich ziehen. Nötig ist das, um drängende Probleme in der Landwirtschaft angehen zu können:
- Für Fleisch, Milchprodukte und Eier werden zu viele Tiere unter schlechten Bedingungen gehalten. Die Flächen in Deutschland reichen nicht aus, um genügend Futter zu erzeugen. In den Futtertrögen landet daher häufig Soja aus Übersee, für dessen Anbau wertvolle Naturräume und Kohlenstoffspeicher wie der Amazonas-Regenwald unwiederbringlich zerstört werden.
- Neben der Fütterung von Millionen Schweinen, Kühen und anderen sogenannten Nutztieren bereiten auch deren Exkremente Probleme. Enorme Mengen an nitrat- und keimbelasteter Gülle aus der Massentierhaltung landen auf den Feldern und verschmutzen Gewässer sowie Grundwasser. Die schlechte Wasserqualität hat der Bundesrepublik im Jahr 2016 eine Klage der EU eingehandelt. Im März 2020 – und damit 25 Jahre, nachdem die EU-Nitratrichtlinie in nationales Recht hätte umgesetzt werden sollen – hat der Bundesrat zwar eine etwas strengere Düngeverordnung verabschiedet, diese wird von der EU-Kommission weiterhin als unzureichend angesehen.
- Landwirtschaft ist ein wesentlicher Faktor bei der Bekämpfung der Klimakrise und des Artensterbens. Einerseits leidet sie unter den Folgen der Klimakrise wie Dürren oder Überschwemmungen. Andererseits verursacht die Industrialisierung dieses Zweiges seit Jahrzehnten hohe klimaschädliche Emissionen.
- Konventionelle Landwirtschaft setzt zudem auf den Einsatz großer Mengen chemischer Pestizide und mineralischen Düngers.
- Saatgutkonzerne versuchen weiter ihre marktbeherrschende Stellung über Patente auf Pflanzen und Tiere auszubauen. Sie setzen auch weiter auf Gentechnik. Zwar sind Deutschlands Äcker seit Jahren frei von gentechnisch veränderten Pflanzen, doch global wachsen die Flächen weiter – und die Produkte landen etwa als Gen-Soja in den Futtertrögen unserer Tiere. Auch die EU hat die Gentechnik-Industrie längst noch nicht aufgegeben, sie drängt aktuell darauf, neue Gentechnik-Verfahren wie CRISPR ohne Zulassung und Kontrolle einsetzen zu dürfen.
Ackerbau: Gift tötet Vielfalt auf den Feldern
Gut die Hälfte der bundesdeutschen Fläche wird landwirtschaftlich genutzt. Eine umweltschonende Bewirtschaftung von Äckern und Grünland kann durchaus Klimagase binden und Lebensraum für Insekten sowie andere Tiere und Pflanzen bieten. Doch in industriellen Agrarlandschaften schreitet das Artensterben deutlich schneller voran als in Wäldern oder Gewässern. Artenreiche Wiesen, aber auch Ackerrandstreifen oder Knicks mit Büschen und Bäumen verschwinden dabei zugunsten riesiger Monokulturen. Die Felder werden immer größer, die Anzahl der angebauten Kulturpflanzen nimmt zugleich ab. Vielfältige Fruchtfolgen mit Hafer, Lupinen, Klee oder Futterrüben sind selten geworden und finden sich oft allenfalls bei Biobetrieben.
Mit dem Aufkommen von Stickstoff- und anderen Mineraldüngern, chemischen Insektengiften und immer größeren Landmaschinen ist die Produktivität in der Landwirtschaft gestiegen, doch für die Artenvielfalt ist die Entwicklung fatal. Insbesondere das Insektensterben ist dramatisch. Der Einsatz von Totalherbiziden wie Glyphosat tötet zudem indirekt auch Insekten, da diese nicht mehr genug Nahrung finden. Wenn es aber etwa Wildbienen an den Kragen geht, leiden auch jene Betriebe, die auf die Bestäubung ihrer Pflanzen über Insekten angewiesen sind. Mit den Insekten verschwinden Vögel und kleine Säugetiere, denen sie als Nahrung dienen. Das Ökosystem gerät aus dem Gleichgewicht.
Tierhaltung: Billigfleisch auf Kosten von Tieren und Klimaschutz
Ein entscheidender Treiber der Klimakrise ist der viel zu hohe Fleischkonsum und die damit verbundene, meist miserable Tierhaltung. Die Tierhaltung ist weltweit für 19 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Es führt kein Weg daran vorbei, die Tierzahlen deutlich zu reduzieren. Das würde auch mehr Raum schaffen für eine tiergerechtere Haltung. Aktuell müssen Schweine, Rinder, Hühner, Pute müssen oft qualvoll und zusammengepfercht vor sich hinvegetieren, ohne Freilauf und frische Luft. So können sie ihren natürlichen Bedürfnissen wie spielen, bewegen, Umsorgen des Nachwuchses, Körper- und Fellpflege kaum nachgehen.
Mit einem Rechtsgutachten konnte Greenpeace 2017 nachweisen, dass die Verordnung zur Schweinehaltung verfassungswidrig ist, da sie das im Grundgesetz fixierte Staatsziel Tierschutz unzureichend umsetzt. Der Berliner Senat reichte daraufhin eine Normenkontrollklage ein. Nun prüft das Bundesverfassungsgericht, ob die geltende Verordnung zur Schweinehaltung in Deutschland reformiert werden muss. Die anstehende höchstrichterliche Entscheidung könnte die Tiermast grundlegend verändern, wenn die Haltungsvorschriften den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Nutztierhaltungsforschung angepasst werden müssten.
Politik, Handel und Landwirtschaft schieben oft die Verantwortung den Verbraucher:innen zu. Lapidar heißt es: Diese wollen billiges Fleisch, dann kriegen sie billiges Fleisch. Nach und nach erkennen aber große Supermarktketten, dass auch sie eine gesellschaftliche Verantwortung übernehmen müssen. Dank einer Greenpeace-Kampagne für mehr Transparenz beim Fleischeinkauf kennzeichnen seit 2019 Aldi, Lidl, Edeka und Co freiwillig ihr Frischfleisch. Nach und nach wird diese vierstufige Haltungskennzeichnung mit dem Namen Haltungsform, in der verschiedene Gütesiegel kategorisiert werden, auch auf verarbeitete Fleischprodukte ausgedehnt.
2021 folgen nun fast alle großen Lebensmitteleinzelhändler der Greenpeace-Forderung, künftig kein frisches Fleisch mehr aus den schlechtesten Haltungsformen 1 und 2 zu verkaufen. Ein großer Erfolg. Damit sind die Einzelhändler der Politik ein gutes Stück voraus. Damit der Umbau der Tierhaltung aber gelingen kann und die Supermärkte ihre Zusagen in die Tat umsetzen können, ist die gesamte Fleischbranche gefragt. Die Politik muss daher mit einem strengen ordnungsrechtlichen Rahmen und einer gesetzlichen Haltungskennzeichnung den gesamten Markt in die Pflicht nehmen.
Fehlgeleitete Agrarpolitik lässt Höfe sterben
Die Rolle der landwirtschaftlichen Betriebe ist zweischneidig. Einerseits tragen sie gerade im konventionellen Bereich zur Umweltzerstörung bei, andererseits folgen sie damit oft wirtschaftlichen Zwängen. Die Landwirtinnen und Landwirte sind auch Opfer einer jahrzehntelangen fehlgeleiteten Agrarpolitik, die sie immer mehr in Richtung Massenproduktion und Export billiger Lebensmittel getrieben hat. Die Proteste von Bäuerinnen und Bauern 2019 und 2020 zeigten deutlich die Folgen. So ist es kaum verwunderlich, dass die Mehrheit der Höfe, oft seit Generationen von Familien betrieben, in den vergangenen 20 Jahren aufgeben mussten, während viele der großen Player weiter expandieren konnten. Zunehmend drängen kapitalstarke Großinvestoren in die Landwirtschaft und bedrohen Familienbetriebe und ländliche Strukturen.
Dabei spielte das Bundeslandwirtschaftsministerium eine unrühmliche Rolle. Seit 2005 war das Ministerium in Händen von CDU/CSU. Nicht erst seitdem versteht es sich häufig als verlängerter Arm von Bauernverband und Agrarindustrie, statt die Interessen von Kleinbetrieben zu stärken und die Landwirtschaft zukunftsfähig aufzustellen. Jahrelang verhandelte die EU, wie bis zum Jahr 2027 Subventionen in Höhe von insgesamt 390 Milliarden Euro verteilt werden sollen. Doch der Beschluss enttäuschte: Denn an der grundsätzlichen Struktur, die Zahlung von Geldern insbesondere an die Größe der bewirtschafteten Flächen zu koppeln, änderte sich nichts. Ökologische Leistungen oder artgerechte Tierhaltung werden dagegen immer noch nicht angemessen honoriert.
Die Bürger:innen haben im Jahr 2021 eine neue Bundesregierung gewählt. Ein entschiedenes Umsteuern in Richtung ökologischer Landwirtschaft ist für die Klimaziele ebenso wie für den Schutz von Wasser und Böden sowie das Tierwohl dringend notwendig – dafür setzt Greenpeace sich ein.