Für eine umfassende Friedenspolitik!
Warum Aufrüstung keine echte Sicherheit für Menschen schafft
Friedenspolitik muss mehr wollen als die Abwesenheit von Krieg. Menschliche Sicherheit bedeutet, dass alle Bedürfnisse gesichert sind. Dazu gehören Klimaschutz, soziale und globale Gerechtigkeit.
- mitwirkende Expert:innen Alexander Lurz
- Überblick
Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Sicherheit und ein friedliches Zusammenleben der Völker werden nicht durch möglichst viele Waffen auf allen Seiten erreicht. Sondern dadurch, dass die Erfüllung aller menschlichen Bedürfnisse gesichert ist. Sicherheits- und Friedenspolitik müssen deshalb zusammengedacht werden mit Klima- und Ressourcenschutz, sozialer und globaler Gerechtigkeit.
Für ein neues, umfassendes Konzept von Frieden nutzen u. a. die Vereinten Nationen den Begriff der „menschlichen Sicherheit“. Dem fühlt sich auch Greenpeace verpflichtet. Menschliche Sicherheit meint, dass nicht die staatlichen Strukturen, sondern die Bedürfnisse der Menschen in den Vordergrund rücken. Konkret bedeutet das, dass mit entsprechenden Maßnahmen etwa auf Armut, Hunger oder Umweltkatastrophen reagiert werden kann.
Bei einer nachhaltigen Friedenspolitik, die auf menschliche Sicherheit fokussiert, muss also in erster Linie die Befähigung der Zivilbevölkerung im Vordergrund stehen. Frieden bedeutet deshalb eben auch soziale Absicherung, Wohnraum, Bildung und Gesundheitsversorgung.
Zwiespältige „Friedenspolitik“
Wie setzt die deutsche Politik dieses neue Konzept von Frieden und Sicherheit um? Darüber geben zwei wichtige Strategien Aufschluss, die Deutschland 2022 verabschiedet hat: die Nationale Sicherheitsstrategie und die Leitlinien für feministische Außenpolitik. Feministische Außenpolitik bedeutet, dass Staaten ihre Handlungen danach ausrichten, dass Frieden, Gleichberechtigung der Geschlechter und ökologische Integrität Vorrang haben. Eine feministische Außenpolitik achtet, fördert und schützt die Menschenrechte aller und arbeitet daran, patriarchale und andere überlieferte Machtstrukturen aufzubrechen.
Deutsche Aufrüstung stoppen
Deutschland soll massiv hochrüsten: 100 Milliarden Euro Sondervermögen will die Bundesregierung in die Aufrüstung der angeblich kaputt gesparten Bundeswehr stecken – finanziert durch neue Schulden. Darüber hinaus plant die Regierung, langfristig mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts jährlich in die Armee zu investieren und so das Zwei-Prozent-Ziel der Nato zu übererfüllen.
Die Bevölkerung sieht diese Vorherrschaft des Militärischen durchaus skeptisch, wie eine repräsentative Umfrage im Auftrag von Greenpeace zeigt. Die Mehrheit wünscht sich eher, dass Deutschland diplomatisch vorangeht.
Die geplante massive deutsche Aufrüstung wird viel Geld kosten – Geld, das eigentlich nicht übrig ist. Eine Erhöhung des Haushalts für die Bundeswehr wird deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass in anderen Bereichen gekürzt wird. Im geplanten Haushalt für 2024 ist dies bereits zu beobachten: Alle Ressorts sollen mit weniger Mitteln auskommen, außer das Verteidigungsministerium. Aber es sind eben Bildung, Soziales, Gesundheit, Pflege und Wohnraum, die menschliche Sicherheit schaffen – und nicht Waffen, die nur militärisch wirken. Um Konflikte, Kriege und Vertreibungen zu verhindern, braucht es zudem Investitionen in demokratische Strukturen und den Erhalt von Lebensgrundlagen im Globalen Süden. Greenpeace sieht deshalb in der massiven Umverteilung von Geldern hin zu Verteidigung keine Sicherung, sondern vielmehr eine Gefährdung von Frieden und demokratischem Zusammenhalt.
Für eine bessere Friedenspolitik
Greenpeace fordert für Deutschland
- Keine Erhöhung des Verteidigungsetats, keine weitere Sondervermögen für die Bundeswehr
- Die deutsche Sicherheitspolitik muss auf dem Konzept einer umfassenden menschlichen Sicherheit beruhen.
- Die Finanzierung elementarer Bereiche der menschlichen Sicherheit darf nicht hinter dem Verteidigungsetat zurückstehen.
Greenpeace fordert für Europa:
- Europäische Konfliktlösung statt “Schnelle EU-Eingreiftruppe”
- Kürzung der Militärausgaben und Einstellung der Unterstützung für neue Waffen
- Dekarbonisierung der EU-Wirtschaft und Ausstieg aus fossilen Brennstoffen für mehr Sicherheit
- Eine atomwaffenfreie Zone
Europas "Strategischer Kompass" für den Frieden
Mehr Geld für Aufrüstung, diese falsche Priorität für gilt nicht nur für Deutschland. Auch in der Europäischen Union (EU) hat der Krieg in der Ukraine hat die Tendenz zur Aufrüstung beschleunigt - ein Prozess, der seit mehr als zehn Jahren zu beobachten ist. Er findet seinen vorläufigen Höhepunkt in der jüngsten Verabschiedung des Strategischen Kompasses der EU, einem Investitionsprogramm zur Steigerung der europäischen Militarisierung bis 2030. Diese Entwicklung steht in krassem Widerspruch zu den Gründungsprinzipien der Europäischen Union - Frieden, Menschenrechte und Demokratie -, für die die Staatengemeinschaft im Jahr 2012 den Friedensnobelpreis bekommen hat.
Milliardenloch Sondervermögen
Noch dazu ist fragwürdig, ob die Bundeswehr überhaupt solche zusätzlichen Mittel benötigt. Denn ihr Problem in der Vergangenheit war eher, dass das Geld unwirtschaftlich ausgegeben wurde. Nicht fahrende neue Panzer, nicht fliegende neue Hubschrauber – die Probleme bei der Beschaffung sind lange bekannt. Neu ist aber die Menge Geld, die die Bundeswehr dabei ausgeben kann: 100 Milliarden Euro in Form eines Sondervermögens. Anlässlich dieser Riesensumme hat Prof. Dr. Michael Brzoska, emeritierter Professor am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg, für Greenpeace untersucht, welche systemischen Probleme im deutschen Beschaffungswesen vorhanden sind, und welcher Grad an Verschwendung daraus folgt. Seine Berechnung: Insgesamt hat die Bundeswehr für Großwaffensysteme in den letzten Jahren zwischen 35 und 54 Prozent zu viel bezahlt. Umgerechnet auf die 100 Milliarden entspricht das 26 bis 35 Milliarden Euro, die voraussichtlich sinnlos ausgegeben werden.
Deutsche F-35-Atombomber: Viel Geld für wenig Sicherheit
Bis zu zehn Milliarden Euro investiert die Bundesregierung für den Kauf des US-Kampfflugzeuges F-35 Lightning als neues Atomwaffenträgersystem der Luftwaffe, um weiterhin an der technischen “nuklearen Teilhabe” der Nato teilzunehmen. Doch dadurch wird Deutschland nicht sicherer – im Gegenteil. Zum einen könnten die F-35-Atombomber für die Bundeswehr zu einem technischen, finanziellen und politischen Fiasko werden. Denn eine Studie im Auftrag von Greenpeace zeigt: Der Kampfbomber F-35 ist ein Prototyp und voller Mängel.
Zum anderen macht die Stationierung der US-Atombomben Deutschland weiter zum potenziellen Ziel von Atomangriffen. Was viele nicht wissen: Im Ernstfall würden deutsche Pilot:innen die Bomben selbst an ihr Ziel fliegen (mit der F-35) und sie abwerfen.
Dabei gibt es international starke Impulse, Atomwaffen abzuschaffen: 2017 wurde in den Vereinten Nationen ein Abkommen zum Verbot, auch Atomwaffenverbotsvertrag genannt, von Atomwaffen angenommen. Es entstand aus der Situation, dass nur neun Atomwaffenstaaten weltweit alle 192 anderen Staaten existentiell bedrohen und ihren vertraglichen Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag nicht erfüllen. Dieser Atomwaffenverbotsvertrag verbietet u. a. die Entwicklung, Stationierung, den Einsatz von Kernwaffen und die Drohung damit. Bis Juli 2022 haben ihn 86 Staaten unterschrieben und 66 ratifiziert. Die erste UN-Konferenz der atomwaffenfreien Staaten hat im Juni 2022 in Wien stattgefunden - ein Meilenstein für die nukleare Abrüstung.
Atomwaffen abschaffen!
Greenpeace fordert:
- Deutschland muss beispielgebend für alle Atomwaffenstaaten und deren Verbündete vorangehen und den UN-Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen.
- Deutschland muss die nukleare Teilhabe beenden, so dass alle US-amerikanischen Atombomben aus Deutschland abgezogen werden.
- Die Bundesregierung muss auf die geplante Anschaffung des Kampfflugzeuges F-35 als neuem deutschen nuklearen Trägersystem verzichten.
Demonstrieren für den Frieden
Für den Frieden auf die Straße gehen, das machen Menschen seit über 60 Jahren. Nicht nur zu Kriegszeiten. Seit über 60 Jahren gibt es die jährlichen Ostermärsche. Doch seit dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine sind sie wichtiger denn je.
Aber immer, wenn kriegerische Konflikte stattfinden, treibt es die Menschen auch spontan auf die Straße, um für mehr Frieden zu demonstrieren. So versammelten sich auch kurz nach dem völkerrechtswidrigen Angriffs Russlands im Februar 2022 immer wieder hunderttausende Menschen in verschiedenen Städten Deutschlands zu großen Kundgebungen.
Diese Friedensdemos sind wichtig, denn so können wir alle - wenigstens in ganz bescheidenen Maße - das sich Kümmern um den Frieden in die eigenen Hänge nehmen. Und alle Teilnehmenden schicken ein Zeichen in die Welt: Wir wollen Frieden.