Greenpeace erkämpft Transparenz für Exporte von Überwachungstechnik
- Ein Artikel von Heike Dierbach
- mitwirkende Expert:innen Alexander Lurz
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Verwaltungsgericht Frankfurt urteilt: Behörde muss Auskunft geben, an welche Länder deutsche Firmen die Dual-Use-Technik liefern
Informationen zu Exporten deutscher Überwachungstechnik müssen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden – das hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main heute in einem Urteil zu einer Klage von Greenpeace entschieden (Az. 11 K 2076/21.F). Das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) kann die gewünschten Informationen nicht pauschal mit Hinweis auf Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Firmen zurückhalten. Damit haben wir eine wichtige Grundsatzentscheidung errungen! „Das Urteil ist wegweisend“, sagt Greenpeace-Abrüstungsexperte Alexander Lurz. „Es gibt die Richtung vor in der Frage, welche Informationen über den Export von Gütern, die zivil und militärisch eingesetzt werden können, generell der Öffentlichkeit zustehen.“
Warum ist das Urteil so wichtig?
Überwachungstechnik spielt – neben Waffen – oft eine entscheidende Rolle, um in autokratischen Ländern demokratische Bewegungen niederzuschlagen. Ein Beispiel aus Syrien: Die deutsche Firma Ultimaco und ihren Partnerfirmen Qosmos SA (Frankreich) und Area S.p.A. (Italien) unterstützten 2011 nach Informationen der Menschenrechtsorganisation ECCHR ein Überwachungssystem der Syrian Telecom, die als regierungsnah und mutmaßlich von syrischen Geheimdiensten kontrolliert gilt. Mitarbeiter der Syrian Telecom leiteten Erkenntnisse an den Staat weiter, der sie u.a. zur Einschüchterung und Verfolgung nutzte. Das Beispiel zeigt, wie vermeintlich „zivile“ Überwachungstechnik direkt Verhaftungen, Misshandlung, Folter und Ermordung von Oppositionellen ermöglichen kann.
Greenpeace hatte im April 2020 beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) Auskunft beantragt, wie viel Hard- oder Software für Überwachungstechnik seit 2019 in welche Länder exportiert wurde (die Firmen müssen solche Lieferungen vom Bafa genehmigen lassen). Dabei haben wir uns auf das Informationsfreiheitsgesetz berufen. Das Bafa hatte die Auskunft aber weitgehend abgelehnt mit Verweis auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der exportierenden Firmen. Dagegen hatte Greenpeace Klage eingereicht.
Nun stellte das Gericht fest: Die extrem weit gefasste Auslegung der Behörde für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse kann nicht Grundlage sein, um die Informationen zurückzuhalten. Das Bafa muss unter anderem Empfängerland, Warenwert sowie Bezeichnung der Güter offenlegen. „Mehr Transparenz über diese Exporte kann letztlich auch helfen, Demokratieaktivist:innen vor Verfolgung durch autokratische Regime zu schützen“, sagt Rechtsanwältin Michéle John.
Auch im neuen Rüstungsexportkontrollgesetz muss Transparenz verankert werden
Überwachungstechnik ist ein so genanntes Dual-Use-Gut. Das sind Produkte, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke eingesetzt werden können. Deshalb gilt Überwachungstechnik nicht als Kriegswaffe oder sonstiges Rüstungsgut.
Die Ampel will Rüstungsexporte künftig stärker regulieren. Dazu wird gerade ein Rüstungsexportkontrollgesetz erarbeitet, das Ausfuhren in Länder mit problematischer Menschenrechtslage beschränken soll. Das ist auch ein Erfolg der langjährigen Arbeit von Greenpeace für ein solches Gesetz. „Wir erwarten, dass das Bundeswirtschaftsministerium im geplanten Rüstungsexportkontrollgesetz die Entscheidung des Gerichts berücksichtigt”, sagt Lurz. “Es muss eine weitgehende Transparenz auch für den Export von anderen Rüstungsgütern festschreiben.“
Weltweit befinden sich Kämpfer:innen für Demokratie und Freiheit in der Defensive und Autokrat:innen auf dem Vormarsch. Deutsche Firmen dürfen diese Entwicklung nicht mit der Lieferung von Überwachungstechnik fördern! Mit der Klage und dem heutigen Urteil hat Greenpeace einen wichtigen Sieg für mehr Transparenz errungen.