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Kajaks, Kanus und Schwimmer:innen im Wasser, auf einem schwimmenden Banner steht: Klimakrise ist Fluchtgrund!
© Julius Schrank / Greenpeace

Klimaflüchtlinge: Wenn die Klimakrise zur Flucht zwingt

Die unterschätzte Katastrophe

Klimawandel und Umweltzerstörung sind schon heute oft ein Auslöser für Flucht und Abwanderung. Das Problem klein reden hilft nicht. Es ist Zeit, zu handeln!

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Es ist ein Fakt: Auch der Klimawandel vertreibt weltweit mehr und mehr Menschen. Zwar ist er meist nicht der alleinige Auslöser dafür, dass Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Doch wirkt er als Risikoverstärker in den Ländern, in denen die Situation eh schon angespannt ist. Denn der Klimawandel verknappt Ressourcen und verschärft das Risiko für Gewaltkonflikte wie Bürgerkriege, Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Gruppen und gewaltsame Proteste. Er verstärkt Faktoren wie Armut, wirtschaftliche Krisen und instabile Institutionen. 

Menschen, die in Gebieten leben, die von gewalttätigen Konflikten betroffen sind und gleichzeitig den Auswirkungen des Klimawandels ausgesetzt sind, sind besonders gefährdet. Sowohl der IPCC-Bericht als auch das Pariser Klimaabkommen bestätigen, dass die Klimakrise ein wesentlicher Faktor für globale Migration ist. Diese Tatsache muss mehr als bisher beachtet werden. Denn die Zeit drängt. Wir können es uns nicht länger leisten, die Katastrophen zu unterschätzen, die sich überall auf der Welt abspielen. 

Die in ihren Grundzügen immer noch aktuelle Greenpeace-Studie “Klimawandel, Migration und Vertreibung” aus 2017 fasst zusammen: Die globale Erwärmung verschärft das Risiko, durch Naturkatastrophen seine Heimat zu verlieren. Es ist heute schon massiv viel höher als vor 40 Jahren. Durch den Klimawandel werden Wetterextreme wie Starkregen, Stürme und Fluten heftiger und häufiger. Auch Hitze und Dürren tragen dazu bei, dass landwirtschaftliche Nutzflächen verlorengehen. Oft sind die bereits vorher durch viele Formen des Raubbaus an der Natur stark belastet oder übernutzt. Eine weitere Bedrohung ist der Anstieg des Meeresspiegels, durch den Küstenstreifen überflutet werden sowie Boden und Grundwasser versalzen. Der Klimawandel ist ebenfalls ein Treiber dafür, dass mehr und mehr Menschen vom Land in die Städte ziehen. Oft in informelle Siedlungen, was zu zusätzlichen Problemen und Konflikten führen kann.

Was sind Klimaflüchtlinge?

Klimaflüchtlinge bezeichnet Menschen, die aus Folgen der Klimakrise ihre Heimat verlassen müssen. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) und der Weltklimarat (IPCC) raten davon ab, den Begriff Klimaflüchtling zu verwenden, da er falsche Erwartungen weckt. Denn die Genfer Flüchtlingskonvention gilt nur für Personen, die vor Konflikten und Verfolgung ins Ausland fliehen. Klimafolgen sind derzeit noch kein anerkannter Fluchtgrund. Das Konzept der Klimaflüchtlinge ist auch deshalb wenig sinnvoll, weil Wissenschaftler meist nicht in der Lage sind, einen direkten kausalen Zusammenhang zwischen einem bestimmten Wetterereignis und dem Klimawandel nachzuweisen. Sie können nur Trends feststellen, eine gewisse Zunahme der Häufigkeit und Intensität solcher Wetterkatastrophen. Kurzum, der Begriff Klimaflüchtling hilft den Betroffenen nicht weiter; ihnen könnte leicht der Schutz verweigert werden mit dem Argument, dass der konkrete Zusammenhang zwischen Klimawandel und Flucht nicht nachgewiesen werden kann.

Weltflüchtlingstag: 108 Millionen Menschen weltweit vertrieben

Der Weltflüchtlingstag erinnert an Millionen von Menschen, die aufgrund von Konflikten, Kriegen und anderen Krisen gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Die Zahlen sind alarmierend: 

Für Ende 2023 zählt das Flüchtlingshilfswerk UNHCR über 117 Millionen Menschen, die aus ihrer Heimatregion vertrieben wurden. Laut dem Report des Internal Displacement Monitoring Center gab es allein 2023 etwa 26.4 Millionen neue binnenvertriebene Klimamigrant:innen, die sich innerhalb des eigenen Landes an einem anderen Ort niederlassen, weil sie in ihrer Heimatregion wegen klimabedingter Veränderungen ihre Existenzgrundlage nicht mehr sichern können. 

Extreme Wetterereignisse, der Anstieg des Meeresspiegels und Dürren sind bereits jetzt Hauptursachen für Vertreibungen weltweit. Zwischen 2014 und 2023 nahm die Anzahl dieser wetterbedingten Vertreibungen jedes Jahr zu, mittlerweile sind es mehr als doppelt so viele wie diejenigen, die aufgrund von Konflikten ihre Heimat verlassen haben. 

Zahl der Klimaflüchtenden steigt

Plötzlich eintretende Natur- und Wetterkatastrophen vertreiben oft ganze Bevölkerungsgruppen. Die Menschen bleiben meist im Land, oft sogar in der Nähe ihrer einstigen Heimat. Der größte Teil kehrt bald wieder zurück, sofern es möglich ist, und engagiert sich beim Wiederaufbau. Der allerdings kostet Geld. Wenn der Staat dabei nicht hilft, setzt das oft einen Teufelskreis in Gang: Gerade in Entwicklungsländern führt jede Katastrophe meist zur weiteren Verarmung. Und die Fähigkeit, sich vorbeugend auf die nächste Flut oder Dürre vorzubereiten, nimmt immer weiter ab.

Nur ein Bruchteil der Menschen, die weltweit vertrieben sind, verlassen das eigene Land oder machen sich gar auf den Weg nach Europa. Oft waren sie zuvor jahrelang im eigenen Land entwurzelt: durch Naturkatastrophen oder Gewalt und Krieg oder durch beides. Erst wenn dort die Unterstützung fehlt und Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung zu groß werden, begeben sich diese Menschen auf die gefährliche Flucht in andere Länder.

Fawad Durrani
„Die Industrieländer haben die Klimakrise hauptsächlich historisch verursacht. Sie sollten nun auch die Betroffenen unterstützen. Es braucht einen internationalen rechtlichen Rahmen für Menschen, die deshalb ihr Land verlassen müssen.“

Fawad Durrani

Greenpeace-Experte für Klima-Migration und Konflikte

Fawad Durrani
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„Die Industrieländer haben die Klimakrise hauptsächlich historisch verursacht. Sie sollten nun auch die Betroffenen unterstützen. Es braucht einen internationalen rechtlichen Rahmen für Menschen, die deshalb ihr Land verlassen müssen.“


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Greenpeace-Experte für Klima-Migration und Konflikte

Wer sein Land verlassen muss, braucht rechtlichen Schutz

Sowohl der IPCC-Bericht als auch das Pariser Klimaabkommen bestätigen, dass die Klimakrise ein wesentlicher Faktor für globale Migration ist. Es fehlt aber bisher eine rechtliche Anerkennung des Klimawandels als Fluchtgrund. Jeder Staat entscheidet autonom, wem er Schutz gewährt. Weil hauptsächlich Länder des Globalen Nordens die Ursachen für diese Flucht geschaffen haben, tragen sie die Verantwortung, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, der es den Betroffenen ermöglicht, anderswo ein neues Leben aufzubauen.

Das Problem der Vertreibung durch Klimawandel muss endlich ernst genommen werden. Das heißt zum Einen, dass diese Menschen einen – wie auch immer gearteten – Status erhalten müssen: Einen, der ihnen Rechte einräumt, wenn sie ihr eigenes Land verlassen müssen, und der ihnen international Schutz gewährt. Zum Zweiten müssen die gefährdetsten und verwundbarsten Länder dieser Erde von den reichen Industrienationen (die immerhin den Klimawandel verursacht haben) finanziell bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützt werden. Und natürlich muss zum Dritten die Menschheit und die Staatengemeinschaft alles in ihrer Macht Stehende dafür tun, den Ausstoß der Klimagase zu reduzieren und die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Studie: Klimawandel, Migration und Vertreibung

Studie: Klimawandel, Migration und Vertreibung

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Greenpeace-Studie: Klimaflüchtlinge - die verleugnete Katastrophe

Greenpeace-Studie: Klimaflüchtlinge - die verleugnete Katastrophe

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