TTIP: freie Fahrt für Konzerne
Ist das Freihandelsabkommen wirklich so schlimm?
Ja, ist es! Warum, das zeigen ein paar Beispiele.
- Hintergrund
Ein möglichst unregulierter Markt – der Traum eines jeden Konzerns. Durch das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU wird er greifbar. Kein Wunder also, dass Unternehmen wie Nestlé, Bayer oder Cargill in Lobbyarbeit investieren, um TTIP zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Denn oberstes Ziel ist, alles abzubauen, was den freien Handel zwischen den Wirtschaftsräumen erschwert – und dazu gehören auch schwer erkämpfte Umweltstandards, Verbraucher- und Arbeitsrechte.
Was steht auf dem Spiel?
Umwelt & Artenvielfalt
Das Abkommen würde den ozeanüberschreitenden Handel und somit die Zahl der Transporte erhöhen. Die Folgen: höherer Treibstoffverbrauch und mehr klimaschädliche CO2-Emissionen. Regierungen würden sich vermutlich mit der Ausweisung neuer Schutzgebiete (zum Beispiel Nationalparks) schwertun. Schließlich könnten Nutzungsbeschränkungen und -verbote mit den Interessen von Investoren kollidieren.
Demokratie & Transparenz
Die Bevölkerung wird in die Verhandlungen nicht einbezogen und schlecht informiert. Noch ist unklar, ob den nationalen Parlamenten ein relevanter Einfluss bei der Verabschiedung des Abkommens eingeräumt werden wird. Wenn TTIP zustande kommt, würde der vorgesehene Transatlantische Regulierungsrat unkontrolliert und außerhalb demokratischer Strukturen wichtige Entscheidungen treffen.
Energie & Klima
Beschränkungen und Nachhaltigkeitsstandards für die Nutzung klimaschädlicher Energieträger, etwa Öl aus Teersanden, könnten als Handelshemmnisse abgeschwächt oder aufgehoben werden. Das geplante Abkommen nimmt auch Einfluss auf die Fracking-Debatte: Einerseits versucht die EU, die Einfuhr von amerikanischem Flüssiggas aus Fracking zu erhöhen. Andererseits sind US- wie auch europäische Konzerne bestrebt, Fracking in Europa zu etablieren. Nationale Verbote gegen Fracking würden so höchst unwahrscheinlich.
Arbeitsplätze & Arbeitsstandards
TTIP würde den Wettbewerb zwischen der EU und den USA verstärken. Selbst die Europäische Kommission räumt ein, dass dies eine „andauernde und substanzielle“ Verlagerung von europäischen Arbeitsplätzen zur Folge hätte, da mehr Waren aus den USA nach Europa kämen. Bis zu 1,3 Millionen Arbeitsplätze könnten in Europa verloren gehen. Ebenso könnte der erhöhte Wettbewerbsdruck die Situation für europäische Arbeitnehmer verschlechtern, indem Löhne, Rechte und die Sicherheit am Arbeitsplatz sinken.
Privatsphäre
Schon jetzt wollen die Konzerne viele private Daten von uns. TTIP würde den persönlichen Datenschutz weiter schwächen und den Unternehmen den Zugang zu unseren Daten erleichtern.
Landwirtschaft
Wenn infolge von TTIP massenhaft billige Lebensmittel von amerikanischen Industriefarmen den europäischen Markt überschwemmen, könnte dies die hiesigen kleinbäuerlichen und ökologischen Betriebe unter Preisdruck setzen und so existenziell bedrohen.
Ernährung
Weniger Schutz vor gefährlichen Pestizidrückständen, gentechnisch veränderten Produkten und unnötigen, unsicheren Lebensmittelzusätzen – diese und andere Verschlechterungen in puncto Ernährung sind zu befürchten.
Chemikalien
In der EU muss bisher für die Zulassung von Chemikalien der Nachweis erbracht werden, dass sie sicher sind. In Amerika gilt eine Unbedenklichkeitsvermutung: Bis zum Nachweis des Gegenteils geht man davon aus, dass die Stoffe unschädlich sind. Die strengeren europäischen Standards bei der Zulassung, Beschränkung und Kontrolle von Chemikalien könnten nun abgeschwächt werden. Dies gilt vor allem für Nanopartikel und hormonell wirksame Chemikalien.
Textilien
Hier geht es unter anderem um die Frage, welche Chemikalien bis zu welchen Grenzwerten in der Textilproduktion eingesetzt werden dürfen. Womöglich würden die strengen Greenpeace-Kriterien zur Entgiftung von Kleidung auf diesem Weg unterlaufen.
Kosmetika
Angeglichene und somit niedrigere Standards in der Kosmetikindustrie würden bedeuten, dass wir in unseren Regalen bald Kosmetika mit schädlichen Substanzen vorfinden, die in der EU bereits verboten waren. Auch Produkte, die mit Tierversuchen hergestellt wurden, könnten auf den europäischen Markt kommen.
Kultur
In Europa gehört die Förderung der Kultur (z. B. Musikclubs, Theater, Programmkinos, Opernhäuser) einschließlich der öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehanstalten zu einer wichtigen am Gemeinwohl orientierten Aufgabe. TTIP droht, unsere kulturelle Vielfalt einer reinen Marktlogik zu unterwerfen, die sich nach den Interessen von US-Investoren richtet.
Vorsorgeprinzip
Noch muss ein Unternehmen in der EU beweisen, dass sein Verfahren oder Produkt (etwa ein Farbstoff) unschädlich ist, bevor eine Marktzulassung erteilt wird. Ebenso können Staaten vorsorglich etwas verbieten, soweit eine Gefahrenvermutung vorliegt. Mit TTIP stünde das in der EU-Verfassung verankerte Vorsorgeprinzip auf dem Spiel, da es vielen Konzernen beidseits des Atlantiks ein Dorn im Auge ist.
Entwicklung
Sechs der acht international vereinbarten Kernarbeitsnormen, darunter das Recht, sich in Gewerkschaften zu organisieren, haben die USA bisher nicht ratifiziert. Gleiches gilt für multilaterale Umweltabkommen wie die Konvention über die biologische Vielfalt. Zwar soll TTIP ein Kapitel zu nachhaltiger Entwicklung beinhalten – jedoch ohne eine Verpflichtung für die USA, die erwähnten Normen und Abkommen doch noch zu ratifizieren. Dies hätte eine denkbar schlechte Signalwirkung auf die weitere Staatengemeinschaft.
Daseinsvorsorge
Bereiche der Daseinsvorsorge wie Bildung, Gesundheitswesen, Müllabfuhr und Wasserversorgung sind bei uns noch vielerorts in öffentlicher Hand, unterliegen aber einem Privatisierungsdruck. Im Fall der Wasserversorgung führten Privatisierungen, wie in Potsdam, zu einer Verschlechterung von Wasserqualität und Wassernetz. TTIP würde viele Bereiche der Daseinsvorsorge auch für US-Investoren öffnen und damit das Gewinninteresse der Unternehmen über das öffentliche Interesse an guter und bezahlbarer Versorgung stellen.