Direktzug tut gut
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Viele Menschen wollen klimaschonend reisen. Mit der Bahn aber ist das oft nicht so einfach. Dabei zeigt ein Greenpeace-Report, dass es leicht anders ginge.
Brexit hin oder her, Großbritanniens Hauptstadt ist weiterhin ein beliebtes Reiseziel. Fast eineinhalb Millionen Menschen stiegen im vergangenen Jahr allein in Berlin in den Flieger, um von dort an die Themse zu kommen. Einige von ihnen werden sich zuvor über Alternativen informiert haben. Schließlich hat sich herumgesprochen, dass Fliegen auf der gleichen Strecke mindestens fünfmal so viel CO2 verursacht wie eine Zugfahrt. Die Auskunft aber wird die meisten abgeschreckt haben: Wer den Zug nehmen will, muss gleich zweimal umsteigen. Schon die reine Fahrzeit addiert sich so auf 9:46 Stunden. Mit einem ungewissen Anschluss in Köln und der guten Stunde, die man in Brüssel zum Einchecken in den Eurostar einplanen muss, kann man nicht ganz sicher sein, es an einem Tag zu schaffen. Dabei könnte ein Direktzug auf dem bestehenden Gleisnetz in 8:10 Stunden von Berlin in London sein, zeigt eine neue Greenpeace-Analyse. Morgens einsteigen und zum Afternoon Tea verlässlich in Notting Hill – das würden schon weit mehr Leute machen. Wenn es denn angeboten würde.
Auf bestehenden Gleisen könnten dreimal so viele Direktzüge fahren
Für die Analyse “Verbindung Fehlgeschlagen” hat sich Greenpeace knapp 1000 Verbindungen zwischen 45 europäischen Großstädten angeschaut.
Greenpeace-Report: Verbindung fehlgeschlagen
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HerunterladenZiel war herauszufinden: Wie viele Direktzüge fahren von jeder dieser Städte zu ihren Nachbarn – und wie viele könnten mit dem bestehenden Netz in vertretbarer Zeit fahren. Das Ergebnis ist gleichermaßen enttäuschend und ermutigend: Selbst die am besten per Direktzug angebundenen deutschen Städte, München und Berlin, nutzen gerade mal die Hälfte ihres Direktzug-Potenzials. Die meisten Städte nutzen weit weniger.
Das Ergebnis lässt sich aber auch positiv lesen: Ohne auch nur einen einzigen Kilometer Gleise neu zu bauen, könnte sich die Zahl der Direktzüge zwischen Europas Großstädten verdreifachen! Angesichts von klammen Kassen und langen Bauzeiten eine gute Nachricht. Zumindest wenn sie politisch Gehör findet. “Viele Menschen wollen heute klimaschonend mit der Bahn reisen, aber viel zu oft fehlen die attraktiven Angebote”, so Lena Donat, Verkehrsexpertin bei Greenpeace. “Bahngesellschaften und Regierungen können das schnell ändern, ohne auch nur einen Kilometer neuer Gleise zu bauen. Das bestehende Netz muss dringend kundenfreundlicher genutzt werden.“
In einer interaktiven Karte zeigt Greenpeace, welche Direktzug-Verbindungen die 45 Städte heute anbieten und welche Strecken mit maximal 12 Stunden (Tagzüge) oder maximal 18 Stunden (Nachtzüge) Fahrdauer zusätzlich angeboten werden könnten.
Fast dreimal so viele Direktflüge auf möglichen Direktzug-Routen
Die Analyse zeigt zudem: Nur auf 114 der 419 Routen, die sich in weniger als 18 Stunden mit dem Zug zurücklegen ließen, fährt tatsächlich ein Direktzug. Hingegen sind 335 dieser Verbindungen per Direktflug verbunden. Es werden also fast dreimal so viele Routen mit Direktflügen wie mit Direktzügen bedient. “Wenn verlässliche und bequeme Direktzüge fehlen, darf sich niemand wundern, dass Menschen auch auf kurzen Strecken in den Flieger steigen”, so Donat. “Zugfahren in Europa muss einfacher werden, mit besseren Verbindungen und einem einheitlichen Buchungssystem. Dann sinken auch die Emissionen.”
Zugreise versus Flugreise: ein Preisvergleich
Der Zug ist klimafreundlicher, der Flug meist schneller. Für viele entscheiden daher oft die Kosten. Dazu hat Greenpeace bereits im Juli 2023 eine Vergleichsanalyse erarbeitet.
Ein Preisvergleich kann sich lohnen: Auf etwa einem Viertel der 112 von Greenpeace recherchierten europäischen Strecken sind Zugtickets günstiger als klimaschädliches Fliegen. Ein Städtetrip von Berlin nach Prag ist beispielsweise schneller und billiger mit der Bahn - und verursacht zudem 30-mal weniger Treibhausgase als der Flug. Für viele europäische Reiseziele gibt es ab Deutschland - auch wegen der zentralen Lage - attraktive Bahnangebote. Doch leider sind diese eine Ausnahme. Viele Menschen, die eigentlich bewusst mit der klimafreundlichen Bahn reisen wollen, müssen dafür tiefer in die Tasche greifen. Auch mitten in der Klimakrise sind die meisten Bahnreisen in Europa noch immer teurer als Flugtickets. Vor allem wenn eine Billig-Airline die gewünschte Strecke bedient.
So ist, das zeigt die Analyse, Bahnfahren überwiegend (in 71 Prozent der untersuchten Reisen) teurer als vergleichbare klimaschädliche Flugreisen. Nur auf 23 der 112 analysierten europäischen Strecken kann die Bahn günstigere Preise anbieten. Durchschnittlich müssen Bahnfahrer rund 50 Prozent mehr zahlen als Flugreisende. Wer kurzfristig verreisen will, für den ist Bahnfahren besonders kostspielig.
Steuerbegünstigte Flüge schaden dem europäischen Schienenverkehr
Die Bahn als allzeit attraktivstes Verkehrsmittel - für diese Vision, das zeigt die Greenpeace-Studie, müssten Fluggesellschaften endlich angemessene Steuern zahlen, die dann der Schiene zugutekommen. Billigfluggesellschaften bedienen knapp 80 Prozent der untersuchten europäischen Strecken und sind mit ihren subventionierten Preisen in den meisten Fällen billiger als die Bahn. Reiserer: "Vermeintliche Schnäppchenflüge sind nur möglich, weil andere die wahren Kosten tragen, etwa durch schlechte Arbeitsbedingungen und den Folgen der Klimakrise."
Greenpeace fordert eine Besteuerung des klimaschädlichen Luftverkehrs: Eine Kerosinsteuer von 50 Cent pro Liter würde jährliche europäische Einnahmen in Höhe von 46,2 Mrd. Euro bringen, die zum Ausbau einer zuverlässigen Bahninfrastruktur und Bereitstellung von bezahlbaren Bahntickets auf dem gesamten Kontinent beitragen könnten.
Vergleich europäischer Bahn- und Zugreisen
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HerunterladenTicket prices of planes vs trains
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