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Preisfrage: Lohnt sich das Deutschlandticket?
- Ein Artikel von Simone Miller
- mitwirkende Expert:innen Lena Donat & Marissa Reiserer
- Nachricht
Das Deutschlandticket kostet seit Anfang des Jahres 58 Euro. Viele Menschen wünschen sich einen günstigeren Preis für das Deutschlandticket, das digital und unkompliziert Licht in den Tarife-Dschungel des Nahverkehrs gebracht hat. Eine Umfrage zeigt, dass sich mit einem günstigeren Ticket zu 29 statt 58 Euro auch sehr viel mehr Wege von dem Auto auf klimafreundliche Busse und Bahnen verlagern würden.
Mit Beginn des Jahres 2025 steigen die Lebenshaltungskosten in vielen Bereichen erneut an. Energie, Wohnraum, Versicherungen und alltägliche Ausgaben werden teurer, und Verbraucher:innen spüren den Preisdruck. Das gilt auch für Mobilitätskosten: So hat auch das Deutschlandticket, das 14 Millionen Menschen nutzen, zum Jahreswechsel eine Preiserhöhung erfahren: von 49 auf 58 Euro.
Eine große Umfrage im Auftrag von Greenpeace zeigt, dass mehr als doppelt so viele Menschen das Deutschlandticket zum halben Preis (29 statt 58 Euro) kaufen würden. Etwa 10 Millionen Neukund:innen wären mit einem 29-Euro-Ticket möglich. Die Preiserhöhung vom Januar könnte hingegen laut der Studie zu einem Rückgang der Abonnent:innen um knapp ein Fünftel führen.
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Die Verkehrswende braucht Rückenwind, keine Preiserhöhungen. Ein erschwingliches Deutschlandticket würde die Geldbeutel entlasten und das Klima schützen. Nach so einem Erfolgsprojekt müssten sich die Parteien die Finger lecken.
Doch lediglich die Grünen und die Linke fordern in ihren Wahlprogrammen eine Preissenkung auf 49 beziehungsweise 9 Euro. Die SPD will bei 58 Euro bleiben, FDP und Union äußern sich nicht zur Zukunft des Tickets.
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Deutschlandticket für 29 Euro
Anzahl Seiten: 59
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HerunterladenBei einem Preis von 29 Euro würden 24 Millionen Menschen das Ticket erwerben, was einem Anstieg von 72 Prozent im Vergleich zum Deutschlandticket für 49 Euro im Dezember 2024 entspricht (14 Mio. Abonnent:innen). Über alle Parteipräferenzen hinweg befürworten über 75 Prozent ein kostenloses Deutschlandticket für Kinder und Jugendliche.
Ein 29-Euro-Ticket wäre auch für Menschen attraktiv, die den ÖPNV bisher selten bis gar nicht genutzt haben, sowie für Kund:innen außerhalb von Großstädten. Die potenziellen zehn Millionen Neukund:innen würden häufiger als aktuelle Besitzer:innen eines Deutschlandtickets ihr Auto für Busse und Bahnen stehen lassen. Dadurch könnten etwa 36 Milliarden Personenkilometer vom Auto auf den ÖPNV verlagert werden – doppelt so viel wie beim 49-Euro-Ticket. Dies würde zu einer jährlichen Einsparung von rund sieben Millionen Tonnen CO2 führen und entsprechende Klima-Folgekosten in Höhe von etwa sechs Milliarden Euro pro Jahr reduzieren. Eine mögliche Einnahmelücke durch den niedrigeren Ticketpreis würde somit mehr als ausgeglichen. Ein Deutschlandticket für 29 Euro könnte zudem den Pkw-Bestand in Deutschland erheblich reduzieren – um über 1,4 Millionen Fahrzeuge.
Lohnt sich das Deutschlandticket noch?
Bei einem Preis von 58 Euro stellt sich die Frage, ob sich das Deutschlandticket noch lohnt. Besonders Familien müssen rechnen: Machen Deutschlandtickets für einen mehrköpfigen Haushalt in finanzieller Hinsicht noch Sinn? Oder sind mehr Fahrten mit dem eigenen Auto günstiger als der Umstieg auf Busse und Bahnen? Greenpeace hat berechnet, dass nur günstigere Preise die Familienkassen und das Klima entlasten.
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Modellrechnung Deutschlandticket
Anzahl Seiten: 15
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HerunterladenEin Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn ist für einen Haushalt mit vier Personen seit dem 1. Januar 2025 ein Minusgeschäft. Beim bisherigen Preis von 49 Euro hatte die Familie noch den Anreiz, ihr Auto abzuschaffen: Sie sparte damit 350 Euro im Jahr. Doch nach der Preiserhöhung bleibt der Pkw im Vergleich zum öffentlichen Nahverkehr und ICEs auf der Fernstrecke die günstigere Option.
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Diese Preiserhöhung ist ein Fehler. Viele Familien sorgen sich wegen steigender Lebenshaltungskosten, während die Politik die Preise nach oben schraubt. Um Familienkassen und das Klima zu entlasten, sollten Bus und Bahn attraktiver sein als ein eigenes Auto. Die neue Bundesregierung muss Bus und Bahn massiv ausbauen und das Deutschlandticket günstiger machen. Das hilft dem Klima und macht das Leben von Millionen Menschen leichter.
Günstiges Deutschlandticket würde Familienkassen entlasten
Deshalb schlägt Greenpeace ein ganz anderes Preismodell vor: Erwachsene sollten nur 29 Euro zahlen und Kinder und Jugendliche kostenlos fahren. So könnte eine Familie ohne Auto jährlich 2000 Euro sparen. Denn der Preis spielt eine entscheidende Rolle für den Erfolg des Deutschlandtickets, das derzeit rund 13 Millionen Menschen nutzen. Kann ein Familienauto nicht komplett aufgegeben werden, beispielsweise weil die Familie nicht in einer Großstadt mit gutem ÖPNV lebt, lohnt sich das Deutschlandticket weder mit dem alten Preis von 49,- Euro noch mit dem neuen Preis. Gelingt es jedoch, viele Pkw-Fahrten durch Bus und Bahn zu ersetzen, könnte der vierköpfige Haushalt mit dem Greenpeace-Preismodell (29 Euro Normalpreis, 19 Euro Sozialtarif, kostenloses Ticket für Kinder und Jugendliche) bereits um rund 1300 Euro entlastet werden. Dafür müsste der Nahverkehr für Kinder und Jugendliche umsonst sein, wie dies bereits beispielsweise in Hamburg der Fall ist. Singles, die sich für den ÖPNV entscheiden und ihr Auto aufgeben, können selbst bei einem 58-Euro-Preis jährlich bis zu 4000 Euro sparen.
Fünf Befragungen aus dem Sommer und Herbst 2022 stützen allesamt das Greenpeace-Preismodell: Im Durchschnitt war das Kaufinteresse für ein Ticket bis 29 Euro etwa doppelt so groß wie für ein Ticket bis 49 Euro. Würden sich die Ticketverkäufe bei einem Preis von 29 Euro tatsächlich verdoppeln, blieben für die Verkehrsunternehmen unter dem Strich damit trotz niedrigeren Preises Mehreinnahmen gegenüber dem 49-Euro-Ticket.
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Mit dem Drehen an der Preisschraube droht die wichtigste verkehrspolitische Errungenschaft der inzwischen zerbrochenen Ampel-Koalition, einen Großteil ihrer Wirkung einzubüßen. Dabei hat das Deutschlandticket geschafft, was jahrelang unmöglich schien: den Tarifdschungel und die Kleinstaaterei im deutschen ÖPNV durch ein einheitliches, einfaches und attraktives System zu ersetzen. Auch aus Umweltperspektive ist das ÖPNV-Abo ein voller Erfolg: Menschen fahren weniger Auto und schonen so die Umwelt. Neben einer geringeren Belastung durch Luftschadstoffe bedeutete der Umstieg auf Bus und Bahn auch vermiedene CO2-Emissionen in Höhe von 6,7 Millionen Tonnen. Durch die Preiserhöhung befürchten Wissenschaftler:innen ab 2025 allerdings fast eine Halbierung der positiven Klimawirkung.
Die Preisfrage muss zwischen Bund und Ländern 2025 neu verhandelt werden. Grüne und SPD scheiterten Mitte Dezember im Bundestag daran, eine langfristige Finanzierung des Tickets und eine Mitnahmeregelung für Kinder durchzusetzen. So steht das Deutschlandticket am Scheideweg: Einigt sich die neue Bundesregierung nicht auf eine dauerhafte und ausreichende Finanzierung, drohen ein schlechteres ÖPNV-Angebot und eine Abwärtsspirale aus Abokündigungen und weiteren Preiserhöhungen.
Bereits im Sommer 2022 hat das 9-Euro-Ticket für mehr Bahnfahrten und weniger Autoverkehr gesorgt und Mobilität für ärmere Menschen bezahlbar gemacht. Greenpeace hatte in der Debatte um die Finanzierbarkeit eines Nachfolge-Tickets schon darauf verwiesen, dass fast die Hälfte aller umweltschädlichen Subventionen auf den Verkehrssektor entfallen.
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Das Geld für günstigere Deutschlandtickets ist da, aber die Bundesregierung gibt es bislang für klimaschädliche Subventionen aus. Das Dienstwagenprivileg gehört abgeschafft, die Entfernungspauschale reformiert – dann ist ein nachhaltiges und sozial gerechtes ÖPNV-Abo schnell finanziert.
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Kostenvergleich Klimaticket
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