
Wie geht es weiter mit dem Deutschlandticket?
Deutschlandticket retten: Unterzeichnen Sie die Petition!- mitwirkende Expert:innen Lena Donat & Marissa Reiserer
- Hintergrund
Etwa 14 Millionen Menschen nutzen das Deutschlandticket für Busse und Bahnen. Zwar soll das Ticket auch über 2025 hinaus bestehen bleiben, jedoch müssen sich Fahrgäste auf steigende Kosten einstellen. Dabei spart es mehr, als es den Bund kostet.
In den vergangenen zwei Jahren hat das Deutschlandticket die Nutzung von Bus und Bahn preislich attraktiver und angenehmer gemacht. Die hohe Zahl der Abonnent:innen weist es als den größten verkehrspolitischen Erfolg der ehemaligen Ampel-Regierung aus. Doch die im Januar 2025 vorgenommene Preiserhöhung auf 58 Euro kritisiert laut Umfragen fast die Hälfte der ÖPNV-Nutzer:innen, die schon ein Deutschlandticket haben oder sich dafür interessieren. Mehr als doppelt so viele Menschen würden laut einer Greenpeace-Recherche das Deutschlandticket zum halben Preis (29 statt 58 Euro) kaufen. Eine Mehrheit spricht sich zudem für kostenlose Tickets für Kinder und Jugendliche aus.
Für ein langfristig gesichertes Deutschlandticket, einen günstigeren Preis des Fahrscheins, ein Sozialticket, kostenlose Fahrten für Kinder und Jugendliche sowie ein besseres ÖPNV-Angebot setzten sich Greenpeace-Aktive seit Monaten ein.
Vorteile des Deutschlandtickets machen seine Mehrkosten wett
Union und SPD wollen das Deutschlandticket weiterführen - ab 2029 soll es allerdings teurer werden.
Was in der Debatte meist nicht bedacht wird: Indem das Ticket die Zahl der mit dem Auto zurückgelegten Wege reduziert, spart es der Gesellschaft hohe Kosten. Die verdeckten Folgekosten des Autoverkehrs entstehen etwa durch gesundheitsschädliche Luftschadstoffe wie Feinstaub oder Stickoxide, aber auch durch Unfälle sowie die wachsenden Klimaschäden durch CO2-Emissionen aus dem Pkw-Verkehr. Wie hoch die verdeckten Kosten sind, die das Deutschlandticket der Gesellschaft durch vermiedene Pkw-Fahrten spart, hat Greenpeace in einer Studie berechnet. Im Jahr 2024 addieren sich diese vermiedenen Kosten auf mindestens vier Milliarden Euro – und damit mehr als die 3,45 Milliarden Euro, mit denen Bund und Länder das Deutschlandticket bezuschusst haben.

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"Unterm Strich trägt sich das Deutschlandticket selbst. Es ist ein Gewinn für Gesundheit, Klima und die Gesellschaft. Statt den Preis weiter zu erhöhen, sollten Union und SPD es mit einem Sozialticket und dem Ausbau von Bus und Bahn für noch mehr Menschen nutzbar machen."
Faires Ticket für eine stärkere Nutzung von Bus und Bahn
Greenpeace schlägt langfristig ein Deutschlandticket für 29 Euro, ein Sozialticket für 19 Euro, sowie ein kostenloses Ticket für Kinder und Jugendliche vor, wie es bereits in Hamburg angeboten wird. Ein 29-Euro-Ticket wäre auch für Menschen attraktiv, die den ÖPNV bisher selten bis gar nicht genutzt haben, sowie für Kund:innen außerhalb von Großstädten. So könnten viele Milliarden Personenkilometer vom Auto auf den ÖPNV verlagert werden. Greenpeace-Verkehrsexpertin Lena Donat bewertet den im Januar 2025 von 49 auf 58 Euro gestiegenen Preis als Entscheidung gegen eine moderne Verkehrspolitik.

"Die Preiserhöhung ist eine schlechte Nachricht für Menschen mit schmalem Einkommen und die Verkehrswende. Der deutschlandweit gültige Fahrschein ist das bislang erfolgreichste Angebot für eine sozial gerechte, natur- und klimaschonende Mobilität. Geld für Mobilität ist da, es wird nur maximal ungerecht ausgegeben. Mit gut sechs Milliarden Euro finanziert die Bundesregierung Jahr für Jahr die zwei bis drei Millionen Dienstwagen von meist ohnehin Besserverdienenden. Aber gerade mal die Hälfte geben Bund und Länder bislang für das D-Ticket aus, das schon heute von 13 Millionen genutzt wird. Hier zeigt sich die massive soziale Schieflage im Verkehrshaushalt: Pro Kopf wird jeder Dienstwagen bis zu 15-mal so stark gefördert wie ein Deutschlandticket."
Um noch mehr Menschen zum Umsteigen auf die Bahn zu bewegen, muss deren Nutzung einfach und bequem sein. Ehrenamtliche von Greenpeace haben deshalb bundesweit im März 2025 “Wunschstellen” nach dem Vorbild von Bushaltestellen eingerichtet und bei Passant:innen Anregungen für ein besseres Bus- und Bahnangebot gesammelt – und diese anschließend Politiker:innen überreicht für die Koalitionsverhandlungen. Dass der ÖPNV ausgebaut werden muss, zeigt auch eine von Greenpeace veröffentlichte interaktive Karte: Demnach hat ein Viertel der Deutschen sehr schlechten Zugang zu Bus und Bahn. Ein aktueller Greenpeace-Städtevergleich belegt zudem, dass der Ausbau des ÖPNV auch in den meisten Großstädten stagniert.
Zu einem verlässlichen Preis angeboten und mit einem bundeseinheitlichen Studierenden- und Sozialtarif ausgestattet, ließe sich die Begeisterung für den Fahrschein nochmal erhöhen. Das wäre nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch ein faires Angebot für alle, die kein Auto oder wenig Geld haben.
Immer mehr Städte und Unternehmen bieten Deutschland-Ticket als Jobticket an
Unter den Abonnent:innen finden sich auch viele, die das Deutschlandticket als Jobticket über ihren Arbeitgeber bekommen. So nehmen etwa Stadtverwaltungen und große Unternehmen das Angebot für ihre Mitarbeitenden an – wie zwei Greenpeace-Abfragen zeigen.
Wie stark Städte das Ticket fördern, variierte bei der Umfrage im Jahr 2024 deutlich. In Dresden, Köln oder Essen etwa kostet das D-Ticket Jobticket die Mitarbeitenden 34,30 Euro. Angestellte der Städte Mainz oder Freiburg zahlen lediglich 9 Euro zu. Die Stadt München übernimmt die Kosten für ihre Angestellten sogar vollständig.
Wie es die 40 im Dax und die 50 im MDax gelisteten Unternehmen mit dem Jobticket handhaben, hatte Greenpeace bereits im Oktober 2023 gefragt. Die Ergebnisse waren erstaunlich: Wenige Monate nach seiner Einführung bot gut die Hälfte der befragten Unternehmen ihren Mitarbeitenden das Deutschlandticket als Jobticket an.
Das Deutschlandticket als Jobticket ist nicht der einzige Weg, wie Unternehmen ihre Belegschaft bei einer umwelt- und klimafreundlichen Mobilität unterstützen können. Einige bieten keine Jobtickets an, zahlen Mitarbeitenden aber einen ÖPNV-Zuschuss, andere fördern nachhaltige Mobilität mit einem Jobrad-Angebot.
Beide Abfragen zeigen zudem, dass sich einige Unternehmen und Städte Planungssicherheit wünschen hinsichtlich der Kosten und des Fortbestands des Tickets. Dies würde eine wichtige Rolle bei der Entscheidung für das D-Ticket als Jobticket spielen.
Eine gerechte Zukunft für alle
Sozial und ökologisch
Wir setzen uns für eine Welt ein, in der alle Menschen gleiche Chancen erhalten. Macht, Besitz und Wohlstand müssen weltweit und generationenübergreifend gerechter verteilt sein. So sorgen wir dafür, dass die einen nicht unter dem Lebensstil der anderen leiden müssen. Umweltzerstörung und soziale Ungerechtigkeit sind eng miteinander verbunden – beide zu beenden ist Klimagerechtigkeit.
Für einen Systemwandel
Unsere Wirtschafts- und Lebensweisen stehen an einem Wendepunkt. Wir haben die Wahl, ob er durch Krisen erzwungen wird oder ob wir ihn bewusst und verantwortungsvoll gestalten. Jetzt ist der Moment, aktiv einzuschreiten und die Grundlagen für eine gerechte und nachhaltige Zukunft zu legen. Wir bezeichnen diesen Prozess als „sozial-ökologische Transformation“. Mehr dazu hier.
Wie lässt sich das Deutschlandticket finanzieren?
Wie sich das Deutschlandticket finanzieren ließe, hat sich Greenpeace in verschiedenen Berechnungen angeschaut. So könnten nicht nur durch die Streichung des Dienstwagenprivilegs Gelder freigesetzt werden.
Denn als sich Bund und Länder 2023 über 200 Millionen Euro stritten, die Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) für das Deutschlandticket zurückhielt, hat Greenpeace den Streitposten mit den Kosten einiger in Bau befindlicher Autobahnprojekte verglichen – die dem Ausbau und nicht der Sanierung von Straßen dienten: Die 200 Millionen Euro, an denen die Fortführung des Deutschlandtickets monatelang hing, entsprachen den Kosten für 1,2 Kilometer der umstrittenen A100 in Berlin. Auch 900 Meter der geplanten A26 in Hamburg oder 1,3 Kilometer der A52-Bauabschnitte in NRW hätten die Finanzierungslücke decken können.
Sogar ein günstigeres Ticket für 29 Euro wäre finanzierbar und wohl für den Staat nicht unbedingt teurer – dies zeigte eine bereits im Oktober 2022 von Greenpeace vorgelegte Kostenkalkulation: Der Berechnung lagen zahlreiche Umfragen zur Zahlungsbereitschaft für das künftige Deutschlandticket zugrunde. So kam heraus, dass ein Ticket für 29 Euro pro Monat den Staat maximal so viel an Zuschüssen kostet wie ein 49-Euro-Ticket. Denn voraussichtlich würden doppelt so viele Menschen das günstigere Ticket kaufen und dadurch mehr Geld in die Kassen spülen. Auf Basis der aus den Umfragen gemittelten Kaufbereitschaft addieren sich die möglichen Einnahmen eines 29-Euro-Tickets auf 8,6 Milliarden Euro, gegenüber 7,2 aus dem Verkauf des 49-Euro-Tickets.
Gelder in Bahn statt Autobahn stecken
Jahrzehntelang stand der klimaschädliche Verbrenner im Fokus der deutschen Verkehrsplanung, seit 1990 sind die Emissionen im Verkehr daher nicht gesunken. So wurde Deutschland sogar europäischer Spitzenreiter in der Stilllegung von Zugstrecken: Um 2700 Kilometer wurde hierzulande das Schienennetz für den Personenverkehr seit 1995 gekürzt, gleichzeitig wurden 2000 Kilometer neue Autobahnen gebaut.
Im aktuellen Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 haben die Fernstraßenprojekte, die als höchste Priorität eingestuft wurden, ein Preisschild von zusammen 50,9 Milliarden Euro. Doch wenige Jahre nach Inkrafttreten des Infrastrukturplans ist klar: Die Straßen werden viel teurer, als im BVWP veranschlagt: Für etliche Projekte liegen inzwischen aktualisierte Kostenschätzungen vor – häufig mit einer Vervielfachung der ursprünglichen Summen. Nach Berechnungen von Greenpeace addieren sich die Kosten für rund 800 im BVWP mit der höchsten Priorität bewerteten Straßenbauprojekte bis 2035 auf insgesamt 153 Milliarden Euro. Diese Summe könnte statt für den Bau neuer Straßen – damit ist nicht der Erhalt des bestehenden Straßennetzes gemeint – in den Ausbau des maroden Schienennetzes investiert werden.
Das käme auch den Menschen auf dem Land zugute. Bislang profitieren vor allem Menschen in Ballungsgebieten von dem bundesweit geltenden ÖPNV-Ticket. Hier zeigt sich die Abhängigkeit vom Auto besonders deutlich, vielerorts fehlen schlichtweg Busse oder Schienen. Der Weg aus dem Dorf ist die Straße. Meist mit dem privaten Pkw. Wer kein Auto hat, ist auf andere angewiesen - oder nimmt das Rad, was allerdings bei aller Liebe zum Radfahren über längere Distanzen nicht immer hinhaut.
Die Infrastruktur lässt sich nicht über Nacht herbeizaubern. Es gibt aber immerhin auch Maßnahmen, die rasch zu einer Verbesserung beitragen, welche Greenpeace im “ÖPNV-Sofortprogramm bis 2025” zusammengestellt hat. Denn dazu hat das Deutschlandticket auch geführt: Es hat beeinflusst, wie wir über Bus und Bahn sprechen. Die Probleme der Bahn wären nicht kleiner ohne das Deutschlandticket, aber sie finden mehr Beachtung, seit Millionen D-Ticket Abonnent:innen Bus und Bahn als „ihr Verkehrsmittel“ sehen.