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Tempolimit 120 km/h für Klimaschutz im August 2007
Andreas Varnhorn / Greenpeace

Autos und Klimakrise

Das Geschäftsmodell der deutschen Autoindustrie ist ein Paradebeispiel für versäumten Klimaschutz. Über Jahrzehnte wurden technische Neuerungen verschleppt und jedes Umdenken verhindert. Die Motoren wurden zwar effizienter, die Autos aber auch immer dicker. Die Folge: Spritverbrauch und CO2-Ausstoß sinken nur im Schneckentempo.

Hauptverantwortlich für die Klimaerwärmung ist das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2), das bei der Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle oder Benzin entsteht. Ein Viertel des europäischen CO2-Ausstoßes verursacht der Verkehr, für über 60 Prozent sind Autos und Motorräder verantwortlich. Und die Aussichten sind düster: Über 1,3 Milliarden Verbrenner sind inzwischen weltweit zugelassen und heizen mit ihren Abgasen die Klimakrise an, viele davon werden noch jahrzehntelang auf dem Markt sein. 

Die Deutschen sind zu dick

Die europäische Autoindustrie verpflichtete sich 1998, den Verbrauch aller in Europa neu zugelassenen PKW bis 2008 durchschnittlich auf 5,7 Liter zu senken. Passiert ist kaum etwas: 2022 verbrauchten Pkw mit Ottomotor rund 7,7 Liter Benzin pro 100 Kilometer, Fahrzeuge mit Dieselmotor benötigten durchschnittlich sieben Liter Kraftstoff für die gleiche Strecke. Vor allem die deutschen Autos sind zu dick und extrem übermotorisiert. Von Modellreihe zu Modellreihe brachte die deutsche Autoindustrie schwerere und schnellere Fahrzeuge auf den Markt. Über die letzten Jahrzehnte kam es zu einer regelrechten Aufrüstung auf deutschen Straßen. Das steigende Spitzentempo bedingte immer größere und schwerere Motoren. Der erste Golf wog 1974 circa 750 Kilo, heute bringt er fast anderthalb Tonnen auf die Waage – beinahe doppelt so viel wie vor 30 Jahren.

Wenn Motorleistung zum Prestigefaktor wird

Das sogenannte Premiumsegment ist besonders problematisch: Edelkarossen und große Geländewagen für die Stadt - massiv, PS-stark, spritfressend. Sie wurden in den letzten Jahrzehnten aufgerüstet wie kein anderes Segment der Autoindustrie. SUV-Modelle machen rund ein Drittel der insgesamt etwa neun Millionen verkauften Autos von Volkswagen, nach Toyota Weltmarktführer für Verbrenner, aus. Bis 2025 will VW den SUV-Anteil seiner Produktpalette auf 50 Prozent steigern. Verbraucht ein normales Auto im Schnitt 7 Liter auf hundert Kilometern, liegt der Normverbrauch der Premiumwagen im Schnitt bei über 13 Litern, auf Autobahnen schnell bei über 20 Litern pro 100 Kilometern. Die SUV-Verkäufe erreichten 2023 einen neuen Rekord. Sie machen mittlerweile die Hälfte aller weltweit verkauften Neuwagen aus, wie eine Analyse der Internationalen Energieagentur (IEA)  zeigt. Diese Autos sind auch ein deutscher Exportschlager: 2023 wurden 75 Prozent der in Deutschland produzierten Autos ins Ausland verkauft, so der Verband der deutschen Automobilindustrie. An diesen Wagen orientiert sich der Rest der Welt. Deswegen hat die deutsche Autoindustrie eine Vorreiterfunktion – eine Verantwortung, der sie bis heute nicht nachkommt.

Klimazerstörung auf Kosten des Steuerzahlers

In Deutschland sind 67 Prozent aller zugelassenen PKW Firmenwagen. Das größte Segment bei den Dienstwagen sind SUV: Firmen bestellen schwere Fahrzeuge mit hohem Spritverbrauch, denn ihr Image ist ihnen wichtiger als der Klimaschutz. Für die Besitzer sind Anschaffungs- und Spritkosten von der Steuer absetzbar. Durch dieses Steuerrecht wird der Autoindustrie der Binnenabsatz ihrer teuren Premiumfahrzeuge weiter gesichert. Ein Anreiz für spritsparendere Autos fehlt, denn der Steuerzahler finanziert diese unnötige Form der Klimazerstörung mit.

Moderne Autos sind klein, leicht, sparsam - und elektrisch

Die deutschen Autohersteller halten stur an ihrer alten Modellpolitik fest, obwohl Lösungen zur Einsparung klimaschädlicher CO2-Emissionen seit Jahren entwickelt und erprobt sind. So baute Greenpeace schon im Jahr 1995 einen Renault Twingo nach dem SmILE-Prinzip (Small, Intelligent, Light and Efficient) um. Mit diesem Prinzip, konsequent auf alle Automodelle angewendet, hätte bereits vor Jahrzehnten bis zur Hälfte des Kohlendioxidausstoßes und des Spritverbrauchs im PKW-Verkehr eingespart werden können. Vor allem die deutschen Autohersteller bremste zudem den Umstieg auf klimafreundliche Elektromobilität aus - nach wie vor fehlen günstige kleine Stromer für den Massenmarkt, produziert werden vor allem große Elektro-SUVs.

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Schnelle Hilfe fürs Klima: Tempolimit

Der Kohlendioxidausstoß steigt bei höheren Geschwindigkeiten überproportional. Deshalb ist ein Tempolimit der schnellste und billigste Weg, die Emissionen zu senken. Würde deutschlandweit eine Höchstgeschwindigkeit von 120 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen eingeführt, könnten sofort jährlich rund 6,7 Millionen Tonnen Kohlendioxid eingespart werden – und das zum Nulltarif.

Ungefähr 12.500 Kilometer Autobahn gibt es in Deutschland, davon über die Hälfte ohne Geschwindigkeitsbegrenzung. Das gibt es in keinem anderen Industrieland. Ein Tempolimit wäre ein wichtiges Signal an die deutsche Autoindustrie, leichtere Fahrzeuge zu bauen, die weniger verbrauchen und CO2-arm sind. Denn wäre das Rasen verboten, bräuchten Mercedes, BMW und Co. keine überdimensionierten Motoren zu bauen, ihre Autos würden spritärmer und leichter. Dadurch könnte der weltweite CO2-Ausstoß – nach Schätzung verschiedener Institute – beim PKW-Verkehr mittelfristig um bis zu 30 Prozent gesenkt werden. Nebenbei würde auch die Verkehrssicherheit erhöht - und das Bundesverkehrsministerium, das offiziell gegen eine Tempobeschränkung ist, könnte sich die Werbeplakate an Autobahnen sparen, die die Raser höflich um eine Mäßigung ihres Tempos bitten.

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