Kein LNG-Terminal auf Rügen
Offenen Brief unterzeichnen- Hintergrund
Im Hafen von Mukran auf Rügen soll ein LNG-Terminal entstehen. Dazu soll eine 50 Kilometer lange Pipeline am Meeresgrund bis nach Lubmin verlegt werden. Mit Klima- und Umweltschutz ist dieses Projekt nicht vereinbar. Dagegen protestierten am 7. und am 21. September Greenpeace-Aktivist:innen zu Land und auf dem Wasser.
Es ist die angebliche Rettung vor der Energiekrise, das Gas, das die Ausfälle aus Russland kompensieren soll: LNG. Flüssiges Erdgas, auf englisch Liquefied Natural Gas genannt und mit LNG abgekürzt, kommt mit Schiffen aus aller Welt zu uns. Hochkomprimiert und auf Minus 163 Grad gekühlt, kann der normalerweise gasförmige Energieträger so auch ohne Pipeline über weite Strecken transportiert werden. Auf Schiffen kommt es an sogenannten LNG-Terminals an, wird dort in den gasförmigen Zustand zurückversetzt und ins Gasnetz eingespeist.
Allerdings sind die aktuellen Planungen der Bundesregierung für neue LNG-Terminals massiv überdimensioniert. Zu diesem Ergebnis kommen u. a. Studien vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und New Climate Institute. Laut LNG-Beschleunigungsgesetz vom 12. Juli 2023 sind an fünf Standorten acht schwimmende und drei feste LNG-Terminals geplant. Eines davon: in Mukran auf Rügen. Das ist wirtschaftlich blödsinnig, für die Umwelt eine Belastung und klimapolitisch ein Wahnsinn.
Selbst eine von Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck beauftragte Analyse des energiewirtschaftlichen Instituts EWI kommt zu dem Schluss, dass die deutschen LNG- Ausbauplanungen im Widerspruch zu den Klimazielen stehen. Unter den drei betrachteten Szenarien zu Gasangebot und -nachfrage ist lediglich eines mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar. In diesem Szenario würden die deutschen LNG-Terminals im Jahr 2030 nur zwischen 13 und 18 Prozent ihrer Kapazität nutzen. Um die Klimaziele zu erreichen, wäre nur ein Fünftel zulässig, nämlich etwa sieben Milliarden Kubikmetern pro Jahr der angenommenen LNG-Kapazität. Das entspricht ungefähr der Leistung eines einzelnen voll ausgelasteten Terminalschiffs.
Was ist LNG?
LNG (Liquefied Natural Gas) ist die Bezeichnung für fossiles Flüssigerdgas. Um LNG zu erhalten, wird Erdgas von Schwefel, Stickstoff und Kohlendioxid gereinigt und auf Temperaturen von bis zu minus 162°C abgekühlt. Dadurch wird es verflüssigt. Dieser Prozess verringert das Volumen um das 600-fache, wodurch sehr große Mengen des verflüssigten Energieträgers gelagert und transportiert werden können. Erst dadurch wird der Transport auf dem Schiff ermöglicht.
LNG in Mukran auf Rügen
Die Firma Deutsche Regas will das LNG-Terminal auf Rügen Anfang 2024 in Betrieb nehmen. Es soll aus zwei Regasifizierungsschiffen (FSRU-Units) bestehen, die im Hafen von Mukran ankern und das flüssige LNG in den Gaszustand zurückwandeln. Eine 50 Kilometer lange Pipeline soll das Gas am Grund des Greifswalder Boddens nach Lubmin leiten, wo es ins Gasnetz eingespeist wird. Dieses Terminal würde die deutschen Importkapazitäten für Flüssiggas jährlich noch einmal um bis zu 15 Milliarden Kubikmeter erhöhen.
Erst im Juli war Mukran als Standort für ein neues LNG-Terminal per Bundestagsbeschluss ins sogenannte LNG-Beschleunigungsgesetz aufgenommen worden. Nach dem seit Mai 2022 geltenden Gesetz fallen unter anderem sonst vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) bei der Planung von LNG-Infrastrukturprojekten aus. So erteilte das zuständige Bergamt Stralsund bereits am 21. August die Baugenehmigung für den ersten Teil der geplanten 50 Kilometer Pipeline.
Proteste von Greenpeace
Wegen der fehlenden überregionalen Umweltverträglichkeitsprüfungen im Genehmigungsverfahren haben Greenpeace Dänemark und Greenpeace Polen Beschwerde beim zuständigen Sekretariat der sogenannten Espoo-Konvention eingelegt. Diese regelt unter dem Dach der EU-Wirtschaftkommission die Beteiligung aller betroffenen Staaten bei grenzüberschreitenden Großprojekten.
Überdimensionierter Ausbau der LNG-Infrastruktur
Seit kein Erdgas aus Russland mehr nach Deutschland fließt, boomen hierzulande die Importe von Flüssiggas (LNG) aus aller Welt und der Ausbau der LNG-Infrastruktur wird massiv vorangetrieben. Drei neue LNG-Terminals sind 2022 an deutschen Küsten ans Netz gegangen, acht weitere sollen folgen. Der Greenpeace-Report “Der Gaskanzler” zeigt auf, wie Olaf Scholz Deutschland mit seiner Gaspolitik in neue fossile Abhängigkeiten treibt, weltweit Deals über Gas-Importe schließt und damit wirksamen Klimaschutz verhindert. Dabei offenbaren mehrere Studien zur Gasversorgung, unter anderem des New Climate Institute und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), dass die geplanten Kapazitäten Deutschlands heutigen Gasbedarf bei Weitem übersteigen. Das derzeit geltende LNG-Beschleunigungsgesetz erlaubt einen nahezu uneingeschränkten Betrieb der neuen und geplanten LNG-Terminals bis Ende 2043.
Der Gaskanzler Report
Anzahl Seiten: 21
Dateigröße: 2.62 MB
HerunterladenDie Gaslobby rechtfertigt den massiven Ausbau mit blumigen Versprechen, dass alles irgendwann “H2-ready” sei, in Zukunft also alles auf “grüne” Gase – allen voran Wasserstoff – umstellen werde. Dass diese neuen Narrative größtenteils Greenwashing und die meisten Zukunftsversprechen nichts als Scheinlösungen sind, fasst der von Greenpeace beauftragte Report "LNG-Wasserstoff-CCS" zusammen.
So hält die Bundesregierung weiter am Bau eines riesigen Flüssiggasterminals vor Rügen fest, aus dem sich selbst der Energiekonzern RWE kürzlich als Dienstleister zurückgezogen hat. Und der Staatskonzern Uniper plant einen so genannten Energy-Hub in Wilhelmshaven. Gegen beide Projekte gibt es massive Proteste von Umweltverbänden und lokaler Bevölkerung.
Dieser neue Gasboom ist mit dem selbst gesteckten Klimaziel, bis 2045 Klimaneutralität für Deutschland zu erreichen, nicht vereinbar. Das gilt nicht nur für den Ausbau der fossilen Infrastruktur hierzulande: Auch die Ankündigungen von Bundeskanzler Olaf Scholz, die Erschließung eines neuen Gasfeldes vor der Küste Senegals mitzufinanzieren – das in unmittelbarer Nachbarschaft zum größten Kaltwasserkorallenriff der Welt liegt – und später von dort LNG zu beziehen, laufen den eigenen Klimazielen entgegen.
Im Wattenmeer gilt ebenso wie anderswo, etwa an australischen Korallenriffen oder vor der Küste Senegals: Jedes neue Erdgasprojekt schafft neue Abhängigkeiten, kettet uns über weitere Jahrzehnte an schmutzige fossile Energieträger und bremst die Energiewende aus. Weltweit braucht es daher ein Ende der Erschließung neuer Gasquellen. Deutschland muss sich bis 2035 komplett von fossilen Energien unabhängig machen. Das heißt auch, dass neue Gasbohrungen wie vor Borkum ebenso wie feste Flüssiggas-Terminals wie vor Rügen gestoppt werden müssen. Sichere und saubere Energie gibt es nur aus 100 Prozent erneuerbaren Quellen.
Häufige Fragen zum LNG-Terminal auf Rügen
LNG auf Rügen - Was ist geplant?
Insgesamt umfasst der Bau des LNG-Terminals auf Rügen die Schaffung von zwei schwimmenden LNG-Terminals im Hafen von Mukran und einer Anschlussleitung von Mukran nach Lubmin an das Erdgasnetz, wobei die Baggerarbeiten bereits im Gange sind. Das Terminal soll bis Ende 2023 in Betrieb gehen und hat bereits die Genehmigung für den ersten Pipelineabschnitt erhalten.
Brauchen wir das LNG-Terminal auf Rügen?
Die aktuellen Planungen der Bundesregierung für neue LNG-Terminals sind massiv überdimensioniert. Zu diesem Ergebnis kommen u.a. Studien vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und New Climate Institute. Laut LNG-Beschleunigungsgesetz vom 12. Juli 2023 sind an 5 Standorten 8 schwimmende und 3 feste LNG-Terminals geplant.
Insgesamt importierte die Bundesrepublik im ersten Halbjahr 2023 etwa 33,8 Terawattstunden LNG über deutsche Terminals. Verglichen mit dem gesamten deutschen Gasimport von 526 Terawattstunden in diesem Zeitraum macht das jedoch nur einen Anteil von etwa sechs Prozent aus. Abgesehen vom Projekt auf Rügen sind noch weitere Terminals geplant. So soll etwa im niedersächsischen Stade vom kommenden Winter an ebenfalls Gas ankommen. Daneben gibt es die existierenden Terminals in Wilhelmshaven und Brunsbüttel. Allein von der Menge her ist ein weiteres Terminal auf Rügen nicht zu rechtfertigen.
Brauchen wir alle geplanten LNG-Terminals?
Die Studie des renommierten Wirtschaftsforschungsinstitut DIW kommt zu einem klaren NEIN. Nach Einstellung der Erdgaslieferungen aus Russland ist keine Versorgungsnotlage eingetreten, weil rasch andere Bezugsquellen aktiviert werden konnten und die Nachfrage relativ stark zurückgegangen ist. Auch für den Winter 2023/24 ist nicht mit Engpässen zu rechnen, allerdings bleiben Einsparbemühungen von Industrie und Haushalten wichtig. Angesichts der rückläufigen Bedeutung von Erdgas auf dem deutschen Weg zu Klimaneutralität ist der geplante Bau von Flüssigerdgasterminals (LNG-Terminals) an Land weder energiewirtschaftlich notwendig noch klimapolitisch sinnvoll.
Brauchen wir deutsche LNG-Terminals zur Versorgung Europas mit Gas?
Nein. Europaweit werden gerade massive Überkapazitäten für den Gasimport geschaffen. Ausgehend von den derzeitigen Plänen für den Ausbau der Infrastruktur könnte die Kapazität der LNG-Terminals in Europa bis 2030 400 Milliarden Kubikmeter überschreiten - gegenüber 270 Milliarden Kubikmetern Ende 2022. Die IEEFA schätzt, dass 2030 nach jetzigen Ausbauplänen eine erhebliche ungenutzte Kapazität von bis zu 250 Mrd. Kubikmetern vorhanden wäre, was mehr als die Hälfte des gesamten Gasverbrauchs der EU im Jahr 2021 (413 Mrd. Kubikmeter) wäre.
Wie ist der Stand des Genehmigungsverfahren des LNG-Terminals auf Rügen?
Der aktuelle Stand des Genehmigungsverfahren kann beim Bergamt Stralsund unter der Rubrik Ostsee-LNG eingesehen werden.
https://www.bergamt-mv.de/service/genehmigungsverfahren/
Wann soll das Terminal fertiggestellt werden?
Nach den Plänen der Bundesregierung sollen zwei schwimmende LNG-Terminals mit einer Jahreskapazität von 10 bis 15 Milliarden Kubikmeter Gas stationiert werden. Ziel ist es, dass die Terminals für die Versorgung im Winter Anfang 2024 in Betrieb gehen.
Hat der Bundestag sich für das LNG-Terminal vor Rügen ausgesprochen?
Ja, der Bundestag hat mit 370 zu 301 Stimmen und einigen Enthaltungen am 12. Juli 2023 eine Reform des LNG-Beschleunigungsgesetzes beschlossen. Mit dem Argument „Sicherung der Energieversorgung“ ist Mukran als neuer Standort auf Rügen mit aufgenommen worden. Damit sollen auch schnellere Genehmigungen ermöglicht werden, indem dann beispielsweise auf Umweltverträglichkeitsprüfungen verzichtet werden darf. Gegen die umstrittenen Pläne haben die deutsche Umwelthilfe und die Rügener Gemeinde Ostseebad Binz bereits rechtliche Schritte angekündigt. Eine ausführliche Umweltverträglichkeitsprüfung des Terminal-Projekts auf Rügen wurde nicht vorgenommen.
Gibt es bereits ein LNG-Terminal im Hafen von Lubmin?
Ja. Der FSRU-Tanker in Lubmin heißt "Neptune". Es ist ein 280 Meter langes und 46 Meter breites Schiff mit einer Kapazität von 174.000 Kubikmeter LNG. Das Schiff wurde 2019 gebaut und war zuvor in Katar im Einsatz. Die "Neptune" wurde am 16. Dezember 2022 in den Hafen von Lubmin gebracht und am 14. Januar 2023 in Betrieb genommen. Es ist das erste schwimmende LNG-Terminal in Deutschland. Von der NEPTUNE wird das Erdgas in das nur 450 Meter entfernte deutsche Ferngasleitungsnetz (EUGAL/NEL) über eine neu gebaute Verbindungsleitung eingespeist. Über den flachen Greifswalder Bodden wird zuvor das LNG mit Hilfe von Shuttle-Schiffen von einem Lagerschiff vor Rügen zur FSRU in den Hafen Lubmin transportiert. In dieser Projektphase beträgt die Regasifizierungskapazität des LNG-Terminals „Deutsche Ostsee“ bis zu 5,2 Mrd. m³ Erdgas pro Jahr.
Podcast zum LNG-Terminal auf Rügen