Geothermie
- Ein Artikel von Ortrun Sadik
- Hintergrund
Die Nutzung von Erdwärme hat einen großen Vorteil: Sie kann unabhängig von Wetter, Jahreszeit oder Lichtverhältnissen Energie bereitstellen.
„Geothermie“ hören und „Island“ denken, das ist eins. Das Inselreich im Atlantik ist reich an Vulkanen und heißen Quellen und Vorreiter bei der Nutzung der Erdwärme. Neun von zehn Haushalten werden dort mit Geothermie beheizt, 25 Prozent des Stroms des Landes mit Erdwärme erzeugt. 66 Prozent aller im Land verbrauchten Energie wird durch Geothermie gewonnen.
Nun ist nicht jedes Land so mit Vulkanen und heißen Quellen ausgestattet wie Island. Aber auch in Ländern wie Deutschland bietet Erdwärme ein großes Potential, das derzeit noch viel zu wenig genutzt wird.
So wurde 2019 beispielsweise in Deutschland gerade einmal 0,03 Prozent des Stroms durch Geothermie erzeugt. Und bereits dieser kleine Beitrag zur Stromgewinnung hat der Atmosphäre über 60.000 Tonnen Kohlendioxid erspart. Etwas besser schneidet der Wärmesektor ab: Da betrug der Beitrag der Geothermie an der gesamten erneuerbar erzeugten Wärme immerhin 9 Prozent.
Vielfältige Nutzungsformen
Es muss prinzipiell zwischen oberflächennaher (weniger als 400 Meter tief) und tiefer Geothermie unterschieden werden (mehr als 2000 Meter). Auch ist zu unterscheiden, wie heiß die angezapfte Wärmequelle ist: Sehr hohe Temperaturen aus Tiefenbohrungen oder vulkanischen Quellen lassen sich gut für Stromgewinnung nutzen. Doch auch niedrige Temperaturen wie etwa sieben Grad im Gartenboden lassen sich mit Wärmepumpen zu komfortablen Heizquellen aufsummieren.
Auch die Energie von Umgebungsluft und Grundwasser lassen sich über Wärmepumpen anzapfen und zur Wärmegewinnung nutzen. Allerdings wird das nicht der Geothermie im eigentlichen Sinn zugeordnet. Denn die Wärme der Umgebung – sei das nun Luft, Wasser oder der Boden bis 20 Meter Tiefe – speichert die Kraft der Sonne. Von Geothermie im klassischen Sinne hingegen spricht man bei allen Verfahren, die die Energie des heißen Erdinneren nutzen.
Oberflächennahe Geothermie
In Deutschland liegt die mittlere Temperatur an der Erdoberfläche bei circa sieben bis elf Grad Celsius. Es ist faszinierend, aber selbst mit diesen Umgebungstemperaturen lassen sich Häuser und Gebäude beheizen. Das gilt sowohl für kleine Eigenheime als auch für Schulgebäude, Bürokomplexe, Krankenhäuser oder für ganze Fabrikhallen. Der Trick ist dabei, dass mit Hilfe von Wärmepumpen das niedrige Temperaturniveau auf ein vielfaches erhöht werden kann. Aus einer Kilowattstunde Strom für die Wärmepumpe werden im Schnitt drei Kilowattstunden Wärme, abhängig von der eingesetzten Technik.
Mit den gesammelten 20 bis 60 Grad lässt sich zwar kein Strom gewinnen und kein Ei kochen – aber für die Fußbodenheizung oder das Duschen reicht das völlig. Spannenderweise kann mit dieser Energie sogar gekühlt werden.
Beliebte Wärmepumpen
Dieses System ist ebenso einfach wie beliebt: Stand 2020 gab es in Deutschland rund 440.000 Anlagen, die oberflächennahe Geothermie nutzen. Und täglich werden es mehr. Der Zubau der Luft-Wasser Wärmepumpen lag bei fast 100.000 im Jahr 2020 - eine Steigerung um 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Dass es noch nicht viel mehr sind, ist eigentlich skandalös. Denn immer noch werden Häuser neu gebaut, deren Wärmeversorgung nicht über Erneuerbare Energien gewährleistet ist. Grund dafür sind gesetzlichen Rahmenbedingungen, die immer noch den Einbau von Ölheizungen durch Schlupflöcher erlauben und den Einbau von Gasthermen sogar fördern. Hinzu kommt ein viel zu niedriger CO2-Preis, so dass Wärmepumpen nicht automatisch attraktiver sind als fossile Heizungen. 20 bis 30 Jahre, bevor die Welt ihre ultimativ letzte Tonne CO2 ausgestoßen hat, die das Klimasystem zu kippen bringt, ist das ein absolutes Unding!
Tiefe Geothermie
Je tiefer man von der Erdoberfläche ins Innere unserer Erde vordringt, desto heißer wird es. Denn man kommt dem flüssigen Erdinneren immer näher. Im Durchschnitt nimmt die Temperatur um etwa drei Grad Celsius pro 100 Meter Tiefe zu. Dieser Wert schwankt aber regional stark.
Gerade die Tiefengeothermie hat riesige Potentiale für die Zukunft. Oft beträgt die Temperatur 3000 bis 4000 Meter unter der Erde weit über 100 Grad. Diese Energie lässt sich vor allem für Wärmenetze nutzen, aber auch zur Stromerzeugung. Hier lassen sich ebenfalls Wärmepumpen einsetzen, um die Ausbeute zu steigern.
Anbindung ans Wärmenetz
2020 waren in Deutschland 38 Tiefengeothermie-Kraftwerke in Betrieb. Außerdem befanden sich vier Anlagen im Bau, fünf Anlagen wurden für Forschungsprojekte genutzt und drei Anlagen waren in der Planung.
Derzeit hakt es noch an einigen Stellen: Die Einspeisung ins Wärmenetz ist derzeit schwierig. Erneuerbare Wärme wie Geothermie hat noch keinen Vorrang, die Vergütung ist nicht klar geregelt. Auch die technischen Rahmenbedingungen sind noch nicht geklärt. Übergabestationen müssten gefördert und Genehmigungsverfahren für Geothermieanlagen vereinfacht werden. Dann könnten die gewaltigen Potentiale der Geothermie besser erschlossen werden und die Erdwärme einen viel größeren Beitrag zur Versorgung mit klimafreundlichen erneuerbaren Energien leisten als derzeit.