Milchkühe - arme Säue
Das Rind muss an die Frische Luft: Petition unterzeichnen!- Ein Artikel von Kristina Oberhäuser
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Viele Milchkühe werden in Deutschland unter schmerz- und leidvollen Bedingungen gehalten – und die sind mit dem Tierschutzgesetz nicht vereinbar, zeigt ein Gutachten.
Weitläufige grüne, saftige Weiden, immer wieder ist ein Muhen zu hören. Einige Kühe stehen mit gespreizten Vorderbeinen und rupfen mit Hilfe ihrer Zunge Grasbüschel aus, andere liegen im Gras und käuen wieder. Das ist wohl die Vorstellung, die viele von uns haben, wenn sie an die Milchviehhaltung in Deutschland denken.
Und wenn Rinder sich etwas wünschen dürften, würde es ähnlich klingen: Haben sie die Möglichkeit dazu, grasen sie bis zu zwölf Stunden täglich an der frischen Luft und legen dabei mehrere Kilometer auf der Weide zurück. Den Rest der Zeit legen sie sich zum Wiederkäuen oder für eine kurze Schlafpause hin oder betreiben intensive Fellpflege. Für Letzteres nutzen sie nicht nur die Zunge, sondern auch ihre Hörner. Erstaunlich: Gleichzeitig dienen die Hörner auch der sozialen Interaktion, denn Kühe sind sogenannte Distanztiere, die innerhalb der Herde Abstand halten und anderen Tieren - auch je nach Rangfolge - ausweichen können möchten. Die gesamte Verständigung dazu geschieht über die Stellung der Hörner zum Körper der Kuh. Besonders intensiv ist die Beziehung zwischen Mutter und Kalb - entscheidend dafür ist nicht allein das Säugen, sondern die Zeit, die die beiden miteinander verbringen.
Seltener auf der Weide, öfter in zu engen Ställen
Soweit zum “naturnahen” Verhalten von Rindern. Doch wie sieht die Realität der Milchkühe aus?
Ein von Greenpeace in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten zeigt: Die meisten Tiere müssen das ganze Jahr im Stall stehen, rund zehn Prozent werden in Anbindehaltung gehalten und über Monate fixiert. In neueren sogenannten Boxenlaufställen können Kühe zwar umherlaufen und sich in Boxen hinlegen, doch ist dort der Betonboden oft feucht und rutschig. Und auch hier gibt es in der Regel keinen Auslauf nach draußen. Die offizielle Statistik zeigt, dass nur noch knapp ein Drittel der Milchkühe im Sommer überhaupt auf die Weide kommt.
Rechtsgutachten Milchkuhhaltung
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HerunterladenLaut einer repräsentativen wissenschaftlichen Untersuchung an 765 Milchviehbetrieben mit über 100.000 Kühen kommt es in Deutschland bei 20 bis 40 Prozent der Tiere zu Lahmheiten und verformten Klauen. Jeder vierte Stall ist überbelegt, bietet also zu wenig Platz zum Laufen, Liegen oder Fressen. Zusammengefasst bedeutet das: Kühe haben immer seltener Zugang zur Weide, haben häufig Laufbeschwerden und leben oft in zu engen Ställen. Es besteht also dringender Handlungsbedarf.
Angesichts der großen Bedeutung der Milchviehhaltung in Deutschland ist es umso erstaunlicher, dass bislang gesetzliche Mindestanforderungen für die Haltung von Milchkühen fehlen. In der sogenannten Nutztierhaltungsverordnung gibt es Regeln für die Haltung von Schweinen, Sauen, Geflügel, nicht aber für Kühe. Klar ist: Die deutsche Milchindustrie, die jährlich 27 Milliarden Euro Umsatz mit Milchprodukten macht, hat wenig Interesse an Haltungsvorgaben, die zu besseren, tiergerechten Ställen führen würden, aber auch die Erzeugungskosten um wenige Cent je Liter anheben könnten. “Deutschland braucht dringend eine klare Rechtsvorschrift, wie die Millionen Milchkühe hier gehalten werden dürfen”, sagt Martin Hofstetter, Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace. “Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir muss dazu einen Vorschlag für nationale Mindestvorgaben vorlegen. Milchkühe ganzjährig anzubinden und die Hornanlagen bei Kälbern ohne Schmerz- und Betäubungsmittel auszubrennen, gehört umgehend verboten.“
Zucht auf hohe Milchmengen macht Tiere krank
Die einseitige Zucht auf maximale Milchleistung belastet die Gesundheit vieler Kühe: Stoffwechselstörungen, Unfruchtbarkeit, Euterentzündungen und Klauenkrankheiten sind die Folgen. Dies betrifft besonders die in Deutschland weit verbreitete, auf hohe Milchleistung spezialisierte Rinderrasse Holstein Friesian. Anstatt die Ursache der Krankheiten zu bekämpfen, nämlich die leistungsbedingte Überforderung der Tiere, wird versucht, die Krankheiten mit Infusionen, Antibiotika und Hormonen kleinzuhalten. Trotz häufiger Behandlungen werden Milchkühe in Deutschland jedoch nur fünf bis sechs Jahre alt. Eigentlich liegt ihre natürliche Lebenserwartung bei 15 bis 20 Jahren.
„Die angezüchtete hohe Milchleistung bringt derartige starke und häufige Beeinträchtigungen der Gesundheit mit sich, dass dies bei Hochleistungskühen qualzüchterische Ausmaße annimmt”, so Rechtsanwältin Davina Bruhn. “Es bedarf daher dringend konkreter Regelungen, wann bei Milchkühen von Qualzucht im Sinne des Tierschutzgesetzes auszugehen ist. Der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber ist verpflichtet, dem Staatsziel Tierschutz aus Art 20a GG Rechnung zu tragen.“
Ein hoher Preis, den die Kühe für “unsere” tägliche Milch in Kaffee und Müsli bezahlen. In Deutschland werden rund 3,8 Millionen Milchkühe gehalten, die insgesamt 33 Milliarden Liter Milch im Jahr erzeugen. Laut Milchindustrieverband ist die durchschnittliche Milchleistung der Kühe in den vergangenen Jahren stark gestiegen und liegt heute im Durchschnitt bei 8.500 Litern Rohmilch pro Tier und Jahr.