Anbindehaltung: Kühe leiden für Bärenmarke-Milch
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Verdreckte Kühe – so angebunden, dass sie sich kaum bewegen können. Fotos dokumentieren tierschutzwidrige Zustände. Trotzdem lehnte die Staatsanwaltschaft eine von Greenpeace eingereichte Strafanzeige gegen die Bärenmarke-Molkerei ab. Dagegen hat Greenpeace nun Beschwerde eingelegt.
Eindrücklich dokumentieren Fotos und Videos das Elend auf 23 Milchviehbetrieben, die die Bärenmarke-Molkerei Hochwald beliefern: Das Greenpeace zugespielte Material zeigt Milchkühe in der sogenannten Anbindehaltung. Bei dieser Art der Haltung werden die Kühe mit Seilen, Ketten oder anderen Vorrichtungen am Hals fixiert. Sie stehen in engen Reihen nebeneinander, teils mit den Hinterbeinen in der Kotrinne, also auf glattem Vollspaltenboden. Sie können sich gerade noch hinlegen und liegen auf der Kante zur Kotrinne, weil die Ställe zu klein gebaut worden sind. Vor ihren Köpfen sind Futtertisch und Selbsttränke. Greenpeace-Recherchen und Tracking-Daten belegen, dass die Milch dieser Höfe an die zwei Bärenmarke-Werke in Mechernich (Nordrhein-Westfalen) und Hungen (Hessen) geliefert wird.
Strafanzeige – weil Bärenmarke nicht auf Vorwürfe reagiert
Diese Zustände sind Bärenmarke seit längerem bekannt. Trotzdem reagierte Hochwald-Geschäftsführer Detlef Latka bisher weder auf die Vorwürfe noch auf Anfragen von Verbraucher:innen und Presse. Greenpeace hatte deshalb am 16.05.2024 Strafanzeige wegen Beihilfe zur Tierquälerei gegen Hochwald gestellt. Fast 30.000 Menschen unterstützten die Anzeige mit ihrer Unterschrift. Doch die Staatsanwaltschaft sieht keinen hinreichenden Grund für Ermittlungen und hat die Anzeige daher abgelehnt. Dagegen hat Greenpeace nun Beschwerde eingelegt – denn Tierquälerei muss konsequent verfolgt werden.
“Wer einem Tier vorsätzlich länger anhaltende erhebliche Schmerzen und Leiden zufügt, macht sich der Tierquälerei strafbar”, erklärt die von Greenpeace beauftragte Rechtsanwältin Anja Popp. “Es liegt auf der Hand, dass ein Tier, das nicht in der Lage ist, seine natürlichen Grundbedürfnisse zu befriedigen, unter diesen Umständen leidet. Indem Bärenmarke wissentlich Milch aus Anbindehaltung einkauft, fördert das Unternehmen die Tierquälerei und trägt zur Aufrechterhaltung einer nicht mit Artikel 20a Grundgesetz vereinbaren Haltungsform bei.” Mit diesem Artikel kam 2002 der Tierschutz in das Grundgesetz und wurde in den Rang eines Staatsziels erhoben.
Auch die Tierärztin Claudia Preuß-Ueberschär stützt diese Sicht: „Wenn angeborene Verhaltensweisen anhaltend und erheblich eingeschränkt werden, wie es bei der Anbindehaltung der Fall ist, ist auch davon auszugehen, dass dies mit erheblichen und andauernden Leiden verbunden ist”, so Tierärztin Claudia Preuß-Ueberschär. „Die saisonale Anbindehaltung ändert nichts an dem Leiden der Tiere. Ein betonierter Laufhof kann die Weide nicht ersetzen.”
Bärenmarke-Milch ist fast doppelt so teuer wie solche von Discounter-Marken, obwohl letztere häufig aus der besseren Haltungsform 3 stammt. In der Haltungsform 3 dürfen die Kühe nicht angebunden werden, sondern können sich frei bewegen und haben Zugang zu frischer Luft. Dies entspricht zwar immer noch nicht der Greenpeace-Forderung nach einer Weidehaltung, schließt aber die grausamste Art der Milchviehhaltung, die Anbindehaltung, aus. Das Ziel jedoch müsse generell die Weidehaltung sein, so Lasse von Aken, Experte für Landwirtschaft bei Greenpeace: “Kühe gehören auf die Weide. Das schont auch das Klima und erhält die Artenvielfalt. Nur das kann den hohen Preis von Bärenmarke-Milch rechtfertigen.”
Alltag in Ställen, die Bärenmarke-Werke beliefern
Rechtsgutachten: Anbindehaltung verstößt gegen Tierschutzgesetz
Dass die Anbindehaltung gegen die zentrale Norm des § 2 des Tierschutzgesetzes verstößt und den Straftatbestand des § 17 TierSchG erfüllen kann, zeigt ein von Greenpeace im April 2023 veröffentlichtes Rechtsgutachten zur Haltung von Milchkühen. Darüber hinaus fehlen bislang jedoch konkrete Vorgaben, die die Haltung von Milchkühen gesetzlich regeln. Die gibt es bislang nur für Kälber, die jünger als sechs Monate alt sind. Das heißt also, dass die gängige Anbindehaltung bislang nicht gesetzlich verboten ist, aber laut Rechtsgutachten gegen den Tierschutz verstößt. Die Rechtsprechung teilt diese Auffassung weitgehend, etwa in einem Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom Februar 2022. Diesem Widerspruch will die Bundesregierung nun zumindest in Teilen begegnen. Die Ampel-Regierung will laut Koalitionsvertrag bestehende Lücken in der Tierschutznutztierhaltungsverordnung (Tier-SchNutztV) schließen und das Tierschutzgesetz (TierSchG) verbessern.
Zwar soll im aktuellen Referentenentwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom Februar 2024 die ganzjährige Anbindehaltung verboten werden, allerdings erst nach einer zehnjährigen Übergangsfrist. Im Juli hat der Bundesrat eine Stellungnahme zur Tierschutznovelle abgestimmt. Dabei geht es vor allem um die Frage, ab wann die ganzjährige Anbindehaltung verboten werden soll. Und wie Ausnahmen für saisonale Anbindehaltung aussehen könnten. Final entscheiden wird der Bundestag voraussichtlich im November.
„Vor allem die ganzjährige Anbindehaltung ist nicht mehr tragbar, sie verstößt gegen das Tierschutzgesetz“, sagt Lasse van Aken, Greenpeace-Landwirtschaftsexperte. „In der Agrarpolitik wird gerne der politische Taschenspielertrick extrem langer Übergangsfristen angewandt. Wir fordern, die tierschutzwidrige Anbindehaltung sofort zu verbieten.”
Wie dringend Handlungsbedarf besteht, untermauern die Fotos, die Greenpeace im Februar und April zugespielt wurden.
Die meisten Kühe in Anbindehaltung in Deutschland sind nach Zahlen des Thünen-Instituts das ganze Jahr über angebunden. 30 Prozent der Tiere trifft es saisonal: also bis zu acht Monate durchgehend fixiert und den Rest der Zeit auf der Weide oder mit etwas Bewegungsraum im betonierten Laufhof. Auch das verstößt in der Regel gegen das Tierschutzgesetz. Im Jahr 2020 hielten mehr als ein Drittel aller knapp 50.000 Milcherzeuger:innen ihre Milchkühe in Anbindehaltung. In den vergangenen Jahren wurden zwar stetig weniger Kühe angebunden gehalten. Nichtsdestotrotz leiden weiterhin zu viele Kühe unter dieser qualvollen Art der Haltung.
Und Bärenmarke? Die Molkerei Hochwald verkauft Milch ihrer Premiummarke Bärenmarke zu einem überdurchschnittlich hohen Preis und wirbt mit “artgerechter Haltung” und angeblich besonders hoher Qualität. Hinter glanzvoller Werbung versteckt das Unternehmen jedoch, wie dreckig es den Kühen meist geht. „Das ist ein Hohn“, sagt Lasse van Aken, Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace. „Wir sehen hier eine katastrophale Haltung mit strafrechtlicher Relevanz. Bärenmarke täuscht Verbraucher:innen, denn es handelt sich nicht um Einzelfälle, sondern den Alltag in den Ställen.“
(Der Artikel wurde am 6. März 2024 erstveröffentlicht und anschließend aktualisiert.)