Die Wahrheit hinter dem Bärenmarke-Idyll
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Die Molkerei Hochwald wirbt mit besonders hoher Qualität und verkauft unter dem Label Bärenmarke hochpreisige Milch. Im Molkerei-Ranking landet die Marke jedoch auf dem letzten Platz. Fotos belegen zudem, dass die Milchkühe häufig unter Bedingungen gehalten werden, die gegen das Tierschutzgesetz verstoßen. Aktivist:innen demonstrieren – immer noch dabei: der berühmte Werbeträger der Bärenmarke.
Er war ein Star, das kann man so sagen. Schon ganz früh stieg er in die Filmbranche ein und machte dort Kinowerbung. Die Firma Steiff produzierte für seine jungen Fans eine Plüschversion von ihm. Und spätestens, als er Ende der sechziger Jahre als eine der ersten Werbefiguren im Farbfernsehen auftrat, kannte ihn so ziemlich jede:r in Deutschland: den Bären der Bärenmarke.
Für viele Deutsche ist der Milch-Bär Teil ihrer Kindheit, der verlässlich mit seiner silbernen Milchkanne auf grünen Alpenwiesen stand und die märchenhafte Vorstellung von gesunder Milch von glücklichen Kühen in die deutschen Wohnzimmer kippte.
Und das soll jetzt alles vorbei sein? Schluss? Ende? Eines ist jedenfalls klar: Der Bär will nicht mehr. Er steigt aus. Denn inzwischen hat er herausgefunden, dass die Realität mit den polierten Werbebildern nichts zu tun hat, für die er so lange Modell gestanden hat.
Molkerei-Abfrage: Bärenmarke ist Schlusslicht
So verkauft die Molkerei Hochwald, zu der Bärenmarke gehört, unter diesem Label Milch zu extrem hohen Preisen und wirbt mit besonders hoher Qualität. Doch anders als bei Bio- oder Weidemilch achtet die Molkerei weder besonders aufs Tierwohl noch zahlt sie faire Preise an die Milcherzeuger:innen. Die Kühe der Betriebe, die Milch für Bärenmarke liefern, bekommen fast nie Weide zu sehen. Sie verbringen ihr kurzes Leben fast ausschließlich im Stall, ohne viel Auslauf auf wenigen Quadratmetern, oft sogar in Anbindehaltung. Das ergab die zweite Greenpeace-Abfrage bei Molkereien im Mai und Juni 2024.
Anfang September protestierten Aktive von Greenpeace in 20 Städten vor Supermärkten für eine artgerechte Haltung von Milchkühen auf der Weide. Mit einer zwei Meter hohen Milchtüte informieren sie über die Folgen der Milchproduktion bekannter Hersteller wie Bärenmarke und Weihenstephan für Kühe, Artenvielfalt und Klima.
„Bei Bärenmarke handelt es sich um billige Industriemilch von Tieren in der schlechtesten Haltungsform", sagt Lasse van Aken, Experte für Landwirtschaft bei Greenpeace. “Häufig ist die Milch aus den Bärenmarke-Werken sogar von Kühen, die tierschutzwidrig gehalten werden.“
Aufgedeckt: Werke verarbeiten Milch aus tierschutzwidriger Anbindehaltung
Das belegt auch eine Recherche: Greenpeace wurden Bilder und Videos von 23 Milchbetrieben zugespielt, die Tiere in tierschutzwidriger Anbindehaltung zeigen. Tracking-Daten zeigen, dass die Milch dieser Höfe an die zwei Bärenmarke-Werke in Mechernich (Nordrhein-Westfalen) und Hungen (Hessen) geliefert wird. Wegen tierschutzwidriger Zustände in der Milchkuhhaltung hat Greenpeace im Mai Strafanzeige gegen die Molkerei Hochwald bei der Staatsanwaltschaft in Trier erstattet.
Kühe können sich in dieser Anbindehaltung kaum bewegen. Fressen, Koten, Schlafen – alles findet tagein tagaus an der kurzen Kette statt, mit immer gleichem Blick, schlimmstenfalls auf die Wand. Die Tiere sind verdreckt, weil sie sich nicht reinigen können, sie weisen oft Haut- und Gelenkschäden auf, kommen schlecht an Tränken und können ihre soziale Natur nicht ausleben (Kühe haben Freundinnen und Feindinnen). „Bärenmarke lässt Kühe leiden, das ist eindeutig“, sagt Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Lasse van Aken. „Die Anbindehaltung ist eine besonders grausame Art, Kühe zu halten. Dass Bärenmarke Milch dieser Kühe verarbeitet, muss sofort aufhören.”
Für mehr Tierwohl und gegen die irreführende Werbung demonstrierten Aktivist:innen wiederholt. So kletterten am 7. März 2024 15 Greenpeace-Aktive auf die Milchsilos des Bärenmarke-Werks in Mechernich, um ein dreieckiges Banner in gelber Warnfarbe anzubringen. Sie blieben mehr als 24 Stunden dort und ließen sich auch von Minusgraden in der Nacht nicht aufhalten. Mehrfach informierten Greenpeace-Ehrenamtliche in zahlreichen Städten an Supermärkten, was hinter der Bärenmarke steckt. Im Interview berichtet Michaela Loch von Aktionen und warum sie sich engagiert.
Proteste gegen das Täuschungsmanöver
>>> Sie können mitmachen – auf unterschiedliche Weise:
- Ihre Stimme für die Kühe: Jetzt bei Bärenmarke anrufen!
- Kostenloses Aktionspaket bestellen
- Wo es überall schon Proteste gab, können Sie in der Karte sehen – und eigene Aktionen eintragen!
Auch der Bär ist seit Monaten aktiv – auf Instagram etwa ist zu sehen, wie er ein Kletter- und Schlauchboottraining absolviert oder als Aktivist im Supermarkt unterwegs ist.
Das Logo mit dem Bären ist eine Mogelmarke
Doch bislang geht die Bärenmarke-Molkerei Hochwald einen anderen Weg. Mithilfe eines hohen Marketingbudgets preist sie die Bärenmarke als das „Beste der Milch“ an und wirbt mit “artgerechter Haltung”. Zielgruppe sind vor allem Familien, die ihre Kinder gesund ernähren möchten. Und der niedliche Bär sitzt praktisch mit am Frühstückstisch. Dabei ist die Frischmilch von Bärenmarke keineswegs qualitativ besonders hochwertig, sondern Milch aus industrieller Tierhaltung und Erzeugung. Sie ist schlechter als die Billigmilch vom Discounter, denn diese ist in der Regel in Haltungsform 3 und damit ohne Anbindehaltung. Und selbst Bio-Weidemilch ist günstiger als die von Bärenmarke. Dass die Milch von Bärenmarke keinen Deut besser ist als ihre günstigen Konkurrenten, hat eine Analyse von Greenpeace gezeigt. Je mehr Gras eine Kuh frisst, desto höher ist der Omega-3-Fettsäure-Gehalt ihrer Milch. Bei dem Test schnitt Bärenmarke nicht besser ab als die niedrigpreisigen Eigenmarken der Supermarktketten. Stiftung Warentest kam 2022 zum selben Ergebnis.
“Die Bärenmarke-Milch kostet fast doppelt so viel wie das Discounterprodukt, obwohl es den Kühen im Stall nicht gut geht und die Landwirt:innen schlecht bezahlt werden”, so van Aken. “Das Logo mit dem Bären ist also nicht mehr als eine Mogelmarke.”
Greenpeace nimmt Bärenmarke aufs Korn
Mit einer Werbeparodie hat Greenpeace im Herbst 2023 gezeigt, was wirklich hinter dem Bärenmarke-Idyll steckt. In dem Video sucht der Bärenmarke-Bär auf grünen Wiesen vergeblich nach seinen alten Freunden und muss am Ende feststellen, dass die Kühe ihr kurzes Leben nur noch in Ställen verbringen.
Die Erkenntnis, selbst jahrelang Teil des Systems gewesen zu sein, führt beim Bären zu einem radikalen Schritt. In einem zweiten Videoclip outet er sich als Whistleblower, der die Illusion des Bärenmarke-Images zerstört und später gar Greenpeace-Aktivist wird.
Was die Bärenmarke-Molkerei Hochwald ändern muss
- Die Molkerei muss sofort die tierschutzwidrige Anbindehaltung bei ihren Milchlieferant:innen beenden.
- Bärenmarke-Kühe müssen auf die Weide und mindestens nach Pro-Weideland-Standard gehalten werden. Die Anbindehaltung ist eine besonders grausame Art der Haltung, aber auch Kühe im Boxenlaufstall müssen im Sommer raus. Das erhält die Artenvielfalt, schont das Klima und freut die Kuh.
- Bärenmarke muss einen angemessenen Weidezuschlag zahlen, damit die Bauern und Bäuerinnen nicht auf den Mehrkosten der Weidehaltung sitzenbleiben.
- Es wird Zeit, dass Bärenmarke endlich ehrlich zu seinen Kunden:innen ist und ihre Milch mit der im Supermarkt üblichen Haltungsform kennzeichnet. So sehen alle auf einen Blick, wie die Kühe leben.
(Der Artikel wurde am 27. September 2023 veröffentlicht und mehrfach aktualisiert.)