- Nachricht
Archiviert | Inhalt wird nicht mehr aktualisiert
Ausstieg aus der Kohle, keine neuen Kohlekraftwerke, keine neuen Tagebaue - auf dem Papier macht die Linke energiepolitisch alles richtig. Eines aber schafft sie nicht: ihr Parteimitglied Ralf Christoffers zu stoppen. Der brandenburgische Wirtschaftsminister ist ein hartnäckiger Vattenfall- und Kohlefreund. Er schert sich nicht um die offizielle Linie der Partei und blamiert sie damit bis auf die Knochen.
Mit ihrem Protestcamp im Berliner Karl-Liebknecht-Haus wollen die Greenpeace-Aktivisten eine ehrliche Diskussion anregen. "Die Linke ist in Brandenburg dabei, sich selbst zu verraten. Die Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger müssen ihren Potsdamer Kollegen nachdrücklich sagen, dass das Parteiprogramm auch für Brandenburg gilt", fordert Karsten Smid, Energieexperte von Greenpeace.
200 Millionen Tonnen überflüssige Kohle
In Brandenburg will der Energiekonzern Vattenfall neue Tagebaue aufschließen. Die brandenburgische Linke ist dagegen - auf dem Papier. In ihrem Parteitagsbeschluss vom Februar 2012 ist zu lesen: "Die von Braunkohletagebauen ausgehenden Zerstörungen an Siedlungen und Landschaft sind nicht mehr länger begründbar. Den über der Braunkohle lebenden Menschen wurde bereits mehr als genug zugemutet. Es dürfen keine neuen Tagebaue aufgeschlossen werden.“
Papier ist auch in diesem Fall geduldig. Die Genehmigung des neuen Lausitzer Tagebaus Welzow Süd II steht mittlerweile bevor, ab 2027 sollen hier etwa 200 Millionen Tonnen Braunkohle abgebaggert werden. Dabei kommt selbst ein Gutachten des brandenburgischen Umweltministeriums unter der Linken Anita Tack zu dem Schluss, dass die Kohle nicht gebraucht wird. Deutschland hat im vergangenen Jahr so viel Kohle verstromt wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Ein großer Teil dieses schmutzigen Kohlestroms wird ins Ausland verkauft, weil der steigende Anteil Erneuerbarer Energien ihn in Deutschland überflüssig macht.
"100 % sozial"?
Für Welzow Süd II müssten mehr als 800 Menschen umgesiedelt werden – die meisten gegen ihren Willen. Wie absurd diese Art der Energiepolitik ist, zeigt der Fall der 350-Seelen-Gemeinde Proschim. Proschim ist ein Vorzeigedorf für die Energiewende. Der Ort erzeugt Energie mittels Solarkraft und Biomasse, verfügt über ein Biowärmenetz und produziert Öko-Strom für rund 5000 Menschen. Nicht mehr lange, wenn es nach der rot-roten Koalition im brandenburgischen Landtag geht.
Für die Greenpeace-Aktivisten ist das mit dem Wahlkampfslogan der Linken "100% sozial" nicht zu vereinbaren. „Es geht in der Lausitz um mehr als einen weiteren Tagebau. Es geht um Menschenrechte und den weltweiten Klimaschutz“, so Smid. „Wir sind hier, um das Klima zu schützen und die Vertreibung von Menschen zu verhindern.“
Gewinne einstreichen – Verluste umlegen
Eine kürzlich von Greenpeace in Auftrag gegebene Studie hat gezeigt, dass millionenschwere Folgekosten des Braunkohletagebaus, etwa das dauerhafte Absenken des Grundwassers oder mögliche Erdrutsche, in der Regel nicht vollständig von den Betreibern abgedeckt werden. Auch für die gesundheitlichen Folgen durch Feinstaub- und Lärmbelastung oder die Folgen der erzwungenen Umsiedlung kommen die Konzerne nicht auf. Hohe Kosten drohen auf die Gesellschaft abgewälzt zu werden.
„Der Linke Wirtschaftsminister Ralf Christoffers macht genau das, was seine Partei immer kritisiert: Gewinne werden privatisiert und Verluste sozialisiert. Die Bundespartei darf diese perverse Logik der linken Braunkohlepolitik nicht länger dulden“, sagt Karsten Smid.
Greenpeace fordert die Linke auf, einen klimafreundlichen, sozialverträglichen und gerechten Ausstieg aus der Braunkohle zu organisieren. Sichere Arbeitsplätze entstehen nur, wenn man sich von der Braunkohleverstromung verabschiedet und in die Zukunftstechnologie Erneuerbare Energien investiert.
Der Widerstand wächst
Der breiter werdende Kohle-Widerstand organisiert am 23. August in der Lausitz die erste deutsch-polnische Menschenkette gegen Braunkohle. Einen Vorgeschmack gab bereits die Menschenkette vor Proschim am 16. Mai. An diesem Tag waren rund 350 Umweltschützer - etwa so viele wie das Dorf Einwohner hat - aus Polen, Tschechien und Deutschland angereist, um sich im Halbkreis um den bedrohten Ort aufzustellen.