Greenpeace-Report: Industrielle Krillfischerei gefährdet Südpolarmeer
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Eine gute Antwort auf die Frage, warum sie in der Antarktis überhaupt ihre Netze auswirft, hat die Fischereiindustrie nicht. Zu empfindlich ist das Ökosystem, als dass es leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden dürfte, zu alt und wartungsbedürftig sind die dort kreuzenden Schiffe – eine Umweltverschmutzung mit Ansage. Und wofür der ganze Aufwand? Dafür liefern Fischereifirmen eine nur wenig überzeugende Begründung: Ihre Trawler ziehen im Südpolarmeer große Mengen Krill aus dem Wasser – um daraus weitgehend sinnfreie Produkte herzustellen. Ein aktueller Greenpeace-Report zeigt, wie dieser Krillfang den Lebensraum Antarktis bedroht.
Moment, Krill? Das ist kein edler Speisefisch, mit dem sich der große Reibach machen lässt. Zum größten Teil wird er zu Fischfutter verarbeitet. Für den menschlichen Konsum taugen die Krebstiere nur als zumeist überflüssige Nahrungsergänzungsmittel. Sie sind eine Quelle von Omega-3-Fettsäuren, die in Kapselform auf den Markt kommen – der drittgrößte Abnehmer nach den USA und China ist Deutschland. Für die Bewohner der Antarktis sind die garnelenartigen, kleinen Schalentiere allerdings weit kostbarer: Ohne sie ist das Leben auf und unter dem Eis nicht denkbar, gesunde Krillbestände sind die Nahrungsgrundlage am Südpol. Wale, Robben und Pinguine sind auf sie angewiesen.
Krillöl für den weltweiten Konsum
Der Mensch dagegen nicht unbedingt. Omega-3-Fettsäuren sind für den Körper unverzichtbar, daran besteht kein Zweifel. Insbesondere während der Schwangerschaft und in der Kindheit tragen sie zur Gesundheit von Herz, Gehirn und Augen bei. Normalerweise wird der Tagesbedarf allerdings durch eine ausgewogene Ernährung ohnehin gedeckt, egal, ob die Fisch und Fleisch enthält, vegetarisch oder vegan ist.
Wer dennoch auf zusätzliches Omega-3 angewiesen ist, findet sehr leicht gleichwertige pflanzliche Alternativen, etwa Leinöl oder Produkte auf Algenbasis. Dass Krill ein Wachstumsmarkt ist, hat also eher mit geschickter Werbung zu tun als mit tatsächlichem Bedarf. „Das Marketing für Omega-3-Pillen ist sich nicht zu schade, sogar mit Kaiserpinguinen auf der Verpackung zu werben“, sagt Sandra Schöttner, Greenpeace-Expertin für Meere.
Pleiten, Pech und Pannen
Die Krillfischerei ist noch aus einem weiteren Grund problematisch, und der liegt an der Besonderheit des Terrains. Weil die Fanggründe in der Antarktis so entlegen sind, übergeben die meisten Krilltrawler ihre Ladung regelmäßig an sogenannte Reefer, riesige Kühlschiffe, die den Fang an Land bringen – während die Trawler selbst vor Ort bleiben und weiterfischen. Die Greenpeace-Dokumentation weist nach, dass die Krillfangschiffe während des Umladens oftmals in geschützten Gewässern ankern. Damit missachten sie die Empfehlung der Antarktis-Kommission CCAMLR, genau das zu vermeiden: Der Lebensraum am Meeresboden kann durch die Anker großen Schaden nehmen.
Davon abgesehen dokumentiert der Greenpeace-Report von der Industrie verursachte Unfälle in der Antarktis: Seefahrzeuge, die große Mengen Öl verloren, Brände auf See und der Fall eines Schiffs, das in unmittelbarer Nähe einer Pinguinkolonie auf Grund lief. Mit riskanten Praktiken und überaltertem Material schafft die Fischereiindustrie ohne Not Gefahrenherde in einem einzigartigen Lebensraum. Darum setzt sich Greenpeace – mit prominenter Unterstützung – für das größte Meeresschutzgebiet der Welt im Südpolarmeer ein.
Die Antarktis spürt den Klimawandel
„Das sensible ökologische Gleichgewicht in der Antarktis braucht Schutz“, sagt Sandra Schöttner. „Die Antarktis und ihre Bewohner leiden stark unter der Klimaerhitzung. Meeresschutzgebiete verhindern, dass die Krillfischerei in die eisfreien Gebiete weiter vordringt.“ Die von Greenpeace vorgelegten Daten zeigen, dass die Fischereiunternehmen trotz Beteuerungen ihrer Nachhaltigkeit keineswegs rücksichtsvoll mit dem Lebensraum umgehen. Die Fangzüge finden insbesondere an der Nordspitze der Antarktischen Halbinsel statt und überschneiden sich stark mit den Nahrungsgründen der Wildtiere.
Im Oktober dieses Jahres entscheidet die Antarktis-Kommission CCAMLR darüber, ob das Schutzgebiet im Weddellmeer Wirklichkeit wird. Derzeit ist das Greenpeace-Aktionsschiff Arctic Sunrise vor Ort unterwegs, um zu dokumentieren, was am Südpol auf dem Spiel steht. Beeindruckende Unterwasseraufnahmen des Lebens am Meeresgrund lieferten zu Beginn des Jahres bereits schwer widerlegbare Argumente für das Meeresschutzgebiet.