Norwegen stoppt Pläne für Tiefseebergbau in der Arktis
Norwegen legt Tiefseepläne auf Eis – doch die Bedrohung ist noch nicht vorbei
- Ein Artikel von Andi Nolte
- mitwirkende Expert:innen Daniela von Schaper
- Überblick
Im Januar 2024 legte die norwegische Regierung Pläne vor, ein Gebiet von der Größe Großbritanniens zwischen Spitzbergen und der Insel Jan Mayen für den Tiefseebergbau zu erschließen.
Norwegen sollte damit das erste Land in Europa werden, das die Tiefsee für die Ausbeutung von Bodenschätzen öffnet. Dies hätte dramatische Auswirkungen auf die fast unerforschten und extrem empfindlichen Ökosysteme des Meeresbodens in der Arktis gehabt: Tiefseebergbau zerstört wertvolle Lebensräume, die sich über Jahrmillionen entwickelt haben – Lebensräume, die für das Überleben zahlloser Arten unverzichtbar sind.
Doch während der Haushaltsverhandlungen am 1. Dezember 2024 forderte die Sozialistische Linkspartei (SV) die Regierung auf, die erste Lizenzvergabe für den Tiefseebergbau zu stoppen – und erzielte damit einen wichtigen Erfolg für alle, die die Tiefsee schützen wollen. Die norwegische Regierung hat sich daraufhin verpflichtet, bis Ende 2025 keine Lizenzen für den Abbau von Rohstoffen im Tiefseegebiet zu vergeben. Damit ist Norwegens Vorhaben, als erstes europäisches Land die Tiefsee auszubeuten, vorerst gestoppt.
Greenpeace-Meeresexpertin Daniela von Schaper sieht zwar einen Lichtblick in den Entwicklungen sehen, eine völlige Entwarnung für die Arktis gibt es allerdings noch nicht: “Die norwegische Regierung plant, trotz des Aufschubs weiterhin Tiefseebergbau vorzubereiten. Die politische Situation bleibt angespannt, insbesondere mit den in Norwegen bevorstehenden Wahlen im September 2025. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass eine zukünftige Regierung die zerstörerischen Tiefseebergbaupläne endgültig begräbt."
Ein politisches Tauziehen um den Schutz der arktischen Tiefsee
Die norwegische Regierung hatte im Dezember 2023 im Parlament die Mehrheit für ihre Tiefseebergbau-Pläne erhalten, der Beschluss folgte am 9. Januar durch die formelle Abstimmung. Bisher ging Norwegen mit seinen Plänen weiter voran, als jedes andere Land in Europa. Ursprünglich sollten bereits Anfang 2025 erste Abbaulizenzen für Tiefseebergbau in der Arktis vergeben werden. Die Regierung plant, den nun erlangten Aufschub bis Ende 2025 zu nutzen, um sich weiter auf den Start von Tiefseebergbau vorzubereiten. Die norwegischen Parlamentswahlen im September 2025 könnten eine entscheidende Wende bringen. Eine neue Regierung sollte ein dauerhaftes Verbot des Tiefseebergbaus durchsetzen.
Der Stopp der Lizenzen für den Tiefseebergbau ist Teil eines Kompromisses zwischen der Minderheitsregierung aus der sozialdemokratischen Arbeiderpartiet (Arbeiterpartei) und der agrarpolitischen Senterpartiet (Zentrumspartei) sowie der oppositionellen Sozialistischen Linkspartei (SV). Diese Vereinbarung war notwendig, um den Haushalt 2025 durch das Parlament zu bringen.
Greenpeace im Einsatz gegen den Tiefseebergbau
Seit Norwegens Regierung im Januar 2024 den Beschluss fasste, mit dem Tiefseebergbau in der Arktis starten zu wollen, hat Greenpeace sich für den Schutz der dortigen Tiefsee und der Arktis eingesetzt. In der Arktis, in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler:innen, aber auch durch Proteste in Norwegen, Deutschland und der ganzen Welt setzen wir zusammen mit Ihrer Unterstützung ein Zeichen gegen den Tiefseebergbau.
Greenpeace gegen den Tiefseebergbau in der Arktis
Auch die Wissenschaft weiß noch viel zu wenig über den einzigartigen Lebensraum tief unter der Meeresoberfläche. Um neue Erkenntnisse über Meeressäuger in dem kaum erforschten potenziellen Abbaugebiet in der Arktis zu erhalten, starteten Greenpeace Nordic und Greenpeace Deutschland im Sommer 2024 eine Expedition in die Region. Die gesammelten Daten sollten dabei helfen, das betroffene Ökosystem und seine Artenvielfalt besser zu verstehen. Denn wir brauchen viel mehr Informationen, um klar zu machen, wie besonders dieser Lebensraum eigentlich ist. Eine Umfrage von YouGov im Auftrag von Greenpeace Deutschland zeigte sogar, dass lediglich 14 Prozent der Befragten den Begriff Tiefseebergbau kennen, und das, obwohl 87 Prozent der Befragten der Meeresschutz am Herzen liegen.
Auch mit anderen Maßnahmen engagierte sich Greenpeace gegen die zerstörerische Ressourcenausbeutung. So protestierten im September 36 junge Greenpeace-Aktivist:innen vor der norwegischen Botschaft in Berlin. Als großer Schwarm Kraken platzierten sie sich mit leuchtenden Tentakeln vor dem Gebäude und for. Die tanzenden Meerestiere symbolisierten eine besondere Art der Dumbo-Oktopusse, die vor allem in der arktischen Tiefsee leben. Bei der Aktion übergab die Greenpeace-Jugend den Report „Glücksspiel mit der Tiefsee - Wer auf den Abbau der Arktis wettet“ zusammen mit einer großen Kobaltkruste, die aus Pappmaché nachgebildet wurde.
Der Report zeigt auf, wie Norwegen im Schnellverfahren die Weichen für Bergbauunternehmen und Investor:innen gestellt hat, ungeachtet jeglicher internationalen Kritik und trotz aller wissenschaftlichen Warnungen. So sollen bereits im ersten Halbjahr 2025 die Abbaulizenzen für Tiefseebergbau zwischen Spitzbergen und Island vergeben werden.
Ein Konzert für die Arktis
Greenpeace in Aktion für den Schutz der Arktis
Warum dürfte Norwegen mit Tiefseebergbau in der Arktis starten?
Eigentlich ist es die Aufgabe der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA), die Aktivitäten rund um den Tiefseebergbau zu überwachen, zu verwalten und zu regulieren. Das gilt aber ausschließlich für Meeresböden in internationalen Gewässern. Doch wie viele weitere Länder hat auch Norwegen eigene, sogenannte Territorialgewässer und eine ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) gemäß dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen.
Innerhalb beider Bereiche hat Norwegen das alleinige Recht, Gesetze bezüglich Navigation, Umwelt und Ressourcennutzung zu erlassen. In der ausschließlichen Wirtschaftszone darf Norwegen exklusiv natürliche Ressourcen nutzen wie zum Beispiel Fischgründe, Öl- und Gasvorkommen – oder eben Rohstoffe in der Tiefsee. Von diesem Recht macht Norwegens Regierung nun Gebrauch. Wissenschaftler:innen des norwegischen Instituts für Meeresforschung, die norwegische Umweltbehörde, die Vereinten Nationen – sie alle warnen davor, dass Tiefseebergbau den Ökosystemen am Meeresgrund irreversibel schaden kann.
Welche Ressourcen wollte Norwegen in der Tiefsee ausbeuten?
Norwegen wollte in den arktischen Gewässern Kobaltkrusten abbauen. Riesige Maschinen fräsen dabei die oberste Schicht des Meeresbodens und zerstören alles, was auf dem Meeresboden lebt, unwiderruflich. Die Tiefseebergbauindustrie hat es hier außerdem auf Schwarze Raucher abgesehen: Das sind Quellen am Meeresboden, die heißes Wasser ausspucken und dabei einen Cocktail aus verschiedenen chemischen Elementen enthalten. Besonders viel Schwefel und Eisen, aber auch Kupfer, Zink und andere Mineralien werden dabei freigesetzt. Diese Mineralien häufen sich an und bilden Schornsteine, die sogar bis zu zehn Meter hoch werden können. Die Schwarzen Raucher geben vielen Arten ein Zuhause, beispielsweise Krebsen, aber auch vielen Mikroorganismen, die ganz unten in der Nahrungskette stehen.
Tiefseebergbau in der Arktis
Anzahl Seiten: 12
Dateigröße: 4.2 MB
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