E-Autoziele der Bundesregierung zu niedrig
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Verkehrsminister Wissing (FDP) muss Tempo machen beim Klimaschutz. Der Rückstand ist enorm, Besserung nicht in Sicht. Ein Sofortprogramm ist nötig.
Der Bundesregierung bleibt keine Zeit zum Aufwärmen. Beim Klimaschutz ist die Ampel mit einem „drastischen Rückstand“ gestartet, sagt der grüne Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck, als er Mitte Januar eine „Eröffnungsbilanz“ vorlegt. Damit sich das schnell ändert, kündigt Habeck gleich zwei Klimaschutzpakete an, eines schon im April, das zweite im Sommer. Gefragt ist dabei nicht nur der von Habeck verantwortete Energiesektor. Denn bislang sind die Maßnahmen zum Klimaschutz „in allen Sektoren unzureichend“.
Verkehrsminister Wissing muss Emissionen halbieren
Vor besonderen Herausforderungen steht dabei Volker Wissing. Der liberale Verkehrsminister muss einen Weg finden, die Emissionen im Verkehr in den verbleibenden 2020er Jahren nahezu zu halbieren. Im Jahr 2030, so das noch unter der großen Koalition überarbeitete Klimaschutzgesetz, sollen die CO2-Emmissionen im Verkehr auf 85 Millionen Tonnen sinken – im Vor-Corona-Jahr 2019 lagen sie bei 164 Millionen Tonnen, soviel wie 1990.
Wie genau das passieren soll, bleibt bislang vage. Die sieben Seiten zum Thema Mobilität gehören zu den schwächsten im 178-seitigen Koalitionsvertrag. Blumige Absichtsbekundungen finden sich darin reichlich, Konkretes kaum. Eines der wenigen harten Ziele lautet: Bis 2030 sollen in Deutschland mindestens 15 Millionen E-Autos fahren – ein knappes Drittel der heute gemeldeten 48 Millionen Pkw. Doch Maßnahmen, um dieses Ziel auch zu erreichen, sucht man weitgehend vergeblich.
E-Autos: Booster für Antriebswende gesucht
Aber genügt denn dieses E-Autoziel, um zumindest den anteiligen Beitrag des Pkw-Verkehrs zur nötigen CO2-Reduktion beizutragen? Das wollte Greenpeace vom Wuppertal Institut wissen. Tut es nicht, lautet die knappe Antwort der daraus entstanden Kalkulation. Um die Pkw-Emissionen bis 2030 wie nötig auf 52 Millionen Tonnen zu senken, müssten 20 Millionen Elektroautos klimaschädliche Verbrenner ersetzen – fünf Millionen mehr, als bislang geplant.
Wenn Minister Wissing nicht eine Reihe sehr wirksamer Instrumente in der Hinterhand hat, wie sich etwa der Umstieg auf klimafreundliche Mobilität schnell und deutlich beschleunigen lässt, dann braucht er einen Booster für die Antriebswende weg vom Verbrenner. Im Koalitionsvertrag finden sich dafür kaum Maßnahmen, aber Ideen gibt es dennoch.
- Greenpeace plädiert für eine Zulassungssteuer für besonders klimaschädliche Neuwagen und hat diese Idee auch bereits ausgearbeitet. Eine solche gibt es bereits in etlichen europäischen Ländern und sie hat dort den durchschnittlichen CO2-Ausstoß von Neuwagen teilweise deutlich sinken lassen. Und mehrheitlich akzeptiert ist eine solche Spritschluckersteuer auch noch, zeigt eine Umfrage.
- Eine andere Möglichkeit wäre, die Besteuerung von Dienstwagen umfassend zu reformieren. Etwa zwei Drittel der Neuwagen werden gewerblich zugelassen und die derzeitigen Regelungen machen besonders stark motorisierte und schwere Limousinen attraktiv. Würde man hier scharfe Klimaregeln einführen, hätte auch dies einen deutlichen Effekt.
- Zudem braucht es ein Neuzulassungsverbot von Diesel und Benzinern, und zwar deutlich früher, als es die EU derzeit plant.
Unter dem Strich sind sich viele Experten einig: Um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen, wird man all diese Maßnahmen brauchen. Volker Wissing steht vor großen Aufgaben. Sein Sofortprogramm wird seine ersten Bewährungsprobe. Es wird zeigen, wie ernst es dem neuen Verkehrsminister mit dem versprochenen Klimaschutz ist.