Selbsttest: Mit Fahrrad oder Auto in die City - was geht schneller und vor allem besser?
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Vom Alten Land über die Elbe in die Hamburger City: Der Arbeitsweg von Greenpeace-Redakteurin Ortrun Sadik. Wie fährt sie am besten: mit Auto oder Rad und Fähre? Ein Selbsttest.
Sie wohnt im Alten Land westlich von Hamburg und pendelt jeden Tag: auf die andere Seite der Elbe und in die Hafencity nahe der Innenstadt. Das ist der tägliche Arbeitsweg der Greenpeace-Online-Redakteurin Ortrun Sadik. Den kann sie mit dem Auto zurücklegen oder mit Fahrrad und Fähre. Doch was ist besser? Sie hat es ausprobiert – und ihre Frischluft- und Blechkisten-Touren dokumentiert.
Der Routenplaner sagt, die Autostrecke beträgt 24 Kilometer, und ich bräuchte 31 Minuten. Mit dem Fahrrad und der Fähre sind es 16 Kilometer, sechs davon mit dem Schiff; eine Stunde und vier Minuten würde ich brauchen. Sorry Umwelt, aber das spricht eigentlich klar für die klimaschädliche Variante Auto. Doch ich mache den Test: Einmal mit dem Auto (in kursiver Schrift) und einmal mit Rad und Schiff (in normaler Schrift).
8:00 Uhr - Erste Freude: Die Sonne scheint; also rauf aufs Rad. Eine leichte Brise weht von Westen, das heißt Rückenwind. Zumindest für den Hinweg. Die ersten sieben Kilometer bestehen aus einem huckellosen breiten Radweg; links liegt der Airbus-Flughafen Finkenwerder, rechts die Wiesen und Weiden der Elbniederungen.
8:00 Uhr – Heute möchte ich einen Kuchen mitnehmen, für meine Kollegen. Außerdem ist Regen angesagt– der perfekte Tag, um mit dem Auto zu fahren. Außerdem spare ich so Zeit, und das ist gut. Denn um 9 Uhr muss ich in einer Konferenz sein.
8:03 Uhr – Zweite Freude: Der Holunder duftet, so dass ich das Gefühl habe, durch Blütentee zu fahren. Am Wegesrand blühen Wegwarten und Margeriten. Büschelweise wehen die Blumen im Morgenwind. Schön sieht das aus.
8:03 Uhr – Erstes Ärgernis: Das Abbiegen aus einer kleinen Neben- auf die Hauptstraße. Dort reiht sich Auto an Auto, die Fahrer sind genervt. Sie stehen zum Teil gewiss schon seit mehr als einer halben Stunde im Stau – und da will mich keiner in die Schlange reinlassen. Macht schon, ihr Egoisten, gebt mir eine Lücke! Meine Laune sinkt.
8:06 Uhr – Das Verkehrsleitsystem sagt: Stau auf der A 7, Stau auf der Köhlbrandbrücke, Stau vor dem Kreisverkehr. Das kann ja heiter werden!
8:08 Uhr – Puh, das war knapp! Das Stauende kam direkt hinter der Kurve. Fast wär ich dem Auto vor mir reingekracht.
8:09 Uhr – Ich komme am Altarm der Elbe vorbei und erinnere mich, wie wir hier im vergangenen Sommer mal einen ganzen Tag gepaddelt sind. Damals haben wir einen Seeadler gesehen. Ob er dieses Jahr auch wieder zum Nisten herkommt? Gesehen habe ich ihn noch nicht.
8:15 Uhr – In Finkenwerder kommen mir etliche Radfahrer entgegen, die wohl in Hamburg wohnen und bei Airbus arbeiten. Obwohl wir uns nicht kennen, grüßen wir uns: Schließlich kreuzen sich unsere Wege öfters morgens hier an dieser Stelle.
8:21 Uhr – Im Schneckentempo schiebe ich mich durch den Kreisverkehr. Hier treffen zwei Autospuren aus dem Alten Land auf zwei Spuren voller LKW mit Fracht für den Hafen. Von der A 7 wälzen sich weitere Automassen dazu; auch darunter viele Laster. Ich reihe mich extra falsch ein: Durch diesen Trick kann ich zwei Drittel des Staus einigermaßen rasch passieren. Hoffentlich lässt mich nachher einer in die richtige Spur zurück.
8:22 Uhr – Fähranleger Finkenwerder. Die erste Runde Morgensport liegt hinter mir, ich fühle mich gut. Die Beine brennen ein klein wenig, meine Lungen sind voll mit frischer Morgenluft. Die Elbe glitzert in der Sonne. Ich schiebe mein Rad zum Anleger runter – noch ist ein wenig Zeit, bis die Fähre ablegt, da kann ich Zeitung lesen. Ist die Welt am Morgen schön!
8:30 Uhr – Gewonnen! Man, waren die sauer. Wollten mich nicht reinlassen. Kann ich aber auch verstehen. So ein Stress hier. Aber die Aktion hat mir bestimmt zehn Minuten Stau erspart. Tschakka!
8:40 Uhr – Arbeitsweg, wo andere Urlaub machen! Die Fährfahrt durch den Hafen und auf die andere Seite der Elbe ist immer wieder ein Erlebnis. Rechts ragen die riesigen Kräne der Containerterminals in den Himmel und beladen gigantische Hochsee-Frachtschiffe. Links kuscheln sich erst kleine Kapitänshäuschen malerisch an den Elbhang, dann tauchen die prächtigen Bauten des Fischmarkts auf. Für Millionen Hamburg-Touristen eine faszinierende Sightseeing-Tour – für mich alltäglicher Arbeitsweg.
8:41 Uhr –Wahnsinn. Für die letzten 600 Meter hab ich 19 Minuten gebraucht. Und ich stehe noch immer im Stau. Mir fällt ein Plakat von einer Fahrraddemo ein, auf der ich mal als Schülerin war. „Liebe Autofahrer,“ stand da drauf „ihr steht nicht im Stau. Ihr seid der Stau.“
8:57 Uhr – Landungsbrücken! Immer wenn ich hier aussteige, fällt mir das Lied „Hafencafé“ von Ulla Meinecke ein: „Und ich steh an der Brüstung am Balkon überm Hafencafé, hör die ewige Brandung…“
9:00 Uhr – Jetzt beginnt meine Sitzung. Nur ohne mich. Ich krieche über die Köhlbrandbrücke. Doch kurzzeitig ist mir der Stau egal – die Aussicht von hier oben über Hamburg und den Hafen ist einfach zu schön.
9:02 Uhr – Ich liebe die Fahrt durch die Speicherstadt. Zwar muss ich mich viel mehr konzentrieren als beim Radfahren auf dem Land – dauernd Ausfahrten, Bushaltestellen, Fußgänger, Touristen, Abbieger und Falschparker – aber die Kulisse finde ich immer wieder herrlich. Vorbei am Museumsfrachtschiff Cap San Diego, an den alten Speichern und der Elbphilharmonie. Die Weltstadt und ich.
9:08 Uhr – Im Radio kommt „I believe I can fly”. Die haben Nerven…
9:09 Uhr – Drei Minuten später als der Routenplaner vorhersagte, erreiche ich gutgelaunt das Greenpeace-Büro. Der Morgensport hat meinen Kreislauf beschleunigt, ich bin voller Ideen und Tatendrang. Und ich freue mich jetzt schon auf die Rückfahrt.
9:12 Uhr – Stau auf den Elbbrücken. Hier münden vier Verkehrsströme aus dem Umland in einer einzigen Spur. Aber die Elbbrücken sind trotzdem schön: Panoramablick über den Fluss, in der Ferne die Industrieromantik des Hafens. Gleich kann ich das Greenpeace-Gebäude sehen. Doch auch diese letzten vier Kilometer in die Hafencity fahre ich im Stop and Go.
9:18 Uhr – Letztes Ärgernis auf dieser Fahrt: die Parkplatzsuche. Aber nicht mit mir! Ich weiß, dass es in der Hafencity eh hoffnungslos ist und parke etwas außerhalb auf einer großen Baustelle. So habe ich zwar noch zehn Minuten Fußweg vor mir, aber das finde ich nach all dem Sitzen und der Anspannung ganz angenehm. Obwohl: Dass es ausgerechnet jetzt zu regnen anfängt, ist gemein.
9:29 Uhr – Die letzten Meter renne ich, um wenigstens zur zweiten Konferenz pünktlich zu sein. Ich bin gestresst, angespannt und sauer. Blödes Hamburg (Wetter!), blöder Verkehr (ich bin viel zu spät!), blöde Welt (warum immer ich?!). So macht der Weg zur Arbeit keinen Spaß.
Morgen fahr ich wieder mit dem Rad.