Nachtragshaushalt verfassungswidrig - Folgen für den Klimaschutz
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Update vom 13. Dezember 2023
Die Koalitionsspitzen haben sich im Haushaltsstreit geeinigt. Sie wollen die Lücke von 17 Milliarden Euro maßgeblich durch Kürzungen von knapp 13 Milliarden Euro im Klima- und Transformationsfonds schließen. Klimaschädliche Subventionen werden dagegen nur in geringem Umfang gestrichen. Bastian Neuwirth, Greenpeace-Wirtschaftsexperte sieht darin mehr Stillstand als Fortschritt:
„Dieser Kompromiss läuft an zu vielen Stellen auf Stillstand hinaus statt auf den von der Ampel versprochenen Fortschritt. Der von der FDP durchgeboxte Sparhaushalt streicht die Unterstützung der Solarindustrie zusammen und lässt die Förderung für E-Autos früher auslaufen. Aber das schädliche Dienstwagenprivileg wird nicht gestrichen und Dieselkraftstoff soll weiter mit Milliarden bezuschusst werden – das hemmt die ökologische Modernisierung. Um jetzt nötige Zukunftsprojekte wie den Ausbau der Bahn oder die Wärmewende sozial gerecht auf den Weg zu bringen, braucht es finanziellen Spielraum.
Der Bundestag muss verhindern, dass die Zukunft des Landes und vor allem junger Generationen kaputtgespart wird. Investitionen in den Klimaschutz sind Investitionen in eine sichere Zukunft. Die Regierung sollte sie mit einem Sondervermögen absichern und dabei Superreiche stärker in die Pflicht nehmen. Die heute nötigen Investitionen lassen sich morgen mit einer umweltbezogenen Vermögenssteuer zurückzahlen. Das nimmt die größten CO2-Verursacher in die Pflicht und mobilisiert Milliarden für die sozial-gerechte ökologische Modernisierung des Landes.”
Artikel vom 24. November 2023
Die Botschaft des Bundesverfassungsgerichts an die Ampel war klar: Keine finanzpolitische Trickserei mit Corona-Geldern! Was heißt das für den Haushalt und konkret für die zukünftige Finanzierung von Klimaprojekten?
Es ist ein Urteil mit massiven Folgen über den Klimaschutz hinaus: Das Bundesverfassungsgericht hat am 15. November 2023 die Umwidmung von Kreditermächtigungen aus der Corona-Krise in den Klima- und Transformationsfonds gekippt. Das heißt im Klartext: Fest eingeplante Kredite von 60 Milliarden Euro dürfen nicht für den Klimaschutz verwendet werden. Die Entscheidung fiel ausgerechnet am Vortag der sogenannten Bereinigungssitzung. Darin stimmt der Bundestag über die Verwendung des Haushalts für das kommende Jahr ab. Klar ist nun: Der Bundeshaushalt für 2023 und für 2024 ist verfassungswidrig und muss neu verhandelt werden.
Zum Hintergrund: Die Ampelkoaliton von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte geplant, die temporären Kreditermächtigungen aus der Corona-Pandemie für verschiedene Klima- und Transformationsmaßnahmen in den Folgejahren zu nutzen. Nun zeigt das Urteil aus Karlsruhe: Das verstößt gegen die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse, wie auch die Wirtschaftsweise Veronika Grimm in einem Spiegel-Interview erklärt. Aus dem dafür vorgesehenen Klima- und Transformationsfonds (KTF) sollte nach Plänen der Ampel unter anderem die Senkung der Stromsteuer für die Industrie finanziert werden. Lindner hat in Folge des Urteils nicht nur angekündigt, die entsprechenden Mittel aus den betroffenen Sondervermögen vorerst auf Eis zu legen, sondern auch eine generelle Haushaltssperre für künftige Ausgaben verhängt.
60 Milliarden Euro fehlen - Folgen für Haushalt und Klimaschutz
Das gescheiterte Manöver der Ampel-Regierung reißt ein 60-Milliarden-Loch in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) und gefährdet zahlreiche Klimaschutzprojekte der Bundesregierung. Für das Jahr 2024 stehen nach Abzug der nun kassierten Corona-Gelder statt knapp 100 Milliarden Euro nur noch etwa 40 Milliarden Euro (Mrd.) zur Verfügung. Diese speisen sich aus dem Emissionshandel ETS (8,2 Mrd.), dem Brennstoffemissionshandelsgesetz BEHG (10,9 Mrd.), einer übrigen Reserve (10,7 Mrd.) sowie eventuell nicht abgeflossener Fördermittel und unerwarteter Mehreinnahmen aus dem Jahr 2023 (9,3 Mrd).
Kurz: Der KTF ist unterfinanziert und das hat Konsequenzen für die nächsten Jahre. Was bedeutet die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht in Sachen Klimaschutz?
- Klimaschutzanliegen wie das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz zu Waldschutz und zur Wiedervernässung von Mooren, der Nationalen Klimaschutzinitiative zur Förderung von z.B. Lastenradinitiativen, oder die überfällige Sanierung der Bahn sind gefährdet. In den Jahren 2024 bis 2027 waren bislang insgesamt 12,5 Mrd. Euro an KTF-Geldern für die Bahn eingeplant, davon alleine im kommenden Jahr 4 Mrd. Euro.
- Der Wegfall geplanter Förder- und Entlastungsmaßnahmen wie die Unterstützung beim Heizungstausch oder die Übernahme der EEG-Umlage kann zur Kostenfalle für private Haushalte werden.
- Notwendige, aber noch nicht veranschlagte Ausgaben, wie beispielsweise für das Klimageld, rücken in weite Ferne und gefährden die öffentliche Unterstützung für Klimaschutz. Entsprechende Mittel werden nun noch schwerer zu mobilisieren sein.
Regierung muss Haushalt 2024 neu aufstellen und Klimaschutz priorisieren
Um die dringend benötigte Handlungsfähigkeit nicht nur beim Klimaschutz zurückzugewinnen und soziale Unwuchten zu vermeiden, müssen die Ampelpolitiker:innen ihre Finanzpolitik grundlegend neu ausrichten und die Haushaltsplanung auf eine solide Basis stellen. Dafür empfiehlt sich aus Greenpeace-Sicht folgender Fahrplan:
- Greenpeace sieht in der sich zuspitzenden Klimakrise und anlässlich der volkswirtschaftlichen Kosten des Ukrainekriegs für die Menschen eine außerordentliche Situation, in der die Bundesregierung eine Notlage erklären kann. Diese würde es laut Grundgesetz erlauben, nötige zusätzlichen Finanzmittel aufzunehmen, um die Klimaziele zu erreichen und wie vom Bundesverfassungsgericht 2021 gefordert, die Freiheit der jüngeren Generationen zu schützen.
- Damit die Schuldenbremse in dieser Notsituation der Politik nicht jeden Bewegungsspielraum raubt, schlägt Greenpeace (in einem ersten Schritt) 2024 die verfassungsrechtlich abgesicherte Einrichtung eines Sondervermögens “Klimaschutz” in Höhe von 100 Milliarden Euro vor. Diese Gelder sind nötig, um die anstehende Modernisierung des Landes, etwa bei der Bahn oder dem Aufbau einer klimaschonender Wärmeversorgung zu finanzieren.
- Zur Tilgung des Sondervermögens, wie das Grundgesetz sie vorsieht, sowie zur Mobilisierung zusätzlicher Einnahmen für den Klimaschutz schlägt Greenpeace die Einführung neuer Steuern wie etwa eine umweltbezogene Vermögenssteuer vor.
- Die langfristige Sicherung von Investitionen in Klimaschutz erfordert zusätzlich eine Reform der Schuldenbremse, damit Klimaschutz als Staatsaufgabe im Kernhaushalt integriert wird.
- Eine Finanzierung der notwendigen Klima-Investitionen durch eine höhere CO2-Steuer, wie von vielen Ökonom:innen vorgeschlagen, lehnt Greenpeace ab. Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollten vollständig an die Bürger:innen zurückgegeben werden, um eine gerechte Lastenverteilung zu gewährleisten. Nur durch eine soziale Ausgewogenheit kann die öffentliche Unterstützung für den Klimaschutz erhalten bleiben.
- Keine Erhöhung der Militärausgaben. Greenpeace hat dazu mehrere Studien erstellt - unter anderem zum Reformbedarf beim Beschaffungswesen der Bundeswehr bzw. zur gut finanzierten Ausstattung der Armee im europäischen Vergleich.
- Abbau klimaschädlicher Subventionen und Steuervergünstigungen. Das Potenzial liegt hier bei mindestens 50 Mrd. Euro, wie verschiedene Greenpeace-Studien zeigen.
Zukunft schaffen statt kaputtsparen
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HerunterladenGreenpeace fordert: Klimaschutz und sozialen Ausgleich sichern
Die Bundesregierung, allen voran Bundeskanzler Scholz und Bundesfinanzminister Lindner, müssen jetzt den Mut aufbringen, den gesamten oben genannten fiskalpolitischen Instrumentenkasten zu aktivieren, um die gesteckten Klimaziele nicht zu gefährden und eine sozial gerechte Lastenverteilung sicherzustellen. Hierfür muss insbesondere die FDP ihre Oppositionsrolle in der Regierung aufgeben und der Ampel als selbsterklärter "Zukunftskoalition" die notwendigen finanziellen Gestaltungs- und Handlungsspielräume einräumen.
Häufige Fragen zu Haushalt und Klima
Was hat das Bundesverfassungsgericht zum Nachtragshaushalt 2021 entschieden?
Das Bundesverfassungsgerichts hat am 15. November 2023 entschieden, dass das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig ist. Das Gericht beruft sich dabei auf Art. 109 Abs. 3, Art. 110 Abs. 2 und Art. 115 Abs. 2 Grundgesetz. Diese Entscheidung bedeutet, dass sich die Summe im Klima- und Transformationsfonds (KTF) um 60 Milliarden Euro reduziert.
Warum ist der Nachtragshaushalt 2021 verfassungswidrig?
Der Nachtragshaushalt verstößt laut Bundesverfassungsgericht aus folgenden Gründen gegen die Ausnahmeregel der Schuldenbremse:
- Die Ampel-Regierung hat nicht überzeugend dargelegt, wie die Corona-Krise, die trotz Schuldenbremse eine Kreditaufnahme in Notlagen erlaubt, und die Klimaprogramme miteinander in Verbindung stehen.
- Gemäß der Schuldenbremse dürfen in Notlagen aufgenommene Kredite nicht unbegrenzt weiterverwendet werden.
- Ein Nachtragshaushalt hätte vor Jahresende beschlossen werden müssen.
Details siehe Pressemitteilung Bundesverfassungsgericht vom 15.11.2023)
Was ist der Klima- und Transformationsfonds (KTF)?
Der Klima- und Transformationsfonds (KTF) - ursprünglich “Energie- und Klimafonds“ (EKF) - ist ein sogenanntes Sondervermögen und eigentlich streng zweckgebunden. Aus ihm sollen Maßnahmen finanziert werden, die den Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft vorantreiben können und die bestimmte soziale und wirtschaftliche Folgen der Pandemie auffangen. Er finanziert sich u.a. aus den Erlösen des Europäischen Emissionshandels und der CO2-Bepreisung im nationalen Emissionshandel sowie nicht abgerufenen Corona-Hilfsgeldern. Für den Fonds muss die Bundesregierung zusammen mit dem Haushaltsgesetz einen jährlichen Wirtschaftsplan vorlegen und über Ausgaben Bericht erstatten.
Was wollte die Bundesregierung aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) in den nächsten Jahren finanzieren?
Die Bundesregierung plante vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.11.2023, das Sondervermögen aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) für den Zeitraum von 2023 bis 2027 für verschiedene Zwecke einzusetzen. Dazu gehörten Maßnahmen wie:
- die energetische Gebäudesanierung,
- die Dekarbonisierung der Industrie,
- der Ausbau erneuerbarer Energien,
- die Förderung der Elektromobilität und des Ladeinfrastruktur-Ausbaus.
Siehe detaillierte Übersicht zum Finanzplan "Klima- und Transformationsfonds" 2023 bis 2027 (Tabelle 8, Seite 53). Nach den ursprünglichen Plänen waren bis 2027 eigentlich Ausgaben in Höhe von mindestens 211,8 Milliarden Euro vorgesehen, allein für das Jahr 2024 rund 58 Milliarden.
Zuletzt kündigte die Bundesregierung nach einer langen Debatte um den Industriestrompreis an, das Strompreis-Paket ebenfalls aus dem KTF finanzieren zu wollen. Dieses beinhaltet unter anderem eine Senkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe sowie eine Erweiterung der bisherigen Strompreiskompensation für bestimmte Konzerne.
Was ist die Schuldenbremse?
Die Schuldenbremse sieht vor, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten weitestgehend ausgeglichen sein müssen, wobei beim Bundeshaushalt ein Defizit von 0,35% der Wirtschaftsleistung als ausgeglichen erachtet wird. (Artikel 109 GG bzw. Artikel 115 GG). Im Jahr 2021 wurde jedoch eine Ausnahmeregelung eingeführt, um der Bekämpfung der Corona-Pandemie Rechnung zu tragen. Diese ermöglichte es dem Bund, Kredite aufzunehmen.
Was bedeutet die Haushaltssperre?
Das Bundesfinanzministerium hat die Haushaltssperre, die zuvor für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) galt, auf nahezu den gesamten Bundeshaushalt ausgedehnt. Laut eigenen Angaben hat das Ministerium die Verpflichtungsermächtigungen für das Jahr 2023 gestoppt, um künftige Belastungen zu vermeiden. Verpflichtungsermächtigungen ermöglichen es einer Verwaltung, bereits für kommende Jahre finanzielle Verpflichtungen einzugehen. Konkret bedeutet die Entscheidung, dass die Ministerien ohne vorherige Absprache mit dem Finanzministerium keine neuen finanziellen Verpflichtungen eingehen dürfen. Bestehende Verpflichtungen, wie beispielsweise Gehaltszahlungen, sind von dieser Maßnahme jedoch nicht betroffen.
Was ist das Klimageld?
Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung die Einführung eines sogenannten Klimagelds festgelegt. Das Klimageld sieht vor, dass die Einnahmen aus der Verteuerung von fossiler Energie durch den CO2-Preis an die Bürger:innen zurückfließen – für alle gleichermaßen. Wer umweltfreundlich und klimaschonend lebt, profitiert besonders. Dabei haben Menschen mit geringem Einkommen den größten Vorteil, da sie einen deutlich kleineren CO2-Fußabdruck als Reiche haben. Fast die Hälfte der Bevölkerung hätte am Ende mehr Geld auf dem Konto. Greenpeace fordert, das Klimageld im Sinne von Klimaschutz und sozialem Ausgleich schnell umzusetzen.
Report Zukunftsplan Industrie - Sofortprogramm für den Abbau klimaschädlicher Subventionen
Anzahl Seiten: 62
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