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Braunkohlekraftwerk Lippendorf: Kühltürme und Schornsteine mit Rauch, davor Bagger im Braunkohletagebau
© Paul Langrock / Greenpeace

Milliardenschwere Bilanz-Bluffs bei der Leag

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Die Lausitzer Braunkohlegruben der Leag zu renaturieren, wird Milliarden kosten. Doch das Unternehmen des Multimilliardärs Daniel Křetínský legt viel zu wenig Geld zurück. Wälzt er die Kosten auf den Osten ab? 

Die ostdeutsche Lausitz ist Tatort eines Wirtschaftskrimis, der selbst Finanzprofis sprachlos macht. Im Zentrum steht der tschechische Milliardär Daniel Křetínský und sein undurchsichtiges Geflecht von Tochterfirmen rund um den ostdeutschen Braunkohlekonzern Leag. Bleiben die deutschen Steuerzahlenden hier auf einer milliardenschweren Umweltrechnung sitzen?

Der Ein-Euro-Deal, der Fragen aufwirft

Das erste Alarmsignal schrillt, als die PPF Group, einer der Investoren in den ostdeutschen Braunkohlekonzern LEAG, einen 20-prozentigen Anteil an der LEAG Holding für den symbolischen Preis von einem Euro verkauft. Auf den ersten Blick könnte dies wie ein simpler Ausstieg aus einer schrumpfenden Branche erscheinen. Doch die Zahlen erzählen eine weitaus brisantere Geschichte.

Während die PPF-Group von ihrem 50-prozentigen-Anteil 20 Prozent für einen Euro veräußert, weist sie gleichzeitig den Buchwert ihrer LEAG-Investition mit mehr als einer Milliarde Euro aus. Noch erstaunlicher: Sie verbucht aus eben dieser Investition stattliche Gewinne: 800 Millionen Euro im Jahr 2022 und 731 Millionen Euro im Jahr 2023. Eine Rechnung, die augenscheinlich nicht aufgeht – und das sollte erst der Anfang sein.

Hier kommt die Energetický a Průmyslový Holding (EPH) unter der Kontrolle von Daniel Křetínský ins Spiel. Durch eine Reihe interner Transfers und Umstrukturierungen gelang es der EPH, sagenhafte 1,932 Milliarden Euro aus den LEAG-Operationen herauszuziehen. Als wäre das nicht genug, presste sie durch die Auflösung ihrer Beteiligung an der EP New Energies GmbH weitere 50 Millionen Euro heraus.

Die tickende Umwelt-Zeitbombe

Während die finanziellen Kunstgriffe Buchhalter beeindrucken mögen und Aktionären glänzende Augen bescheren, hinterlassen sie in der Lausitz eine tickende Zeitbombe. Nach einer neuen Schätzung von Greenpeace belaufen sich die Kosten für die Sanierung der LEAG-Braunkohletagebaue auf fünf bis zehn Milliarden Euro. Doch bis Ende 2023 wurden in den beiden Vorsorgegesellschaften für diese absehbaren Kosten gerade einmal 830 Millionen Euro zurückgelegt.

Rekultivierungskosten in der Lausitz

Rekultivierungskosten in der Lausitz

Wie teuer wird die Rekultivierung der Lausitzer Braunkohlegruben? Und wie gut ist die LEAG als Betreiberin der Tagebaue auf diese Zahlungen vorbereitet? Eine Greenpeace Recherche.

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Selbst die in Aussicht gestellten und noch strittigen EU-Ausgleichszahlungen von 1,2 bis 1,75 Milliarden Euro für den ein paar Jahre vorgezogenen Kohleausstieg werden diese gewaltige Lücke nicht schließen können. Branchenexperten sind sich einig: Braunkohlekraftwerke werden nach 2030 aufgrund des Erfolgs erneuerbarer Energien nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben sein – was diese Unterdeckung noch kritischer macht.

Das Zahlenspiel: Buchwert versus Marktrealität

Die vielleicht aufschlussreichste Diskrepanz in diesem Finanzdrama ist die klaffende Lücke zwischen Buch- und Marktwert. Während die tschechische LEAG Holding in den Bilanzen der Investoren mit einem Buchwert von zwei Milliarden Euro geführt wird, beträgt ihr Marktwert nur wenige Euro – wie der Ein-Euro-Verkaufspreis für einen 20-Prozent-Anteil beweist.

Dies ist keine kreative Buchführung mehr – es ist der Ausdruck massiver Umwelt-Schulden, die im Verborgenen lauern. Ein Bilanz-Bluff an der Grenze zur Illegalität. Der Marktwert berücksichtigt diese zukünftigen Rekultivierungskosten, während der Buchwert sie bequem ignoriert.

Politische Verstrickungen in zwei Bundesländern

Die Geschichte wird noch brisanter durch die Rolle der Landesregierungen. Hinter verschlossenen Türen tagt eine Arbeitsgruppe der Wirtschaftsministerien Sachsens und Brandenburgs zur Umstrukturierung der LEAG. Die Staatssekretärin des sächsischen Wirtschaftsministeriums traf sich seit Anfang 2023 insgesamt siebzehn Mal mit Vertretern der tschechischen LEAG Holding, meist in Anwesenheit von Beamten des brandenburgischen Wirtschaftsministeriums.

Die Rolle der Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (Sachsen) und Dietmar Woidke (Brandenburg) bleibt unklar. Eine im August 2024 gestellte Anfrage an ihre Staatskanzleien blieb bis heute unbeantwortet. Es ist schwer vorstellbar, dass sie von diesen Vorgängen nichts wußten.

Die Prag-Connection

Von Prag aus agiert Křetínský als Strippenzieher. Er fungiert gleichzeitig als Hauptaktionär, wirtschaftlich Berechtigter und Vorstandsvorsitzender der EPH, während er mehrere Führungspositionen im Firmenkonsortium innehat. Finanzanalysten beschreiben sein Unternehmensnetzwerk als hochkomplexe Struktur, bei der die gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen den Einheiten oft intransparent sind.

Seine Strategie? Laut Analysten verfolgt EPH einen "starken Fokus auf Dividenden-Upstreaming und Steigerung des Shareholder Value" – Fachsprache für maximale Gewinnentnahme ohne Rücksicht auf langfristige Konsequenzen.

Die Milliardenrechnung

Die zentrale Frage bleibt: Wie können tschechische Finanzoligarchen Milliarden aus der LEAG ziehen und dabei unzureichende Mittel für die Rekultivierung der Braunkohletagebaue hinterlassen? Die Diskrepanz ist frappierend: Brandenburg schätzt die tatsächlichen Rekultivierungskosten auf etwa zwei Milliarden Euro, doch das Ziel des Sondervermögens liegt bei nur 915,6 Millionen Euro. Sachsen steht vor einer ähnlichen Finanzierungslücke, wobei die Gesamtkosten für beide Bundesländer mindestens fünf Milliarden Euro erreichen.

Rekultivierung - eine Jahrhundertaufgabe 

Die Rekultivierung der Braunkohlegebiete und die Wiederherstellung eines natürlichen Wasserhaushalts ist eine Aufgabe für Generationen. Die aktuellen Rücklagen von 830 Millionen Euro liegen dramatisch unter dem geschätzten Bedarf von fünf bis zehn Milliarden Euro. Während Křetínský den Investoren die Erfolgsgeschichte eines von nahe Null auf mehrere Milliarden Euro gestiegenen LEAG-Wertes erzählt, den Banken den EPH-Kohleausstieg bis 2025 verspricht und der Lausitz massive Investitionen in erneuerbare Energien zusagt, spricht der Ein-Euro-Marktwert eines 20-Prozent-Anteils der tschechischen Dachgesellschaft LEAG-Holding  eine andere Sprache. Der erzielte Marktwert von einem Euro für ein Fünftel der LEAG Holding zeigt, dass die Investoren selbst nicht an die Zukunft der Braunkohle glauben. Křetínskýs gewagte Zukunftsversprechen sind Luftschlösser, die bei einer Prüfung in sich zusammenfallen. 

Greenpeace fordert als Konsequenz dieser Bilanz-Bluffs von den Ministerpräsidenten in Sachsen und Brandenburg, zusätzliche Sicherheitsleistungen von der EPH-Gruppe zu verlangen. Diese Gelder sind zusammen mit den zu erwartenden EU-Ausgleichzahlungen durch die Gründung einer staatlichen Braunkohlestiftung zu sichern. 

Für die Lausitz stellt sich die Frage: Sind es die tschechischen Investoren, die die Rekultivierungsverpflichtungen vollständig absichern, oder sind es die deutschen Steuerzahler:innen, die am Ende die Zeche zahlen?

Letztlich handelt es sich nicht um eine Geschichte von kreativer Buchführung oder der Umstrukturierung von Unternehmen. Es geht um Verantwortung, Umweltschutz und die wahren Kosten der Braunkohlegewinnung. Während die Gewinne privatisiert wurden, drohen die Umweltschulden sozialisiert zu werden – ein Evergreen der Industriegeschichte. Selten wurde er mit so deutlichen Zahlen und dreisten Manövern gespielt.

Zum Weiterlesen: Powerpoint-Präsentation zu dem Firmengeflecht der ostdeutschen LEAG und der tschechischen Energetický a Průmyslový Holding (EPH)

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