Die NRWE-GmbH – Zweckentfremdung von Fördermitteln?
- Recherche
Interne Unterlagen aus dem Bauministerium von NRW Ministerin Ina Scharrenbach belegen politisch brisante und rechtlich fragwürdige Absprachen zwischen dem Land NRW und dem Energiekonzern RWE. Über die gemeinsam gegründete „Perspektive.Struktur.Wandel GmbH“, auch NRWE GmbH genannt, sollen Fördermittel für die Sanierung von RWE-Industrieflächen angezapft werden, die dem RWE-Konzern - der aktuell Milliardengewinne verbucht - nicht zustehen.
Bauministerin Ina Scharrenbach aus Nordrhein-Westfalen ist bekannt für ihre kreative Interpretation von Recht und Gesetz: Im September 2018 ließ das von Scharrenbach geführte Ministerium Baumhäuser der Demonstranten gegen die Rodung des Hambacher Forst mit der Begründung entfernen, dass sie den Brandschutzbestimmungen nicht genügten, nachdem vorher die Polizei Feuerlöscher beschlagnahmt hatte. Ein verwaltungsjuristisches Gutachten kommt zu dem Fazit: Scharrenbach hat sich auf fehlerhafte Rechtsgrundlagen bezogen, ihre Kompetenzen überschritten und das Recht gebeugt.
Doch was jetzt durch Recherche von Greenpeace ans Licht kommt, ist politisch weitaus brisanter: Diesmal scheint das Ministerium dem Energiekonzern RWE über das Konstrukt einer gemeinsamen GmbH, Fördergelder für die Sanierung seiner Altflächen zukommen zu lassen.
Greenpeace liegen nach mehrfachen hartnäckigen Nachfragen auf Basis von Umwelt- und Informationsfreiheitsgesetz selektive und zum Teil im erheblichen Umfang geschwärzte Dokumente vor. Die offizielle Anfrage wurde im Bauministerium von den Juristen bearbeitet, die auch an der Gründung der zweifelhaften GmbH beteiligt waren. „Trotzdem konnten wir die einzelnen Dokumente wie ein Puzzle zusammenfügen“, sagt Karsten Smid von Greenpeace, der für die investigative Recherche zuständig ist. „Für uns ergibt sich aus den Puzzlestücken ein klares Bild der Vermischung politischer und unternehmerischer Interessen. Das schadet dem Gemeinwohl und unterhöhlt die Demokratie.“
Die gemeinsame Gesellschaft „Perspektive.Struktur.Wandel GmbH“ soll die Nachnutzung ehemaliger RWE-Kraftwerksstandorte ermöglichen. Doch die Flächen sind potenziell stark mit Schadstoffen belastet und werden voraussichtlich hohe Abbruchkosten verursachen. Dafür will das nordrhein-westfälische Bauministerium (MHKBD NRW) offensichtlich auf staatliche Fördergelder zurückgreifen, die RWE sonst nicht zustehen. „Die Ministerin möchte anscheinend mit Fördermitteln begünstigen, dass sich RWE aus der Verantwortung zur Sanierung der belasteten Flächen stiehlt“, sagt Energieexperte Smid.
NRWE: Perspektive.Struktur.WandelGmbH.pdf
Anzahl Seiten: 13
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HerunterladenLasten sozialisiert, Nutzen privatisiert
Im Bauministerium gab es im Vorfeld warnende Stimmen. Das zeigt ein Vermerk an die Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU): „Öffentlichkeit, Politik, Medien oder Prüforgane [werden] irgendwann die Frage aufwerfen, ob bei solchen Projekten mit Fördermitteln alle Lasten sozialisiert und aller Nutzen privatisiert werden.“ Doch genau das ist die Absicht des Konstrukts. Zwar betonen RWE und NRW in ihrem Strategiepapier zur „Außenwirkung der Zusammenarbeit“: „Bei einer Zusammenarbeit mit RWE, in welcher Form auch immer, muss jederzeit unstrittig sein, dass das Land einzig die Wahrung und Unterstützung der Interessen der Kommunen zum Ziel hat und zu keinem Zeitpunkt Konzerninteressen vertreten oder mitfinanziert werden.“ Im Entwurf über Vor- und Nachteile einer gemeinsamen GmbH wird aber genau in dem Absatz über wesentliche Vorteile „die Inanspruchnahme von Bundes- und Landesmitteln“ für RWE-Standorte aufgeführt. Bei geplanten Außenauftritten wird dagegen vor der Herstellung dieses Zusammenhangs eindringlich gewarnt. In einer E-Mail an RWE zu einer öffentlich stattfindenden Revierkonferenz schreibt der federführende Beamte aus dem Bauministerium: „Hier müssen wir aufpassen, denn die Fördermittel gehen nicht an RWE!“ Die Brisanz war im Ministerium jedem klar.
Nach Durchsicht der internen Unterlagen aus dem NRW-Bauministerium ergeben sich aus Sicht von Greenpeace folgende Vorwürfe:
- Bereits seit Januar 2020 gab es intensive Vorabsprachen zwischen RWE und dem NRW-Bauministerium, obwohl die politische Leitentscheidung zur Gründung einer gemeinsamen GmbH im Ministerium erst im März 2021 getroffen wurde.
- RWE übte massiven Einfluss auf Struktur und Rahmenbedingungen der GmbH aus.
- Eine Passage zur Verpflichtung zur Rekultivierung wurde von RWE im Eckpunktepapier gestrichen.
- Trotz Beteuerung der Transparenz wird die Zusammenarbeit der einzelnen Gesellschaften verschleiert.
- Zwischen RWE Power AG, PSW GmbH, ZRR, URBAN.NRW GmbH & Co KG und der Projektunterstützungsgesellschaft PUG-RR existiert eine intransparente Struktur. Die Finanzströme sind intransparent.
- Verdacht auf Zweckentfremdung von Fördermitteln: Gelder aus Fördertöpfen, die RWE nicht zustehen, sollen über den Umweg der NRWE (Perspektive.Strukur.Wandel GmbH) angezapft werden.
Greenpeace hatte bereits im Februar 2022 eine Anfrage nach dem Umwelt- und Informationsfreiheitsgesetz eingereicht. Das Ministerium zögerte die Herausgabe jedoch mehrfach hinaus und verweigerte der unabhängigen Umweltschutzorganisation Einblick. Trotz Tranzparenzbeteuerungen hat das Bauministerium erklärende Grafiken zur Organisationsstruktur und zu Finanzströmen geschwärzt. Smid: „Das stinkt zum Himmel. Die Zusammenarbeit und die Finanzströme der NRWE GmbH sollen so gezielt verschleiert werden.“
Unkontrollierbare Beziehungsgeflechte
Die Greenpeace-Recherche zeigt auf, wie notwendig Transparenz bei Auswahl- und Vergabeprozessen ist, welche auch der Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung in NRW als Ziel formuliert. „Das verdeckte Zusammenspiel des unkontrollierbaren Beziehungsgeflechts zwischen dem Bauministerium in NRW und dem RWE-Konzern gehört aufgelöst”, sagt Smid. “Die neue schwarz-grüne Koalition muss schnellstens für einen Neuanfang sorgen.”
Die ganze Geschichte lässt für die Zukunft nichts Gutes erahnen. RWE ist nach dem Verursacherprinzip für die Renaturierung der Tagebaue und die Wiederherstellung eines natürlichen Wasserhaushaltes verantwortlich. Diese milliardenschweren Rekultivierungsverpflichtungen will der Konzern nur allzu gerne auf die Allgemeinheit abwälzen. Zu befürchten ist, dass die gemeinsame GmbH von NRW und RWE nur ein Testballon ist und sich die RWE Power AG auch bei den Rekultivierungsverpflichtungen aus dem Staub machen will.