Gutachten zu Gasbohrung vor Borkum geheim gehalten
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Ein bisher geheim gehaltenes Gutachten aus dem Jahr 2021 über schützenswerte Steinriffe vor Borkum bringt neuen Wind ins Genehmigungsverfahren zu den umstrittenen Gasbohrungen in der Nordsee – und die niedersächsische Landesregierung in Bedrängnis. Greenpeace hat jetzt eigene Tauchgänge durchgeführt und bringt zusätzliche Erkenntnisse über die zauberhafte Unterwasserwelt nahe der geplanten Bohrstellen ein.
Fast zwei Jahre lang hielt der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) ein Gutachten über ein besonders artenreiches Steinriff in der Nordsee unter Verschluss. Nach Recherchen von Greenpeace wurden die ökologisch schutzwürdigen so genannten Riffverdachtsflächen zwar dem Bundesamt für Naturschutz gemeldet. Als es aber darum ging, alle entscheidenden Unterlagen ins Planfeststellungsverfahren für die geplante Gasbohrung in der Nähe dieses Riffs beim Niedersächsischen Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) einzureichen, wurde das brisante Papier verschwiegen. Dabei wäre es höchst relevant gewesen, um mögliche Umweltschäden durch Gasbohrungen in dem Gebiet zu bewerten.
Erst als Greenpeace die Existenz dieses Gutachtens öffentlich machte und ein paar Tage später mit einer Protestaktion am niedersächsischen Landtag weiteren Druck auf die Landesregierung ausübte, reagierte der niedersächsische Umweltminister Christian Meyer (Die Grünen), dem das NLWKN unterstellt ist, und veröffentlichte nun das Geheimgutachten aus dem Jahr 2021. Außerdem räumte er inzwischen ein, dass das zurückgehaltene Gutachten in das Genehmigungsverfahren eingeführt werden muss. Der jetzige Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD), der bis November 2022 Umweltminister in Niedersachsen war und in dessen Amtszeit das Gutachten erstellt und zurückgehalten wurde, sieht das anders. Dass die neuen Informationen nun nachträglich ins Genehmigungsverfahren beim LBEG einfließen sollen, könnte – wie Meyer gegenüber Pressevertreter:innen selbst einräumte – das Verfahren noch einmal erheblich verzögern könnte.
Verletzlich und schön: Das Riff vor Borkum
Weitere Riffstrukturen gefunden
Neben dem bereits 2019 entdeckten Riff nördlich der vorgesehenen Bohrstelle, um das sich das Gutachten dreht, haben von Greenpeace beauftragte Forschungstaucher:innen der Firma Submaris in den vergangenen Wochen weitere Stellen am Meeresgrund in Augenschein genommen. Auch in der Nähe der Bohrplattform und entlang der geplanten Kabeltrasse zum Windpark Riffgat, der die Bohrplattform zukünftig mit Strom versorgen soll, konnten die Taucher:innen bunt bewachsene artenreiche Steinriffstrukturen dokumentieren. Sie sind Lebensraum für den stark bedrohten Hummer, Taschenkrebse und eine Vielzahl an Fischen. “Wir haben dort einen Zaubergarten aus Seenelken, Schwämmen, Weichkorallen und Seemoos gefunden”, so Philipp Schubert, Meeresbiologe von Submaris. “Das alles ist nur aufgrund der Steinriffe möglich, die als Oasen der Artenvielfalt unter strengen Schutz gestellt werden müssen.” Derzeit werten die Wissenschaftler:innen ihre an den Steinen genommene Proben aus und führen weitere Untersuchungen durch. In einem neuen Gutachten soll bewertet werden, ob die bewachsenen Steine Kriterien erfüllen, für die sie nach EU-Recht unter besonderen Schutz gestellt werden müssten (FFH-Lebensraumtyp 1170).
Die Gefährdung für die Unterwasser-Flora und Fauna ergibt sich aus den Bautätigkeiten, die mit enormer Lärmbelästigung und konkreter Zerstörung z.B. bei dem Verlegen der Pipeline und der Kabel entstehen. Außerdem ist vorgesehen, im Bohrbetrieb Lagerstättenwasser und Bohrflüssigkeiten bis zu einem gewissen Maß in die Nordsee einzuleiten. Je nach Entfernung und Strömungsverhältnissen können Schädigungen der Meeresorganismen und Säugetiere nicht ausgeschlossen werden, zumal nicht über die geplante Betriebszeit von mindestens 10 bis zu 30 Jahren. Angesichts solch wertvoller Ökosysteme am Meeresgrund vor Borkum darf keine Behörde und keine Landesregierung den Gasbohrungen in der Nordsee zustimmen. Zu diesem Schluss kommt auch ein von Greenpeace beauftragtes Rechtsgutachten, das das zerstörerische Vorhaben als “nicht genehmigungsfähig” einstuft.
Greenpeace bleibt dran
Im April hat ein niederländisches Gericht den bereits für Mai geplanten Start der Probebohrungen vorläufig aufgestoppt. Grund dafür sind noch nicht entschiedene Klagen gegen das Gasprojekt. Das Genehmigungsverfahren auf deutscher Seite wird nun erheblich verzögert, weil Greenpeace das bisher nicht berücksichtigtes Gutachten ans Tageslicht gebracht und weitere relevante Erkenntnisse bei eigenen Tauchgängen gewonnen hat. Das alles sind Zwischenerfolge, die einmal mehr zeigen: Protest wirkt! Greenpeace wird sich auch weiterhin auf allen Ebenen gegen klima- und artenzerstörende Gasbohrungen in der Nordsee einsetzen – solange, bis die Pläne dafür für immer in Behördenschubladen verschwinden.
Gasbohrungen gefährden Schweinswale
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