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Stag Beetle in Spessart Mountains
© Michael Kunkel / Greenpeace

Mehr als Holz – Warum wir ein starkes Bundeswaldgesetz brauchen

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Das Aus der Ampel-Koalition stoppt Pläne für ein neues Bundeswaldgesetz. Nun liegt die Zukunft des Waldes in den Händen der kommenden Regierung.

Als die frisch gebackene Ampel-Koalition 2021 im Koalitionsvertrag die Erneuerung des Bundeswaldgesetzes ankündigte, war das für die Umweltbewegung ein Grund zum Feiern. Das bisherige Gesetz ist mittlerweile knapp 50 Jahre alt, richtet sich vor allem nach den Interessen der Forstwirtschaft und wird weder dem Klima noch der Artenvielfalt gerecht. Ein längst überfälliger Schritt also.

Doch die Monate vergingen und der Veröffentlichungstermin für den neuen Entwurf verschob sich immer weiter. Aus Dezember wurde Januar, aus Januar März, schließlich Sommer. Die Geduld war fast erschöpft, als der Entwurf am 20. August 2024 endlich erschien. Leider blieb er weit, weit hinter den Erwartungen und Hoffnungen der Umweltverbände zurück und schützte den Wald noch immer nicht ausreichend. Immerhin begann nach der Veröffentlichung des neuen Gesetzesentwurfs die sogenannte Verbändebeteiligung. Sie ermöglicht, dass Vereinen und andere Interessengruppen (wie Umweltorganisationen) in Entscheidungsprozesse einbezogen werden und ihr Fachwissen einbringen können. 

Die Hoffnung währte jedoch nur kurz: Ganze fünf Tage nach Beginn der Verbändebeteiligung zerbrach die Ampel-Koalition. Und mit ihrem Ende verschwand auch die Aussicht auf ein modernes Waldgesetz in unbestimmter Ferne.

Die entscheidende Frage lautet nun: Wird eine zukünftige, möglicherweise konservativere Bundesregierung überhaupt bereit sein, den Wald stärker zu schützen und ein neues Waldgesetz als Ziel in ihren Koalitionsvertrag aufzunehmen? Sie sollte – denn ein gesunder Wald bewahrt Sicherheit, Freiheit und Wohlstand. Werte, die gerade Konservative hochhalten.

Warum wir dringend ein neues Bundeswaldgesetz brauchen

Wälder ziehen CO2 aus der Luft und speichern es als Kohlenstoff. Diese Annahme ist für uns essentiell, um die Klimakrise in den Griff zu bekommen und auch ein wesentlicher Teil der Strategie der Bundesregierung, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Umso alarmierender ist die Erkenntnis der neuesten Bundeswaldinventur, die zeigt, dass Wälder in Deutschland keine CO2-Senke mehr, sondern im Gegenteil inzwischen sogar zur CO2-Quelle geworden sind. Die Bundeswaldinventur wird vom Landwirtschaftsministerium in Auftrag gegeben, ist die vierte ihrer Art und untersucht alle zehn Jahre den Zustand des Waldes in Deutschland. 

Bis 2017 hat sich der Baumbestand laut Inventur in deutschen Wäldern stets erhöht – und damit auch seine Senkenleistung. Doch dieser Trend hat sich aufgrund des massiven Nadelwaldsterbens der vergangenen Dürre-, Waldbrand- und Borkenkäferjahre nun umgekehrt – und die Wälder haben seit 2017 mehr CO2 abgegeben als gespeichert. Denn im Gegensatz zu Laubmischwäldern sind die von der Forstwirtschaft künstlich angelegten Fichten- und Kiefernwälder den zunehmenden Extremwettern und Schädlingsbefall nicht gewachsen. Das heißt: Auch in Zukunft werden diese Nadelwälder weiter sterben und verstärkt CO2 abgeben. Und dies ist nicht die einzige schlechte Nachricht aus dem Wald in Deutschland dieses Jahr: Die aktuelle Waldzustandserhebung besagt, dass nur noch jeder fünfte Baum gesund ist

Die Lösung bringt Dorothea Epperlein, Waldexpertin bei Greenpeace, auf den Punkt: “Wir brauchen eine Revolution der Forstindustrie: Mehr alte, natürliche Wälder müssen vor der Forstindustrie geschützt werden, damit sie robuster gegenüber den Auswirkungen der Klimakrise werden und langfristig CO2 speichern können.” Denn alte Bäume nehmen mehr CO2 auf als junge, weil sie größer und massiver sind und dadurch mehr Blattwerk und Holzmasse haben, um CO2 zu binden. Auch baut sich in alten Wäldern eine fruchtbare Bodenschicht (Humus) auf, die Kohlenstoff speichert. 

Die industrielle Forstwirtschaft macht gern allein die Klimakrise für das Waldsterben verantwortlich. Diese Sichtweise ist Epperlein zu einseitig: “Fast 50 Jahre lang hatte die Forstindustrie einen Freifahrtschein, den Wald zu stark zu bewirtschaften und beispielsweise ohne Ende Laubmischwälder in Fichtenmonokulturen umgebaut, um möglichst schnell viel Geld zu verdienen. Das Resultat ist, dass wir überall geschwächte, sterbende Wälder sehen. Die künftige Bundesregierung muss Konsequenzen aus der Bundeswaldinventur ziehen und ein starkes Bundeswaldgesetz schaffen, das den Schutz des Waldes über seine wirtschaftliche Nutzung stellt.”

Neues Waldgesetz, Klimagesetz und das Nature Restoration Law 

Deutschland hat sich vertraglich dazu verpflichtet, mehr für den Waldschutz zu tun  – und die Klimaschutzziele des aus dem Jahr 2019 stammenden deutschen Klimagesetzes bauen darauf, dass der Wald immer mehr CO2 speichern kann. 

Das kürzlich verabschiedete EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur besagt, dass bis 2030 mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresgebiete der EU renaturiert, also in ihren natürlichen Zustand zurückversetzt werden müssen. Dazu gehört auch, dass Kiefern- und Fichtenmonokulturen wieder in Laubmischwälder umgebaut und die vorhandenen Laub- und Laubmischwälder stärker geschützt werden. Ohne ein starkes Waldgesetz, das den Schutz der Wälder priorisiert und konkrete Maßnahmen zum Schutz und für den natürlichen Klimaschutz garantiert, können diese Ziele, von denen unsere Zukunft abhängt, nicht umgesetzt werden.

Nadelbäume im Harz

Trost- und chancenlos in der Klimakrise: Besonders Plantagen aus Nadelhölzern leiden – wie hier im Harz.

Schutzgebiete schützen nicht 

Schon 2021 hat Greenpeace in einer Studie gezeigt, dass es in Schutzgebieten zwar oft Einschränkungen für Spaziergänger:innen gibt – forstwirtschaftliche Nutzung ist aber fast überall erlaubt.

In der Studie “Schutzgebiete schützen nicht” nimmt Greenpeace diese Intransparenz unter die Lupe und untersucht den aktuellen Schutzstatus der Wälder in Deutschland und identifiziert streng schützenswerte Wälder.

 

Vier wichtige Ergebnisse im Überblick:

  • 67 Prozent der Wälder liegen aktuell in Schutzgebieten
  • nur 2,8 Prozent der Wälder sind tatsächlich vor Holzeinschlag geschützt
  • mindestens 15 % der Wälder wären streng schützenswert
  • Mit dem Unterzeichnen des Kunming-Montreal-Weltnaturabkommens im Jahr 2022 hat sich Deutschland dazu verpflichtet, mindestens 30% der Landflächen unter effektiven Schutz zu stellen, um dem dramatischen Artensterben noch etwas entgegenzusetzen.

“Das große Artensterben macht auch vor Deutschland nicht halt”, resümiert Epperlein.  “Nur in echten Schutzgebieten kann die Natur sich frei entwickeln und bedrohten Pflanzen und Tieren ein sicheres Zuhause bieten. Hierfür muss die neue Bundesregierung endlich einen gesetzlich verbindlichen Rahmen schaffen.”

Ein starkes Bundeswaldgesetz – die Verantwortung der künftigen Regierung

Die Waldzerstörung ist ganz legal, denn das aktuelle Bundeswaldgesetz regelt vor allem die Forstwirtschaft und vernachlässigt den Schutz des Waldes. Hier sind zehn Punkte, an denen wir ein Waldgesetz erkennen, das den Wald tatsächlich schützt:  (Langfassung hier). 

  1. Wald ist mehr als Holz: Das Gesetz muss mit klaren Zielen und Vorschriften sicherstellen, dass die Erhaltung und Förderung gesunder und lebendiger Waldökosysteme die Grundlage für die zukünftige forstwirtschaftliche Nutzung bildet.
  2. Der Wald ist eine wichtige Lebensgrundlage für uns alle: Angesichts der zunehmenden Klimakrise muss die ökologische Verantwortung von Besitz neu definiert werden. Das heißt, Waldbesitzende sollten den Wald nur so bewirtschaften dürfen, dass er seine Klimafunktionen (z.B. CO2-Speicherung) nicht verliert. Staatswälder sollten dabei ein Vorbild sein und besonders viel für den Schutz der Artenvielfalt, den Klimaschutz und eine bessere Anpassung an das Klima auf der Basis von natürlichen Ökosystemen tun.
  3. Das neue Gesetz muss mit bestehenden Gesetzen übereinstimmen. Um die Ziele des Klimaschutzgesetzes zu erreichen, muss das Wachstum naturnaher Wälder, besonders in schützenswerten Gebieten, gewährleistet werden. In Anpassung an das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur müssen Nadelbaumplantagen nach und nach wieder in Laubmischwälder umgewandelt werden.  
  4. Wälder sind im “überragenden öffentlichen Interesse”: Wertvolle Laubwälder dürfen nicht weiter für Infrastrukturprojekte geopfert werden, auch nicht für Windenergie, Bahntrassen und vor allem nicht für weitere Autobahnen. 
  5. Die Verbrennung der Wälder muss deutlich eingeschränkt werden: Der Druck auf die Wälder muss reduziert werden, auch indem die industrielle Holzverbrennung nicht weiter toleriert wird, da sonst die Klimaziele noch stärker verfehlt werden. 

Waldschutz jetzt: Mindestens 15 Prozent der Waldfläche müssen dauerhaft vor industriellen Eingriffen, beispielsweise durch die intensive Forstwirtschaft, geschützt  und der natürlichen Entwicklung überlassen werden. 

Portrait of Dorothea Epperlein
“Das laxe Bundeswaldgesetz hat der industriellen Forst- und Holzwirtschaft 50 Jahre lang einen Freifahrtschein ausgestellt, um wertvolle Wälder rücksichtslos auszubeuten – auf Kosten von Umwelt und Klima. Die künftige Bundesregierung darf sich nicht vor der Verantwortung drücken, das bestehende ‘Abholz-Gesetz’ in ein ‘Waldschutz-Gesetz’ umzuwandeln.”

Dorothea Epperlein

Greenpeace Waldexpertin

Portrait of Dorothea Epperlein
Zitat
“Das laxe Bundeswaldgesetz hat der industriellen Forst- und Holzwirtschaft 50 Jahre lang einen Freifahrtschein ausgestellt, um wertvolle Wälder rücksichtslos auszubeuten – auf Kosten von Umwelt und Klima. Die künftige Bundesregierung darf sich nicht vor der Verantwortung drücken, das bestehende ‘Abholz-Gesetz’ in ein ‘Waldschutz-Gesetz’ umzuwandeln.”
Zitatinhaber, Vorname Nachname
Dorothea Epperlein
Position des Zitatinhabers
Greenpeace Waldexpertin
Kreisförmiges Bild
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Waldschutz jetzt!

Greenpeace überreicht Petition an Özdemir

Martin Kaiser and Cem Özdemir in Brandenburg
Text

Martin Kaiser, Geschäftsführender Vorstand von Greenpeace, überreicht Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir am 26.4. eine Petition für mehr Waldschutz. Über 80.000 Menschen haben unterschrieben und große Hoffnung auf Veränderung, denn: Nachdem das Bundeswaldgesetz 50 Jahre lang vor allem den Interessen der intensiven, konventionellen Forstwirtschaft gedient hat, wird es in diesem Jahr erneuert. Cem Özdemir hat somit jetzt die Möglichkeit, aus dem bisherigen “Abholz-Gesetz” ein “Waldschutzgesetz” zu machen. Jetzt ist das Landwirtschaftsministerium am Zug!

Fragen zum Bundeswaldgesetz

Was ist das Bundeswaldgesetz?

Das aktuelle Bundeswaldgesetz (BWaldG) stammt aus dem Jahr 1975 und genauso veraltet ist seine Sicht auf den Wald. Theoretisch geht es um den Erhalt der Wälder und ihrer Funktionen. In der Praxis steht aber die Wirtschaftlichkeit im Mittelpunkt, das heißt der kurzfristige Profit mit Holz als Rohstoff. Durch das Gesetz konnte die konventionelle Forstwirtschaft Wälder ausbeuten und klima- und naturschädliche Fichten- und Kiefern-Monokulturen in großem Stil anpflanzen. 

Was hat intensive Forstwirtschaft mit Waldsterben zu tun?

Die Forstwirtschaft hat inzwischen industriellen Züge angenommen: schwere Maschinen verdichten den Boden, Monokulturen stehen in schnurgeraden Reihen, es fehlt an Totholz und Habitatbäumen, Rückegassen zerschneiden die Fläche und das schützende Kronendach wird regelmäßig aufgerissen. 

Die Auswirkung davon sind instabile, vertrocknete, schwächelnde Wälder. Das ist fatal, denn wir alle leben  vom Wald und können nicht auf das lebendige Ökosystem mit seinen vielen Leistungen (Luftreinigung, Kühlung, CO2-Senke etc.) verzichten. Der Wald ist mehr als nur Holz. 

Was haben Monokulturen mit Waldsterben zu tun?

Wie stellen Sie sich einen Märchenwald vor? Vermutlich hat er alte, knorrige Bäume, moosbewachsene Steine, Farne und Pilze. Er ist kühl, ruhig und grün. So sahen der Harz, die Sächsische Schweiz, der Schwarzwald vor Jahrhunderten aus. Laub- und Mischwälder sind die natürlichen Wälder Deutschlands, aber sie sind selten geworden. Die Forstindustrie hat sie nach und nach abgeholzt und in Kiefern- und Fichten-Plantagen umgewandelt. Diese Nadelbäume wachsen schneller als Laubbäume, können also schneller gefällt und wieder gepflanzt werden. Schneller Nachschub für unseren Holzhunger - aber zu welchem Preis? 

Wie alle Monokulturen sind diese Plantagen anfällig für Krankheiten, Dürren, Insektenschäden und Brände. Auch die Laub- und Mischwälder leiden unter intensiver Forstwirtschaft. Laut des aktuellen Waldzustandsberichts haben nur 21 Prozent der Bäume in Deutschland noch gesunde Kronen. Das bedeutet also, dass vier von fünf Bäumen inzwischen geschädigt sind. Das liegt zum einen an der Klimakrise, aber viel mehr an der Tatsache, dass die Holzproduktion bei der Waldnutzung noch immer an erster Stelle steht.

Ist in Schutzgebieten Bäume fällen erlaubt?

Die aktuelle Analyse ernüchtert schnell: Obwohl rund zwei Drittel der Wälder in Schutzgebieten liegen, sind nur 2,8 Prozent der Waldfläche in Deutschland vor Holzeinschlag sicher. In den meisten Gebieten ist eine “ordnungsgemäße Forstwirtschaft” gestattet.


Die Verordnungen und Managementpläne regeln, ob Blumen gepflückt, Pilze gesammelt oder die Wege verlassen werden dürfen. Waldspaziergänger:innen finden diese Einschränkungen in der Regel in Ordnung, schließlich soll der Lebensraum für Pflanzen und Tiere erhalten werden. Dass das Fällen von Bäumen dagegen meistens erlaubt ist, erscheint wie eine bittere Ironie.

Was sind Schutzgebiete und wie viel Wald ist geschützt?

Insgesamt gibt es über 20 verschiedene Bezeichnungen für Schutzgebiete, die sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden können. Zudem haben alle Gebiete ihre eigenen Verordnungen und Managementpläne, die den Grad des Schutzes regeln. Außerdem können sich unterschiedliche Schutzgebiete auch überschneiden. Diese Faktoren machen eine Bewertung des Waldschutzes sehr kompliziert – die nötige Transparenz und Übersicht fehlt.


Die Studie “Schutzgebiete ohne Schutz” zeigt, dass 67 Prozent der Wälder in Deutschland aktuell in Schutzgebieten liegen. Eine Zahl, die optimistisch stimmt – doch wie sicher sind die Bäume dort tatsächlich vor der Kettensäge?

Rechtsgutachten NRL BWaldG.pdf

Rechtsgutachten NRL BWaldG.pdf

Nach jahrelangen Debatten ist es endlich da: Das Nature Restoration Law (NRL)! Es verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, einschließlich Deutschland, weitreichende Maßnahmen zur ökologischen Wiederherstellung von zerstörten Land- und Meeresökosystemen zu ergreifen. Erschwert wird dessen Umsetzung vor allem von anderen Gesetzen. Einer der Kandidaten ist das veraltete Bundeswaldgesetz. Dieses Rechtsgutachten erklärt, wie das Bundeswaldgesetz den Zielen des NRL widerspricht.

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Greenpeace Stellungnahme BWaldG.pdf

Greenpeace Stellungnahme BWaldG.pdf

Borkenkäfer, Dürre, Waldbrände – den Wäldern in Deutschland geht es schlecht. Schuld daran ist unter anderem das Bundeswaldgesetz, das seit seinem Erlass im Jahr 1975 kaum verändert wurde. Jetzt besteht die Chance, das zu ändern!

Anzahl Seiten: 23

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