Japans Gier nach Walen
- Hintergrund
Gekaufte Länder
Nach Angaben des japanischen Auswärtigen Amtes wurden 4,262 Millionen Euro Entwicklungshilfe in die kleine Ökonomie von Saint Kitts und Nevis, einer Karibikinsel mit wenigen zehntausend Einwohnern investiert. Mit den Zuwendungen soll die kleinskalige Fischerei gefördert werden. Eigentlich begrüßenswert, wäre nicht der Preis: IWC-Beitritt und Stimmenabgabe im Sinne Japans.
Dies ist kein Einzelfall. Kurz vor Beginn der Tagung 2006 erhielten Kambodscha, die Marschallinseln und Guatemala die Stimmberechtigung. Während die ersten beiden mit Japan stimmten, blieb Guatemala der Versammlung nach Protesten seiner Bevölkerung und Umweltorganisationen wie Greenpeace fern.
Geschichte und Rolle der IWC
Die Entwicklungen im internationalen Völkerrecht haben den Meeressäugern (und speziell den Walen) eine besondere Bedeutung gegeben. 1972 forderte die UN-Konferenz für Mensch und Umwelt in Stockholm fast einstimmig ein zehnjähriges Verbot des kommerziellen Walfangs (Moratorium). Die Vereinten Nationen schrieben dabei die IWC als die kompetente Organisation für den Schutz und das Management von Großwalen fest. Andere internationale Konventionen richten ihre Entscheidungen nach den Beschlüssen der IWC aus. 1986 trat das Moratorium in Kraft.
Die Internationale Walfangkommission gründete sich 1946. Ein Absatz im Konventionstext zur Regulierung des Walfangs ist Artikel 8: eine Klausel, die den Walfang zu wissenschaftlichen Zwecken und die Vermarktung des dabei anfallenden Fleisches erlaubt. Damals konnte die Wissenschaft - anders als heute - viele wichtige Aspekte noch nicht an lebenden Tieren erforschen.
Hinter den Regulationen stand ursprünglich kein Schutzbedürfnis für die Wale, vielmehr wurden die Bestände weiter maximal ausgebeutet. Im 20. Jahrhundert töteten Waljäger insgesamt mehr als 2,7 Millionen Großwale. Ein maßloser Raubbau, von dem sich die meisten Arten bis heute nicht erholen konnten.
Blauwal und Nordwestpazifischer Grauwal
Ein Beispiel ist der Blauwal, das größte Tier unseres Planeten. Er ist größer als jeder Dinosaurier, wird bis zu 180 Tonnen schwer und erreicht eine Länge von bis zu 30 Metern. Von geschätzten 311.000 Blauwalen auf der südlichen Hemisphäre sind heute weniger als 1.000 Individuen übrig. 1979 rief die IWC das Schutzgebiet im Indischen Ozean aus, um wichtige Wanderungskorridore und vor allem die wenigen verbliebenen Blauwale zu schützen.
Ein anderes besonders tragisches Beispiel: der Nordwestpazifische Grauwal. Rund 100 Tiere existieren derzeit noch in diesen Gewässern. Die Öl- und Gasindustrie, aber vor allem japanische Stellnetze setzen den Letzten ihrer Art zu. Japan wurde von der IWC befragt, wie man dem drohenden Aussterben der Grauwale an den Küsten begegne. Die Antwort lautete, die Fischer seien angewiesen worden, die Wale aus den Netzen zu entlassen. Das ist unrealistisch: Stellnetze heißen so, weil man sie über lange Zeiträume (mehrere Stunden bis Tage) sich selbst überlässt. Wale, die sich darin verfangen, ertrinken jämmerlich.
Sonderfall Südpolarmeer
Erst 1961 analysierte eine Expertengruppe für die IWC die Walbestände in den antarktischen Meeren. Das Ergebnis führte zu einem Totalschutz der verbliebenen Buckelwale südlich des Äquators und der Blauwale südlich des 40. Breitengrades. Auch Finnwale wurden von der IWC 1988 noch einmal gesondert unter Schutz gestellt. Das Südpolarmeer ist seit 1994 Walschutzgebiet. Trotzdem jagen die Japaner dort - unter dem Deckmantel eben jenes Artikel 8, der den Fang zu wissenschaftlichen Zwecken erlaubt.
Japan argumentiert, dass Minkewale in ihren Beständen nicht gefährdet seien. Minkewale sind die kleinsten Großwale und wurden deshalb in der Vergangenheit am wenigsten bejagt. 2006 korrigierte die IWC ihre ursprüngliche Angabe zum Bestand im antarktischen Raum von 761.000 auf 312.000 Tiere.
Greenpeace-Aktivisten zwischen Walen und Harpunen
Greenpeace-Aktivisten begaben sich 1975 erstmals zwischen die Harpunen der Jäger und die Wale. 2005 waren die Greenpeace-Schiffe Esperanza und Arctic Sunrise im Südpolarmeer unterwegs und spürten die japanische Flotte auf. Mindestens 82 Zwergwale wurden damals gerettet. 2006 war Greenpeace zur Stelle, als das japanische Fabrikschiff Nisshin Maru in Brand geriet. Die Aktivisten sicherten die empfindliche antarktische Natur und boten der Besatzung des hilflos im Eismeer treibenden Schiffes ihre Hilfe an. Bei dem Brand kam ein japanischer Matrose ums Leben. 2008 verfolgte die Esperanza das Walfang-Fabrikschiff zwei Wochen lang. Die Jäger schossen in dieser Zeit keinen einzigen Wal.
Deckmantel Wissenschaft
Mehrfach verabschiedete die IWC mit großer Mehrheit Resolutionen, die das japanische Wissenschaftsprogramm verurteilten und Japan aufforderten, die tödlichen Untersuchungen zu stoppen: Keines der Ziele des ersten Forschungsprogrammes sei erreicht worden, mittlerweile gebe es zur Beantwortung aller wissenschaftlichen Fragen nicht-tödliche Untersuchungsmethoden. Das Wissenschaftskomitee der IWC übte scharfe Kritik an der Absicht, auch Finn- und Buckelwale ins Visier der Harpunen nehmen zu wollen.
Nach neuesten Erkenntnissen konsumieren gerade noch fünf Prozent der japanischen Bevölkerung regelmäßig Walfleisch. Trotzdem besteht Japan auf der Jagd. Der Inselstaat sträubt sich in allen internationalen Völkerrechtsabkommen gegen ganzheitliche Bewirtschaftungsverfahren. Dies gilt für Fischereiabkommen ebenso wie für internationale Konventionen zum Schutz und Erhalt der Artenvielfalt generell. Auch im internationalen Handel mit bedrohten Arten will sich Japan keinerlei Beschränkungen auferlegen lassen.
Verlustgeschäft auf Kosten der japanischen Steuerzahler
Die Waljagd muss inzwischen subventioniert werden. Durch den Druck von Greenpeace und Verbrauchern zog sich im März 2006 der Fischereikonzern Nissui, der bis dahin ein Drittel der Aktien an der Walfangflotte Kyodo Senpaku hielt, aus dem unrühmlichen Geschäft mit Walprodukten zurück. Die anderen beiden Anteile haltenden Konzerne folgten. Damit stiegen die Kosten für das japanische Fischereiministerium enorm. Die Regierung muss nahezu für den kompletten Unterhalt der Flotte aufkommen und auch in die Werbung für Walfleisch investieren. So werden Schulkinder mit kostenlosen Lunchboxen versorgt. Letztlich zahlen dafür die Bürger mit ihren Steuern.
Forschungsergebnisse und Fischkonsum
Harsche Kritik üben Wissenschaftler weltweit an der dürftigen Qualität der japanischen Forschungsergebnisse. Trotz eines Forschungszeitraums von 16 Jahren, in dem Tausende von Walen getötet wurden, sind Publikationen in entsprechenden Fachblättern rar. Die von der IWC als wichtig identifizierten Fragestellungen über die räumlichen und zeitlichen Änderungen der Bestandsstrukturen lassen sich viel besser über die geringfügige Gewebeentnahme an lebenden Tieren (Biopsie) erklären. Australien und andere Länder haben Japan schon mehrfach angeboten, ihr Wissen auf diesem Sektor kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Auch das Argument, dass Wale die Meere leer fräßen, wird Japan aller Wahrscheinlichkeit nach wieder auf die Tagesordnung der Welternährungsorganisation FAO bringen. Und das, obwohl sich die FAO zu diesem Thema bereits klar positioniert hat: Der Kollaps vieler Fischbestände lässt sich hauptsächlich auf die menschengemachte Überfischung zurückführen. 75 Prozent der weltweit kommerziell genutzten Fischbestände sind überfischt oder an der Grenze dazu. 90 Prozent der großen Jäger wie Schwert- und Thunfisch, aber auch Haie, sind bereits verschwunden.
Wer jagt noch?
Zwei weitere Nationen, Island und Norwegen, jagen offiziell weiter Großwale. Wie bei Japan handelt es sich um Länder, die nicht auf diese Proteinquelle angewiesen sind. Norwegen hat ein Veto gegen das Moratorium eingelegt, fühlt sich nicht daran gebunden und jagt in seiner 200-Seemeilen-Zone weiter.
Auch Island jagt weiterhin Zwerg- und Finnwale. Allerdings gibt es dort für das Fleisch der Tiere keinen großen Markt. Zwar hoffen die Isländer, das Fleisch in Japan vermarkten zu können, doch das ist unwahrscheinlich. In einem Gespräch mit Greenpeace gab der japanische Hauptimporteur zu, dass der japanische Markt zusammengebrochen sei. Im Dezember 2009 lagen über 4.000 Tonnen Walfleisch in japanischen Kühlhäusern.
Greenpeace fordert:
- Die Walschutznationen müssen koordinierter zusammenarbeiten: Das Moratorium muss erhalten und gestärkt werden.
- Das vorgeschlagene Schutzgebiet im Südatlantik muss bei der kommenden Tagung beschlossen werden.
- Pseudowissenschaftlicher Walfang muss ein Ende finden, ebenso wie die Stimmenkaufpolitik Japans.
- Die IWC muss endlich modern denken und auch den anderen Gefahren (Beifang, Lärm, Lebensraumverlust, Schadstoffbelastung etc.) begegnen.
- Die Meere brauchen dringend Erholung: Mindestens 40 Prozent der Ozeane müssen unter Schutz gestellt werden.