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Eine Kuh mit ihrem Kalb auf der Weide
© Maria Feck / Greenpeace

Auf Bio-Landwirtschaft umstellen: Interview mit einem Berater

"Zu sehen, wie die Leute aufblühen, ist einfach schön." Interview mit dem Umstellungsberater Sebastian Wagner über den Wechsel von konventioneller auf biologische Landwirtschaft. Er erklärt allerdings auch, dass nicht jeder Hof umstellen kann. 

Portrait Sebastian Wagner

Sebastian Wagner

Greenpeace: Herr Wagner, Sie beraten für den Verband Naturland Milchviehbetriebe, die von konventionell auf Bio umstellen wollen. Was bewegt Ihre Kunden?

Sebastian Wagner: Früher, als es noch gar keinen nennenswerten Markt für Bioprodukte gab, gehörte schon sehr viel Idealismus dazu, einen Betrieb auf Bio umzustellen. Menschen voller Überzeugung, die etwas anders machen wollten. Die sich beispielsweise, unabhängig machen wollten, von externen Betriebsmitteln, Düngemitteln und Spritzmitteln. Egal, ob sie Abnehmer für ihre Produkte hatten oder nicht.

Greenpeace: Und heute? 

Wagner: Haben die Leute auch einen Taschenrechner in der Hand, wenn sie diese Überlegung durchgehen. Und das ist auch richtig und wichtig. Man darf nicht vergessen, dass diese Landwirt:innen ein Unternehmen führen, an dem die Existenz ihrer Familie hängt, aber auch die ihrer Angestellten. 

Greenpeace: Es sind also eher wirtschaftliche Gründe?

Wagner: Auf jeden Fall stehen diese stärker im Vordergrund. Inzwischen haben Landwirt:innen aber auch häufig das Gefühl, gesellschaftlich angefeindet zu werden, wenn sie weiter konventionell Milch erzeugen. Als Biovertreter freue ich mich natürlich darüber, wenn der Ökolandbau eine so hohe Akzeptanz in der Gesellschaft erfährt. Es darf dabei aber nicht übersehen werden, dass es auch sehr gute konventionelle Betriebe gibt. Eine Spaltung der Landwirtschaft hilft niemandem.

Greenpeace: Was müssen die Betriebe bedenken, wenn sie Bio werden wollen?

Wagner: Als erstes müssen sich die Landwirte und Landwirtinnen Gedanken machen, ob sie einen Abnehmer für ihre Bio-Produkte haben, für die Milch und später auch das Rindfleisch. Die wenigsten sind in der Lage, ihre Produkte auf dem Hof herzustellen und vollständig direkt zu vermarkten.

Greenpeace: Und wenn das geklärt ist?

Wagner: Dann hängt es sehr von der Ausgangssituation ab. Ein Betrieb im Voralpenland mit viel Grünland tut sich leichter als ein Betrieb in Hessen oder Mittelfranken, der vielleicht dürregeplagt ist und viel Ackerbau hat. Der muss deutlich mehr Sachen ändern.

Greenpeace: Kann denn im Prinzip jeder Hof von konventionell auf Bio umstellen?

Wagner: Nein. Die Bio-Verbände haben vor ein paar Jahren die Weideverpflichtung für Milchkühe eingeführt, das macht es für manche Betriebe schwierig. Außerdem läuft gerade ein Prüfverfahren der EU-Kommission, ob alle Wiederkäuer ab dem abgetränkten Kalb täglich Weidegang haben müssen, wenn die Witterung und der Bodenzustand es zulassen. Das wird für viele Betriebe eine Herausforderung, auch für einige, die jetzt schon Bio sind. Aber vor allem eine Hemmschwelle für die neuen Betriebe. Wenn ich einen Hof in Innerortslage habe, ohne Zugang zur Weidefläche, dann kann ich es eigentlich schon vergessen.  

Greenpeace: Was sind denn die größten Brocken bei einer Umstellung?

Wagner: Auf jeden Fall die Frage, ob ich meinen Stall umbauen muss oder nicht. Jedes Tier braucht eine Liegebox, es gibt Anforderungen an Licht und Luft im Stall. Außerdem muss das Futter auf Bio umgestellt werden. Ein entscheidender Punkt ist daher die Fläche: Habe ich genug um meinen Hof herum, so dass ich den Weidegang gewährleisten kann? Und habe ich genug Futterfläche, damit ich meine Tiere ohne den Einsatz von Mineraldünger satt bekomme? Zusätzliche Fläche zu pachten ist oft schwer, weil selten Fläche frei ist.  Wenn die Futtergrundlage nicht da ist, kann das ein K.O.-Kriterium sein, weil es sehr teuer ist, Bio-Futter zu kaufen.

Greenpeace: Welche finanzielle Unterstützung gibt es?

Wagner: Es wird viel über die Umstellungsförderung der Länder ausgeglichen. Die Betriebe bekommen in den ersten zwei Jahren der Umstellung eine höhere Prämie als die normale Ökoprämie, weil sie beispielsweise neue Maschinen anschaffen oder Bio-Kraftfutter kaufen müssen, das etwa doppelt so teuer ist wie das konventionelle.

Greenpeace: Und wie lange dauert in der Regel so eine Umstellung?

Wagner: Betriebe, die klassisch konventionell gewirtschaftet haben, brauchen anderthalb bis zwei Jahre. Die Betriebe sollten schon eine gewisse Liquidität haben, wenn sie den Schritt wagen. Denn die Fördergelder vom Staat bekommen sie oft erst am Jahresende, die Ausgaben haben sie aber laufend. Sie müssen oft neun bis zehn Monate das teure Bio-Kraftfutter füttern, bevor sie dann auch Bio-Milch liefern können, für die sie einen höheren Preis bekommen. 

Greenpeace: Wie viele Betriebe trauen sich denn so übers Jahr?

Wagner: Das hängt stark von der Marktsituation ab. Wenn der Einzelhandel sagt, wir brauchen mehr Bio-Produkte, die laufen super, dann bekommen auch die Molkereien dieses Signal. Und die schreiben dann die Höfe an und sagen: Stell doch um auf Bio. Dann haben wir viel Arbeit.

Greenpeace: Und dann ist ihre Überzeugungskraft gefragt.

Wagner: Wir erklären, wie es geht, aber wir überreden niemanden. Die Landwirt:innen müssen schon genau wissen, was auf sie zukommt, damit sie die richtige Entscheidung treffen können. Deshalb ist es wichtig, dass sie verstehen, dass die Richtlinien Sinn machen. Nur dann können sie auch dahinterstehen. 

Greenpeace: In welchen Momenten macht Ihre Arbeit besonders viel Spaß?

Wagner: Es ist schön zu sehen, wie Umstellungsbetriebe mit der Zeit im Ökolandbau ankommen und sich dort richtig wohl fühlen. Wenn zum Beispiel ein Landwirt, der immer Vollgas gegeben hat, immer bei den Betrieben mit der höchsten Milchleistung dabei sein wollte, auf einmal sagt: Ich will diesen Stress nicht mehr. Und dann die Leistung und den Druck runterfährt, auf Bio umstellt und zufrieden ist. Zu erleben, wie die Leute aufblühen, das ist einfach schön! Das sind Momente, in denen ich merke, dass auch meine Arbeit Sinn gemacht hat.

(Das Interview wurde bereits im Sommer 2023 im Muht-Magazin veröffentlicht.)

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