Ode an den Fladen
- Kurz und Knapp
Nirgendwo summt, brummt und krabbelt es so schön wie in und auf Kuhdung. Doch leider trifft man diese Oasen der Artenvielfalt immer seltener an.
Aufwendige Produktion: Kühe rupfen auf der Weide Gras und Kräuter, reichern die Masse in ihrem Maul mit Speichel an und schlucken sie dann hinunter. Erste Station ist der Netzmagen, in dem die Nahrung sortiert wird. Die schon ausreichend zerkleinerten Bestandteile der Mahlzeit landen von dort aus im Blättermagen, der Rest im Pansen. Wenn das Futter nach ein bis drei Tagen im Pansen ausreichend zersetzt wurde, wird es diesmal vom Netzmagen in den Blättermagen durchgelassen. Der drückt schon mal Flüssigkeit aus dem Nahrungsbrei. Dann geht es weiter in den letzten Magen: den Labmagen, der so ähnlich funktioniert wie der menschliche. Salzsäure senkt den dortigen pH-Wert auf ungefähr 3,0. Durch Dünn- und Dickdarm geht es ab auf die Wiese.
Runde Sache: Da man ihn nicht mehr so häufig antrifft, hier kurz ein paar Zahlen zur Einordnung: Ein Kuhfladen hat im Schnitt einen Durchmesser von 30 Zentimetern, ist zwei Zentimeter hoch und zwei Kilogramm schwer. Gut zehn dieser Rundstücke verteilt ein Rind am Tag auf der Weide. Im Monat produziert es somit bis zu einer Tonne Dung. Daraus entstehen 20 Kilogramm Insekten, wovon sich drei Störche oder 30 Stare ernähren können. Ein Weiderind versorgt im Jahr rund zwei Millionen Fliegen und Käfer – das entspricht einer Vierteltonne Insektenbiomasse.
Insel des Lebens: In den Fladen tobt das Leben, es herrscht ein munteres Treiben. Das ist kein Wunder, denn die vorverdauten Grasreste enthalten noch 90 Prozent der ursprünglichen Nährstoffe, was sie sehr attraktiv für jede Menge Käfer- und Fliegenarten macht. Die sind es auch, die schon nach wenigen Sekunden mit der Besiedlung starten. Andere Interessenten lassen aber nicht lange auf sich warten. Es werden Salze geleckt, Gänge gegraben, Eier gelegt. Der Haufen bietet während seiner kurzen Existenz tausenden Tieren Schutz und Lebensraum, Energie und Nährstoffe. Fliegen, Käfer, Spinnen, Schmetterlinge, Würmer, Eidechsen und Vögel bedienen sich an dem reichhaltigen Buffet.
Kreislauf der Natur: Als erstes machen sich Koprophagen über die Fladen her, also Lebewesen, die Exkremente fressen. Die wiederum stehen auf dem Speiseplan von räuberischen Zweiflüglern, wie etwa der gelben Dungfliege. Mistkäfer graben Gänge für ihren Nachwuchs, der als Beute für Spinnen und räuberische Käfer dient. Auch Vögel sind scharf auf den Dung: Raubwürger, Schwalben und Stare leben unter anderem von Pflanzensamen, die in Kuhfladen stecken. Greifvögel schnappen sich dann gerne die wohlgenährten Vögel und Eidechsen. Wenn die Fladen wegbleiben, fehlt die Grundlage für diesen Kreislauf.
Großes Aufräumen: Wenn nichts mehr viel zu holen ist, vollenden Pilze, Bakterien, Milben, Springschwänze, Regenwürmer und Tausendfüßler das Werk der Zersetzung. Nach zwei bis drei Monaten haben sie alle organischen Substanzen, die noch enthalten waren, in die Erde transportiert. Dadurch werden die Gräser und Blumen gedüngt, die dann von den Rindern gegessen werden, um bald darauf als Dung wieder auf der Weide zu landen. Dort, wo der Kuhfladen gelandet ist, der sogenannten Geilstelle, frisst das Rind eine Weile nichts. Das Gras wächst üppiger und es gedeihen Pflanzen aus Samen, die oft über weite Strecken transportiert worden sind. So entsteht auf einer Weide, die nicht gemäht wird, eine Diversität, die es sonst nicht mehr gibt.
Der Kot ist tot: Heute finden sich auf den Weiden oft verhärtete Fladen, die kaum abgebaut wurden. In ihnen summt und brummt überhaupt nichts. Das liegt daran, dass immer mehr Rinder, die konventionell gehalten werden, Medikamente gegen Parasiten verabreicht bekommen, häufig auch prophylaktisch. Die Mittel sind für Fadenwürmer und andere wirbellose Tiere toxisch – und damit auch für die potenziellen Dungbewohner.