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Fred Dott/Greenpeace [M]

Supermärkte wollen weiter Werbung für Billigfleisch machen

Die Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen haben im Sommer das kranke System Billigfleisch sichtbar gemacht. Trotzdem werden Fleischprodukte skrupellos beworben und zu Ramschpreisen angeboten.

Nach den Corona-Ausbrüchen bei Tönnies und Co. kündigte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) im August 2020 an, ein Preiswerbeverbot für Fleischprodukte in die Wege leiten zu wollen. Bisher ist nicht viel passiert. Doch dass Mensch, Tier und Umwelt durch die Fleischindustrie ausgebeutet werden, ist nicht neu. Politik und Einzelhandel wissen schon lange um die massiven Probleme und die hohen gesellschaftlichen Folgekosten der Billigfleisch-Produktion. Trotzdem wird seit Jahren an dem kaputten System festgehalten, werden tierschutzwidrige Missstände und unzureichende gesetzliche Verordnungen hingenommen.

  • Immer wieder belegen Bilder und Videoaufnahmen aus Ställen und Schlachthöfen, wie Tiere unter den qualvollen Bedingungen leiden, wie sie entgegen ihrer Bedürfnisse auf engem Raum, ohne frische Luft und ausreichende Bewegungs- und Spielmöglichkeiten gehalten werden, wie ihnen Ringelschwänze abgeschnitten, Schnäbel gekürzt und Hörner abgesägt werden, wie Sauen in zu engen Käfigen gehalten und Kühe in Anbindehaltung gequält werden.
  • Die Tiere werden zudem durch die schlechte Haltung häufiger krank. Der Einsatz von Antibiotika in der Billigfleisch-Produktion ist immer noch viel zu hoch. Die industrielle Tierhaltung ist mit eine der Hauptursachen für die Verbreitung multiresistenter Keime.
  • Dokumentationen aus Schlachthöfen sowie Reportagen über Schlachthof-MitarbeiterInnen zeigen seit Jahren immer wieder, wie Leiharbeiter in der Schlachtbranche ausgebeutet werden.
  • Damit das Geschäft mit dem Billigfleisch florieren kann, wird tonnenweise Soja in den Futtertrögen versenkt. Soja ist der “Treibstoff”, um möglichst viele Tiere in kurzer Zeit zu mästen. Für diese Soja werden wertvolle Ökosysteme in Südamerika zerstört und Urwälder gerodet. Unmengen an Dünger und Pestiziden wie z.B. Glyphosat kommen beim Soja-Anbau zum Einsatz.
  • Wo viele Tiere gehalten werden, entsteht viel Gülle und Mist. Folge: Es kommt zu Überdüngung auf den Äckern. Das führt wiederum zu Verunreinigung von Gewässern und Grundwasser. Wasserwerke schlagen schon länger Alarm. Zudem stammen rund 14,5 Prozent aller weltweit ausgestoßenen klimaschädlichen Treibhausgase aus der Tierhaltung. 

Schamlose Begründungen des Handels für Billigfleischwerbung

Diese Umstände sind alle bekannt. Nichtsdestotrotz wird Fleisch weiterhin von deutschen Supermarktketten verramscht. Greenpeace hat deshalb bei acht großen deutschen Supermarktketten (Aldi Nord, Aldi Süd, Rewe, Penny, Netto, Edeka, Lidl, Kaufland) nachgefragt:

Planen Sie, zukünftig freiwillig auf Fleischwerbung mit Sonderrabbatt-Aktionen zu verzichten?

"Alle Händler gaben an, auch zukünftig nicht auf Billigfleisch-Werbung verzichten zu wollen", sagt Stephanie Töwe, Landwirtschaftsexpertin bei Greenpeace. "Ihre Begründungen sind dreist und beweisen die Verantwortungslosigkeit des Handels." Fast alle Händler gaben an, sich bereits um mehr Tierwohl zu bemühen und die besseren Produkte oder Initiativen zu bewerben. Es wurden aber keine Angaben gemacht, ob Fleisch aus artgerechterer Haltung ähnlich stark beworben wird wie Billigfleisch und ob dafür ähnlich hohe Werbebudgets ausgegeben werden. "Die Bewerbung von besserem Fleisch oder das Engagement für mehr Tierwohl bei Leuchtturm-Projekten wird als Rechtfertigung missbraucht", so Töwe. Dabei stammen über 90 Prozent des vom Handel verkauften Frischfleischs nach wie vor aus tierschutzwidriger, umweltschädlicher Haltung.

Aldi Nord und Aldi Süd erklärten, dass die deutsche Fleischindustrie “exportgetrieben” sei. “Durch verschiedene Einflüsse (Corona, Handelsembargo von Russland etc.) gab und gibt es immer wieder Überkapazitäten am Fleischmarkt. Durch gezielte Fleisch-Werbung können wir die vorhandenen Überhänge am Markt reduzieren und für Entlastung sorgen.” 

Die Rewe-Group antwortete für seine Märkte Rewe und Penny, dass der deutsche Lebensmittelmarkt “einer der wettbewerbsintensivten der Welt” sei. Es sei zudem “völlig unklar, ab welchem Preis eine Fleischwerbung unangemessen sein sollte.”

Lidl ließ Greenpeace wissen, dass die Kommunikation zum Sortiment des Discounters “in erster Linie an die Bedürfnisse unserer Kunden angepasst” ist, “so dass sie gemäß ihrer Gewohnheiten und Bedürfnisse eine Kaufentscheidung treffen können.  [...] Preiswerbung trägt vor allem zur Markttransparenz bei und ist ein wichtiger Informationsfaktor für Verbraucher.” 

Kaufland begründete seine Entscheidung, Werbung für Fleisch aus tierschutzwidriger und ausbeuterischer Produktion nicht einzustellen, damit, das dies “leider nicht der Nachfragesituation entspricht”. Zudem sei Kaufland als eigenes Produktionsunternehmen “in der  Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeiter*innen”. Die Werbung diene außerdem “Produktionskapazitäten aufrecht zu erhalten”. 

Deutschlands größte Supermarktkette Edeka will nicht auf Billigfleischwerbung verzichten, weil dass “ein Eingriff in das Marktgeschehen und den Wettbewerb sei”. Müsste der Handel auf Fleischwerbung verzichten, “würden die Absatzmengen gravierend sinken - damit würde auch die Erzeugung gedrosselt, ein weiteres Höfesterben in Deutschland wäre abzusehen”.

Die Antwort des Discounters Netto glich der vom Mutterkonzern Edeka. Der Verzicht auf Billigfleischwerbung birge für Edeka und Netto “darüber hinaus die Gefahr einer möglichen Vernichtung hochwertiger Lebensmittel”. 

Der Lebensmitteleinzelhandel will also weiter mit skrupellosen Sonderangeboten Kundinnen und Kunden in die Märkte locken. Anstatt aktiv über die Folgen und die wahren Kosten dieser Fleischproduktion für uns alle aufzuklären und Fleisch aus miserabler Tierhaltung ganz aus dem Sortiment zu nehmen, stachelt der Handel den Kampf um das billigste Stück Fleisch weiterhin gewissenlos an. Er ignoriert, dass gerade bei Fleisch die heutigen Produktionskapazitäten nicht aufrechterhalten werden können. Denn wenn wir so weiter produzieren wie heute, werden laut IPCC-Report 2050 gut 40 Prozent aller weltweit ausgestoßenen Treibhausgasemissionen aus der Lebensmittelproduktion stammen. Tierische Produkte spielen dabei eine Hauptrolle: Eine Halbierung unsere Fleischkonsums und der Tierzahlen ist nötig. 

"Der Handel hat den Kundinnen und Kunden in den letzten Jahrzehnten eingetrichtert, dass es Lebensmittel, vor allen Dingen Fleisch, zu Dumpingpreisen geben kann", sagt Töwe. "Doch jedes Stück Billigfleisch kommt uns alle teuer zu stehen."

Greenpeace fordert von den Supermärkten

  • Billigfleischwerbung zu stoppen

  • Fleisch aus tierschutzwidriger und umweltschädlicher Haltung (Haltungsform 1 und 2) nicht mehr zu verkaufen

  • Landwirten faire Preise zu zahlen

  • aktiv über die Folgen von übermäßigem Konsum von tierischen Produkten für Gesundheit, Klima und Umwelt aufzuklären

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