Rückblick auf Maker-Event MAKESMTHNG in Berlin
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Ein Wochenende im Zeichen von Nachhaltigkeit und Selbermachen, sei es nun Essen, Mode oder sogar Häuserbauen: Bei MAKESMTHNG stand der Spaß am Tun im Vordergrund.
In einem alten Fabrikgebäude am Flutgraben, zwischen Kreuzberg und Treptow, werden Sachen repariert. Früher stand das Gebäude im Dienst des Ost-Berliner Personennahverkehrs und trug den schönen – und sehr deutschen – Namen Kraftfahrzeuginstandsetzungsbetrieb, eine Werkstatt für Straßenbahnen und Busse. Doch das ist lange her, mittlerweile beherbergt die Adresse Am Flutgraben 3 eine Kunstfabrik. Am Wochenende stand die Halle unter dem Motto „Buy nothing, make something“: Maker statt Handwerker, Workshops statt Werkstatt. Was samstags und sonntags repariert wurde, ist ein paar Nummern kleiner als eine Tram, hier wurden unter Anleitung zum Beispiel Socken gestopft. Und wenn man das mit andersfarbigem Garn macht, heißt das nicht mehr Stopfen, sondern „visible mending“. Die Zeiten ändern sich.
Das müssen sie auch, dringend, nicht nur beim Sprachgebrauch. Greenpeace hatte zu der Veranstaltung MAKESMTHNG eingeladen, um einen kreativen Gegenpol zum sinnlosen Einkaufen zu setzen – um zu zeigen, dass das Gegenteil von Konsum eben nicht Verzicht ist, sondern oft einfach Selbermachen.
An verschiedenen Ständen zeigten Leute, wie das geht: Wie man Kuverts aus Altpapier faltet und klebt, wie man Lebensmittel klug und ohne Abfallberge verwertet, wie man aus Hausmitteln Naturkosmetik anrührt. Und dass man wegen eines Kabelbruchs seinen Kopfhörer nicht gleich wegwerfen muss. An einem Stand konnte man sich die „Button Masala“-Technik beibringen lassen, eine einfache Art, nur mit Knöpfen und Gummibändern Stoffe zu raffen, zu verbinden und zu verzieren, ganz ohne Nähte. In einem anderen Workshop lernte man, Lebensmittel durch Fermentieren haltbar zu machen.
Von allem zu viel
Die Bandbreite war groß, doch der Gedanke an allen Maker-Stationen ähnlich: Nutze, was da ist, alles kann noch einen Zweck erfüllen. Dinge selber zu machen bedeutet nicht, dafür erst einmal säckeweise Material einkaufen zu müssen. Es ging bei der Make-Something-Week, die mit vielen Veranstaltungen auf der ganzen Welt stattfand, nicht nur um Mode. Kleidung ist aber ein gutes Beispiel, wie überflüssige Massenproduktion, die niemand braucht, die Umwelt ruiniert – und wie ein Umdenken Abhilfe schaffen kann.
Umfragen zufolge werden in Deutschland 40 Prozent der Kleidungsstücke im Schrank selten oder nie getragen. Die Fast-Fashion-Modekette H&M räumte jüngst ein, dass sie tonnenweise unverkaufte Kleidung verbrennt statt sie zu recyceln – und dass das weltweit gängige Praxis sei. Es gibt schlicht zu viele Klamotten auf der Welt; bei weitem genug, dass sich jeder wohl und modisch fühlen kann, ohne Dinge neu zu kaufen. Am Freitagabend wechselten darum auf einer großen Kleidertauschparty am Flutgraben Kleidungsstücke den Besitzer, an den darauffolgenden Tagen wurden mitgebrachte T-Shirts, Tops und Hosen repariert, verschönert und bedruckt.
Bei den Talks geht es in die Tiefe
Manches davon war niedlich, manches praktisch, bei den begleitenden Talks wurde es schon mal grundsätzlicher: Was bedeutet eigentlich Nachhaltigkeit? Per Videokonferenz wurde der amerikanische Umweltaktivist Rob Greenfield zugeschaltet, dem man zuvor im Film zusehen konnte, wie er als Selbstversorger in einer winzigen Hütte im kalifornischen San Diego lebt: Mit ein paar Solarzellen für eine einzige Glühlampe und einer Auffangvorrichtung für Regenwasser. Das ist umweltfreundlich, aber für die wenigsten Zuhörer im Alltag umsetzbar – oder auch nur wünschenswert.
Da ist der Ansatz von Van Bo Le-Mentzel, einem Berliner Architekten, schon lebensnäher. Er stellte sich die Frage: Wäre es nicht super, wenn man in der Stadt nur rund 100 Euro Miete zahlen müsste? Wie viel Wohnraum bekäme man dafür realistisch? (Antwort: ziemlich genau 6,4 Quadratmeter.) Und wie komfortabel kann man auf wenig Platz leben? Darum hat er ein Wohnkonzept entwickelt, dass auf den Erfahrungen der „Tiny House“-Bewegung aufbaut: Das sind Leute, die sich autarke, günstige Wohneinheiten konstruieren, „winzige Häuser“ eben, die aber meist irgendwo auf freier Fläche stehen. Le-Mentzel überlegte: Wie wäre es, Dutzende kleiner Wohnungen, die den Raum genauso effizient nutzen, neben- und übereinander als Mietshaus zu bauen, mitten in Ballungsgebieten? Damit führte der Nachhaltigkeitsgedanke schließlich zu Fragen sozialer Gerechtigkeit: Wem gehört die Stadt? Nur Privilegierten, die sich teure Mieten leisten können, oder allen?
Eine Menge Überlegungen, ein Haufen Utopien und ganz konkrete Tipps und Handgriffe, die den Alltag verbessern, so könnte man das MAKESMTHNG-Event in Berlin zusammenfassen. Es muss gar nicht nur „Do it yourself“ heißen: „Do it together“, also Dinge gemeinsam zu machen wie an diesem Wochenende, ist sogar noch besser – erlebnisreicher als eine Shoppingtour allemal. Und wer sich entgegen aller Einladungen zum Mitmachen gar nicht an Kochtöpfe und Nähmaschinen getraut hatte, war trotzdem irgendwie ein Maker: Am Ende haben sich alle wenigstens Gedanken gemacht.