Ein globaler Plastik-Vertrag
Eine historische Chance unserer Generation, Menschen und den Planeten vor der Klima- und Plastikkrise zu schützen.
- Hintergrund
Eine historische Chance, für die in Nairobi bei der UN-Umweltversammlung im März 2022 die Weichen gestellt wurden: Die Vereinten Nationen verhandeln über ein verbindliches globales Abkommen gegen Plastikverschmutzung.
Bis Ende 2024 soll das UN-Abkommen stehen, das die Verschmutzung durch Einwegplastik, Geisternetze und Mikroplastik eindämmen soll. Die fünfte und somit letzte Verhandlungsrunde findet vom 25. November bis zum 01. Dezember 2024 im koreanischen Busan statt und ist das entscheidende Treffen. Aus über 170 Ländern kommen Regierungsdelegierte zusammen. Mit vielen verbündeten Umweltschutzorganisationen ist auch Greenpeace wieder vor Ort und fordert erneut, die Plastikproduktion durch das UN-Abkommen bis zum Jahr 2040 um 75 Prozent zu reduzieren.
Die wichtigsten Eckpunkte zu dem aktuellen Stand der Verhandlungen und einen Ausblick auf die kommende Verhandlungsrunde gibt es in diesem Greenpeace-Hintergrundpapier.
Bilanz der bisherigen Verhandlungen ernüchternd - trotz kleiner Lichtblicke
Die vergangene Verhandlungsrunde im Frühjahr dieses Jahres endete in Kanada mit einem Minimalkompromiss, die Fronten zwischen den Ländern sind verhärtet. Trotzdem sollen die Verhandlungen wie geplant im Dezember in Südkorea abgeschlossen werden. Immerhin konnten sich zuletzt die Länder zum ersten Mal auf technische Arbeitsgruppen einigen, die bis zur nächsten Runde weiterarbeiten. Greenpeace kritisiert die andauernde Blockade durch die Öl- und Plastik-Lobby und zieht eine ernüchternde Bilanz.
“Die Verhandlungen in Busan werden voraussichtlich sehr schwierig,“ so Jäger-Roschko. “Die Länder, die ein ambitioniertes Abkommen und eine Reduktion der Plastikproduktion fordern, darunter auch Deutschland, sind in der Unterzahl. Ihnen gegenüber stehen Länder, die mit der Produktion von Öl, Gas und Plastik viel Geld verdienen. Diese Länder versuchen mit allen Mitteln, ein effektives Abkommen zu verhindern. Das Risiko, dass die Verhandlungen mit einem unzureichenden Abkommen enden, ist leider sehr groß.”
Insbesondere Saudi-Arabien, China und auch die USA haben gemeinsam mit der petrochemischen Industrie alles daran gesetzt, ein wirksames globales Abkommen zu untergraben. Mehrere der Berichte, die als Grundlage für die Vertragsverhandlungen dienen sollen, stammen von einem Berater mit Verbindungen zur Öl- und Gasindustrie. Es wird für Recycling und Clean Ups lobbyiert, für Müllverbrennung und sogenanntes chemisches Recycling. Es wird versucht, den Fokus von verbindlichen Regeln zur Reduktion der Plastikproduktion wegzulenken. So kündigte Iran eine Koalition mit Saudi-Arabien, China, Russland und anderen Ländern mit großen petrochemischen Industrien an, um sich für einen Vertrag einzusetzen, der den Schwerpunkt auf die Abfallwirtschaft legt und nicht auf den gesamten Zyklus von Kunststoffen, wie es in der Resolution zum Abkommen heißt.
43 Länder, darunter Deutschland und die EU, haben sich öffentlich zu einer Reduktion der Plastikproduktion bekannt. Peru und Rwanda fordern sogar konkret, dass bis 2040 insgesamt 40 Prozent weniger Plastik produziert werden soll. Greenpeace wird sich bei den Verhandlungen erneut dafür stark machen, dass die Senkung der Plastikproduktion Teil des Abkommens wird.
Historische Chance eines Abkommens: die Bedeutung von Nairobi
“Auch, wenn die Verhandlungen bislang nicht zufriedenstellend laufen”, sagt Moritz Jäger-Roschko, “ist die Tatsache, dass überhaupt verhandelt wird, nicht selbstverständlich und ein Erfolg der globalen Umweltbewegung. Im März 2022 haben die Vereinten Nationen in Nairobi mit einer Resolution beschlossen, der globalen Plastikkrise gemeinsam ein Ende setzen zu wollen. Greenpeace und viele weitere Umweltschutzorganisationen haben seit Jahren auf einen solchen Moment hingearbeitet.”
Am 2. März 2022 verkündete die Umweltversammlung der Vereinten Nationen das Mandat, dass alle beteiligten Länder Verhandlungen über ein rechtsverbindliches globales Abkommen zur Plastikvermeidung aufnehmen, und zwar eines, das den gesamten Zyklus der Plastikverschmutzung abdeckt – von der Produktion bis zu Kunststoffabfällen in den Meeren. Zum ersten Mal sollte von einem Gremium der Vereinten Nationen das Plastikproblem insgesamt angegangen werden: Jeder Produktionsschritt soll dabei auf den Prüfstand kommen, ebenso die Entsorgung. Besonderes Augenmerk soll auf die Vermüllung der Meere liegen und wie man sie verhindern kann. Mögliche Gesundheitsschäden durch Kunststoffkontamination sollen zur Sprache kommen, denn wir nehmen mittlerweile Plastik mit der Nahrung und sogar mit der Atemluft auf. Eine echte Kreislaufwirtschaft wurde in Aussicht gestellt: Produkte und Materialien sollen von vornherein so gestaltet werden, dass sie wiederverwendet, wiederaufbereitet oder recycelt werden können.
Der Resolutionstext von 2022 klammert dabei nicht aus, dass die Vermüllung durch Plastik nicht bloß ein ökologisches, sondern auch ein gesellschaftliches Problem in vielen der ärmsten Länder der Erde ist. Die Rolle der “Wastepickers”, die dort anstelle eines staatlichen Recyclingsystems Plastikmüll sammeln, erfährt ebenfalls Anerkennung.
Die UN hatten erkannt, dass freiwillige Verpflichtungen der Industrie keine Wirkung zeigen. Auch Greenpeace hat dafür über Jahre Belege gefunden: Seien es illegale Müllhalden in Südostasien oder das Scheitern der freiwilligen Selbstverpflichtung von Kosmetikherstellern: Noch immer findet sich gesundheits- und umweltschädliches Plastik in den Produkten.
Die Resolution enthält aber auch Schwächen, bleibt schwammig und lässt Platz für Auslegungen. Zudem ist klar: Dieser Text ist nicht das fertige Abkommen. Daran haben die Staaten die vergangenen Jahre in vier Verhandlungsrunden gearbeitet. Wie umfassend und gut das Abkommen sein wird, wird die nächste und letzte Verhandlungsrunde zeigen.
Die Vorstellungen für ein ambitioniertes globales Plastikabkommen haben die Umweltverbände bereits gemeinsam veröffentlicht. In Deutschland fordert Greenpeace zum Beispiel eine umfassende und materialunabhängige Mehrwegpflicht vom Einzelhandel über die Gastronomie bis hin zum Onlinehandel, die Sie mit Ihrer Unterschrift hier unterstützen können.
Weltweite Umfrage: Menschen wollen weniger Plastik
Dass die Bevölkerung sich diesen Wandel wünscht, zeigt eine Umfrage. Im Februar dieses Jahres befragte das Meinungsforschungsinstitut Censuswide online im Auftrag von Greenpeace International insgesamt gut 19.000 Menschen in Deutschland und 18 weiteren Ländern, wie sie zur Plastikkrise stehen. Das Ergebnis der weltweiten Umfrage ist eindeutig: Vier von fünf Befragten wollen, dass künftig weniger Plastik produziert wird. 90 Prozent der Befragten sprechen sich zudem für die Umstellung von Einweg-Plastikverpackungen auf Mehrweg-Alternativen aus. 75 Prozent wollen sogar ein Verbot von Einweg-Plastikverpackungen. „Die Umfrage zeigt, dass die Menschen die Plastikkrise stoppen wollen”, sagt Manfred Santen, Chemiker bei Greenpeace. „Die Staats- und Regierungschefs sollten diesen gesellschaftlichen Rückenwind nutzen und ein verbindliches Reduktionsziel festlegen.” Gleichzeitig wird deutlich, dass in vielen Ländern breite Unterstützung für weniger Plastikproduktion besteht, die jeweiligen Regierungen aber keine entsprechende Position vertreten.
Die weltweite Kunststoffproduktion hat sich in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt und erreicht über 500 Millionen Tonnen pro Jahr. Ohne drastische politische Regulierungen wird sie sich im Vergleich zu 2019 bis 2050 voraussichtlich fast verdreifachen und bis dahin mindestens 13 Prozent unseres weltweit noch verbleibenden Kohlenstoffbudgets verbrauchen, wenn wir die Klimaerhitzung unter 1,5 °C halten wollen.
Die Produktion von Plastik verbraucht weltweit enorme Mengen endlicher Ressourcen und verschmutzt zunehmend die Welt. Jährlich werden nach Angaben der Vereinten Nationen weltweit 400 Millionen Tonnen Plastikmüll produziert, davon werden nur neun Prozent recycelt. Laut Alfred-Wegener-Institut landen jede Minute umgerechnet zwei LKW-Ladungen an Plastikmüll im Meer. Plastik gefährdet Ökosysteme und Lebewesen: Selbst in der Arktis, dem Regen, der Atemluft und menschlichen Organen wird Mikroplastik gefunden. Wissenschaftler:innen warnen bereits vor den dramatischen Folgen des gegenwärtigen Plastik-Zeitalters.
“Die Plastikvermüllung gefährdet jeden Winkel unseres Planeten, Plastik ist allgegenwärtig”, so Jäger-Roschko. “Es stellt schon jetzt ein massives Problem für die Umwelt und unsere Gesundheit dar. Nur wenn in Zukunft weniger Plastik produziert wird, können wir die Plastikkrise noch stoppen. Das Abkommen bietet eine historische Chance, gemeinsam die Plastikverschmutzung einzudämmen und für eine Welt einzustehen, die auch morgen noch lebenswert ist.”
(Der Artikel wurde am 7. März 2022 erstveröffentlicht und zuletzt am 8. November 2024 aktualisiert.)