Antibiotikaresistente Keime in Schlachthof-Abwässern
- Recherche
Recherchen belegen, dass mit Abwässern aus Schlachthöfen antibiotikaresistente Keime in die Umwelt gelangen. Das kann dazu führen, dass Antibiotika beim Menschen nicht mehr wirken.
Auf den ersten Blick sieht es ganz harmlos aus. Wasser plätschert aus einem schmalen Rohr in einen Fluss oder einen Bach. Doch die Proben, die Rechercheure und Rechercheurinnen von Greenpeace aus diesen Einleitungen genommen haben, sind alles andere als harmlos. Sie stammen aus verschiedenen Schlachthöfen in Deutschland und tragen antibiotikaresistente Keime in sich.
Das ist problematisch. Denn resistente Keime in der Umwelt gefährden die Wirkung von Antibiotika, dem wichtigsten Heilmittel im Kampf gegen bakterielle Infektionskrankheiten. Die Proben sind ein weiterer Beweis dafür, wie gefährlich die industrielle Massentierhaltung ist. „Schlachthöfe tragen dazu bei, dass Infektionskrankheiten immer schwerer zu behandeln sind“, sagt Greenpeace-Landwirtschaftsexpertin Christiane Huxdorff. „Wir alle sind von der ‚schleichenden Pandemie‘ der zunehmenden Unwirksamkeit von Antibiotika betroffen. Sie ist eine Folge der Massentierhaltung, die wir nur in den Griff bekommen, wenn deutlich weniger Tiere deutlich besser gehalten werden.“
Resistente Keime in fast allen Proben
Bei der Recherche wurden Abwasserproben aus vier Schlachtbetrieben in zwei Bundesländern genommen und analysiert. Unter anderem wurden Betriebe von Goldschmaus und Wiesenhof beprobt. Die Proben wurden an der Universität Greifswald analysiert.
35 der insgesamt 44 untersuchten Proben enthielten antibiotikaresistente Keime. Außerdem wurden in acht Proben Resistenzen gegen das wichtige Reserve-Antibiotikum Colistin nachgewiesen. Colistin ist eines der letzten Mittel gegen bestimmte Infektionskrankheiten beim Menschen.
Die Behandlung einiger Infektionskrankheiten wird durch die Resistenzen immer schwerer und ist in verschiedenen Fällen schon gar nicht mehr möglich. In Europa sterben schon jetzt jährlich etwa 33.000 Menschen an einer Infektion mit antibiotikaresistenten Erregern. Mediziner und Wissenschaftler warnen längst vor einem „postantibiotischen Zeitalter“. Umso wichtiger ist es deshalb, dafür zu sorgen, dass diese Resistenzen erst gar nicht entstehen und sich verbreiten.
Schlachthof-Betreiber, Politik und Handel in der Pflicht
Greenpeace-Rechercheur:innen nahmen die Abwasserproben im Januar und Februar 2022 und ließen sie an der Universität Greifswald analysieren. Alle beprobten Schlachtbetriebe leiten ihr Abwasser direkt in Gewässer der Umgebung ein und sind daher eindeutig als Verursacher der mikrobiellen Belastung des Wassers auszumachen. Kulturpflanzen können mit diesem Abwasser in Berührung kommen. So können die Keime in Nahrungsmitteln und Tierfutter landen. Ähnliche Werte wie bei den aktuellen Proben hatte Greenpeace bereits bei Probenahmen im Vorjahr gefunden. „Es ist besorgniserregend, dass die Werte trotz unserer Hinweise bis auf einen Standort weitgehend gleichgeblieben sind“, so Huxdorff.
Mit den Ergebnissen der Analysen belegt Greenpeace, dass nicht nur mit der Gülle aus den Ställen gefährliche resistente Keime in der Umwelt verbreitet werden, sondern auch über Abwasser. „Die massenhafte Produktion von Billigfleisch gefährdet nicht nur die menschliche Gesundheit durch die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen. Sie verursacht massenhaftes Tierleid, zerstört die Artenvielfalt, heizt die Klimakrise an und verstärkt durch die Verfütterung von wertvollem Getreide wie Weizen den Hunger in der Welt“, so Huxdorff. „Das System Billigfleisch gehört abgeschafft. Die Politik ist in der Pflicht, das zu regeln, mit strengen Vorgaben und Kontrollen und einer klaren Strategie zur Reduktion der Tierzahlen. Aber auch der Handel und die Gastronomie müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und Billigfleisch nicht mehr anbieten.“
Deshalb fordert Greenpeace:
- Eine Verpflichtung der Schlachthof-Betreiber zur Installation der wirkungsvollsten Filter- beziehungsweise Aufbereitungssysteme. Kontrolle der Abwässer auf Antibiotika-Resistenzen.
- Schluss mit dem massenhaften und ungezielten Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung. Stattdessen muss durch bessere Haltungsbedingungen und einem Verzicht auf Metaphylaxe (Gruppenbehandlung) die gezielte Behandlung erkrankter Tiere erfolgen.
- Ein Verbot des Einsatzes sogenannter Reserve-Antibiotika in der Tierhaltung: Diese Medikamente müssen für den Einsatz in der Humanmedizin reserviert bleiben.
- Antibiotika und multiresistente Keime in der Umwelt müssen einem bundesweiten, einheitlichen Monitoring unterworfen werden.
- Keine öffentliche Förderung von Gülletransporten und vergleichbaren Maßnahmen, die die Risiken der Verbreitung multiresistenter Keime vergrößern. Stattdessen eine gezielte Förderung landwirtschaftlicher Betriebe, die dem Leitbild einer flächengebundenen Tierhaltung folgen (mit auf Betriebsebene oder lokal geschlossenen Nährstoffkreisläufen).
(Dieser Text wurde am 13.05.2021 erstveröffentlicht und am 29.03.2022 mit neuen Ergebnissen aktualisiert.)