Atomwaffen bringen keinen Frieden
Weder weltweit noch die in Deutschland
Atombomben sind so schrecklich, dass es sie nur gibt, um sie hoffentlich nie einzusetzen. Über 12.000 Atomwaffen gibt es weltweit. Auch in Deutschland lagern welche.
- Überblick
Hiroshima und Nagasaki sind Synonyme für das Grauen, die Zerstörungsgewalt und das unermessliche Leid, was eine einzelne Atombombe auslösen kann. Unvorstellbar, dass über 12.000 solcher Bomben weltweit existieren. Zu Beginn des Jahres 2024 gab es laut Statista rund 12.121, verteilt auf auf neun Staaten. Das ist zwar weniger als auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, aber immer noch genug, um die Menschheit auf der Erde mehr als einmal auszurotten. Dass der weltweite Gesamtbestand an Atomwaffen etwas abnimmt, stellt übrigens keine Abrüstung dar: Es wird nur modernisiert. Die Zahl der einsatzbereiten Sprengköpfe erhöht sich, auch steigen weltweit die Budgets für die Modernisierung der Waffen.
Die meisten der Atomwaffen - laut ICAN 89 Prozent - gehören den USA oder Russland. Fast 3.800 sind sofort einsatzfähig, geschätzte 2.000 davon sogar in ständiger Höchstalarmbereitschaft (Launch-On-Warning), das heißt, sie können ihr Ziel binnen weniger Minuten erreichen. Alle andere befinden sich in Reserve, im Lager oder sind für die Abrüstung vorgesehen.
Atomwaffen weltweit
Die neun Länder, die im Besitz von Atomwaffen sind, teilen sich dabei in zwei Gruppen: Es gibt zum einen die fünf „offiziellen“ Atomwaffenstaaten, die durch den Atomwaffensperrvertrag (NPT) der vereinten Nationen anerkannt sind. Das sind die USA, Russland, Frankreich, China und Großbritannien. Sie waren bereits vor 1967 im Besitz von Atomwaffen, sind die fünf Vetomächte im UN-Sicherheitsrat und haben immer wieder, zuletzt 2022, Verträge und Absichtserklärungen unterzeichnet unterzeichnet, dass sie trotz ihrer Atomwaffen einen Atomkrieg vermeiden und das Wettrüsten eigentlich beenden wollen.
Daneben gibt es vier „De-Facto“-Atomwaffenstaaten, die nicht Mitgliedstaaten des Atomwaffensperrvertrags sind und die den UN-Verträgen über Abrüstung und zum Bann eines Atomkrieges nicht beigetreten sind. Das sind Israel, Pakistan, Indien und Nordkorea. Auch vom Iran wird vermutet, ein Atomwaffenprogramm zu betreiben oder anzustreben.
Ein paar wenige erfreuliche Beispiele gibt es aber auch: Südafrika war im Besitz von Atomwaffen, gab das Atomwaffenprogramm aber auf, vernichtete alle sechs Atomwaffen 1991 und trat dem Atomwaffensperrvertrag bei. Und die Ukraine, Kasachstan und Belarus verzichteten im Zuge der Auflösung der Sowjetunion auf die auf ihren Territorien stationierten sowjetischen Atomwaffen.
Riskantes Natomanöver Oktober 2024
Steadfast Noon
Mit dem Manöver Steadfast Noon üben NATO-Kampfjets in Europa, wie sie US-Atombomben ans Ziel bringen. Bei der Übung vom 14. Bis 24. Oktober 2024 über Nord- und Ostsee nehmen zum ersten Mal auch finnische und schwedische Kampfjets teil.
Laut Presseberichten werden auch US-Langstreckenbomber vom Typ B-52 und Tankflugzeuge teilnehmen, um die Koordination von Flugzeugen verschiedener Nationen zu proben.
Die teilnehmenden Flugzeuge habe unterschiedliche Rollen mit speziellen Aufgaben: Mit dabei sind Aufklärer und Tankflugzeuge, außerdem konventionell bewaffnete Jets, Langstreckenbomber und schließlich deutsche Tornados oder italienische F35, die im Krisenfall mit den in Deutschland liegenden US-Atombomben bestückt werden würden.
Die nicht mit Atomwaffen ausgerüsteten Flugzeuge trainieren den „SNOWCAT“ , d.h. den „Support of Nuclear Operations with Conventional Air Tactics“ – also die Unterstützung der atomar bewaffneten Operationen mit konventioneller Taktik. Das kann bedeuten, Radar- oder Flugabwehrsysteme auszukundschaften und zu zerstören oder feindliche Jets davon abzuhalten, einzugreifen.
Dieses Manöver mit dutzenden Flugzeugen und hunderten Flugstunden sowie massenhaft Starts und Landungen bedeutet nicht nur eine hohe Umweltverschmutzung, es ist auch höchst gefährlich. Russland hat seine Nukleardoktrin verändert und droht immer wieder mit dem Einsatz von Atomwaffen. Angeblich als Antwort auf die auch im Westen umstrittene nukleare Teilhabe hat Russland Atomwaffen in Belarus stationiert.
In dieser Situation mit dutzenden Flugzeugen einen atomaren Erstschlag mit Atomwaffen zu üben, birgt große Risiken - gerade in der Ostseeregion, wo es laut Presseberichten alleine 2024 über 300 Mal zu Begegnungen und dem „Abfangen“ jeweils gegnerischer Flugzeuge gekommen ist. Wenn es hier zu Missverständnissen kommt, könnten diese schlimmstenfalls zu einer Eskalation des Konflikts zwischen Russland und den beteiligten NATO-Staaten führen.
Taktische Atomwaffen und die ganz große Bombe
Prinzipiell muss dabei unterschieden werden zwischen so genannten taktischen Atomwaffen, häufig auch Gefechtsfeldwaffen genannt, und richtig großen Atombomben, auch strategische Atomwaffen genannt. Letztere können mit Interkontinentalraketen tausende Kilometer weit fliegen und ganze Städte auslöschen. Auf ihnen basiert das sogenannte “Gleichgewicht des Schreckens”: Es sind die Atombomben, deren Einsatz so furchtbar und verheerend ist, dass sie hoffentlich nie eingesetzt werden und quasi nur zur Abschreckung da sind.
Taktische Atomwaffen haben eine deutlich geringere Sprengkraft und auch eine geringere Reichweite. Das macht ihren Einsatz zwar weniger verheerend, dafür aber auch wahrscheinlicher. Seit dem völkerrechtswidrigen Einmarsch Russlands in die Ukraine droht Russland immer wie der offen oder versteckt mit dem Einsatz von Atombomben. Gerade der von taktischen Atomwaffen ist dabei nicht ganz unwahrscheinlich, auch wenn bis heute zum Glück den Drohungen noch keine Taten gefolgt sind.
Nukleare Teilhabe und die fast deutschen Atombomben
In Europa befinden ca. 700 Atombomben. Das sind außer denen in Frankreich und Großbritannien auch ca. 180 US-Atomwaffen, die im Rahmen der nuklearen Teilhabe der NATO in Europa stationiert sind. Sie lagern auf dem Territorium von Belgien, Niederlande, Italien, der Türkei - und Deutschland.
Formal gehören die Atombomben zwar den USA. Doch de facto wären es Bomben von deutschem Boden. Eigentlich darf Deutschland nach den Gräueltaten im dritten Reich in Friedenszeiten keine Atomwaffen besitzen. Das ist im Zwei-Plus-Vier-Vertrag zur Wiedervereinigung und im Nichtverbreitungsvertrag NVV, festgelegt.
Doch auf einem Luftwaffenstützpunkt der Bundeswehr im rheinland-pfälzischen Büchel lagern circa 20 US-amerikanische Atombomben in mehreren unterirdischen Bunkern. Jede hat eine Sprengkraft, die bis zu 13 Hiroshima-Bomben entspricht. Die Grundlage dafür ist die sogenannte erweiterte nukleare Teilhabe innerhalb der Nato: Staaten ohne eigene Atomwaffen lagern die Sprengköpfe auf ihrem Staatsgebiet und stellen die Infrastruktur für einen nuklearen Angriff zur Verfügung, wie etwa Flugplätze und Flugzeuge. Und auch Piloten. Im Ernstfall würden deshalb deutsche Piloten US-Atomwaffen in deutsche Flugzeuge laden, von Deutschland aus starten und dann über einem anderen Land selbst abwerfen.
Über die Details der Stationierung wie etwa die Kosten oder die vertraglichen Grundlagen, erfährt die deutsche Öffentlichkeit wenig. Mit der Hintergrundstudie „Kernwaffen in Deutschland“ bündelt Greenpeace einige Fakten.
Die Stationierung setzt die Bevölkerung vor Ort aber auch in ganz Deutschland einem hohen Risiko aus. Denn wenn von deutschem Boden aus Atomangriffe gestartet werden, ist dies bedrohlich für andere Länder. Um das zu verhindern, können diese Länder versuchen, die Stationierungsorte präventiv anzugreifen. Deutschland ist also (nur) durch die Waffen ein Ziel für einen atomaren Angriff.
Greenpeace fordert, dass Deutschland die „ nukleare Teilhabe“ sofort beenden und den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen
Die Gefahr eines Atomangriffs ist real
Unterdessen ermöglicht eine neue Generation von kleineren, lenkbaren Atombomben einen viel flexibleren Einsatz, zielgenau auf 30 Meter. “Smarte” Atomwaffen werden sie zynischerweise genannt. Auch die 20 derzeit in Deutschland stationierten Atombomben sollen perspektivisch gegen diesen neuen Bombentyp ausgetauscht werden. Mit den neuen Waffen erscheint ein Atomangriff vermeintlich kalkulierbar und damit auch eher vertretbar: Die Schwelle sinkt, die Bomben tatsächlich einzusetzen. Das gilt auch für Länder, die Deutschland präventiv angreifen könnten. Solche angeblich regional begrenzten Atomwaffeneinsätze und auch der Ersteinsatz von Atomwaffen werden von Nato und USA nicht ausgeschlossen und könnten auch von Deutschland aus erfolgen. Tatsächlich schätzen Expertinnen und Experten das Risiko für einen Atomangriff derzeit als ebenso hoch ein wie zur Zeit des Kalten Krieges und höher: Die Doomsday Clock, die Atomkriegsuhr, steht seit einem Jahr symbolisch auf 90 Sekunden vor Mitternacht. So nah wie selten zuvor. Ein Atomkrieg lässt sich jedoch niemals begrenzen, weder regional noch in seiner zerstörerischen Wirkung.
Warum setzt die Regierung die Bevölkerung einem solchen Risiko aus? Befürworterinnen und Befürworter argumentieren, dass Deutschland sein Mitspracherecht in der Nato verlieren würde, wenn es die Stationierung der Bomben beendete. Doch tatsächlich ist dieses Recht im Nato-Statut nicht an die Stationierung von Atomwaffen gebunden. Nato-Länder wie Kanada und Griechenland haben die nukleare Teilhabe komplett beendet und die bei ihnen gelagerten US-Atomwaffen abziehen lassen - und sind dennoch weiter in allen Nato-Gremien vertreten. Die Bundesregierung kann und muss daher die erweiterte nukleare Teilhabe sofort beenden, wenn sie die Menschen hier wirklich schützen und den Willen der Bevölkerung achten will. Praktisch wäre der Abzug der Bomben innerhalb weniger Wochen möglich.
Die Menschen wollen keine Atomwaffen
Der am 22. Januar 2021 in Kraft getretene UN-Atomwaffenverbotsvertrag bietet dazu eine große Chance. Er verbietet den unterzeichnenden Staaten Atomwaffen zu entwickeln, zu testen, zu produzieren, zu besitzen - und auch zu lagern. In einer historischen Leistung der Weltgemeinschaft wurde er 2017 von 122 Staaten unterzeichnet. Doch Deutschland ist bisher nicht dabei, wohl auf Druck der USA und aus der Nato. Denn seit 2010 definiert sich die Nato explizit als nukleares Bündnis. Darüber hat es aber nie eine Befragung oder Abstimmung gegeben.
Der Atomwaffenverbotsvertrag ist zwar völkerrechtlich nur für die Unterzeichnerinnen bindend, und die Atomwaffen besitzenden Staaten gehören nicht dazu. Dennoch wird er eine globale Wirkung entfalten. Die Erfahrung mit den vergleichbaren Bio- und Chemiewaffenkonvention zeigt, dass auch die Nicht-Unterzeichnerstaaten und vor allem Firmen weltweit die Regelungen beachten. Deshalb ist es unhaltbar, dass Deutschland diesen wichtigen Schritt zu mehr Frieden und Sicherheit bisher nicht unterstützt.
Auch die deutsche Bevölkerung will keine Atomwaffen in ihrem Land: 84 Prozent sprachen sich bei einer repräsentativen Umfrage im Juli 2020 für den Abzug aus. 92 Prozent sind dafür, dass Deutschland den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet. Bereits 2010 forderte auch der Deutsche Bundestag mit den Stimmen von SPD, CDU und CSU die Regierung auf, sich für den Abzug der Bomben einzusetzen. Passiert ist bis heute nichts.
Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat klar gemacht: Sicherheit ist weltweit nicht gegeneinander, sondern nur miteinander erreichbar. Deutschland darf sich daher in keiner Weise mehr an der Entwicklung oder dem Einsatz von Atomwaffen beteiligen. Die Bundesregierung muss ihr dem Kalten Krieg verhaftetes Abschreckungsdenken überwinden und den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen und ratifizieren.
Häufige Fragen zu Atomwaffen
Wer hat die meisten Atombomben auf der Welt?
Russland und die Vereinigten Staaten verfügen zusammengerechnet über knapp 90 Prozent aller Atomwaffen weltweit. 2024 hatte Russland 5580 Atombomben und die USA 5044. Von den fast 3800 sofort einsatzfähigen Sprengköpfen gehören 1770 den USA und 1674 Russland. China besitzt 410. In Europa liegen rund 700 Atombomben, wenn man die von Großbritannien, Frankreich und die über die nukleare Teilhabe in Europa stationierten US-Atombomben zusammenzählt.
Wie viele Atombomben gibt es?
Zu Beginn des Jahres 2024 gab es laut Statista rund 12.121 weltweit. Fast Prozent gehören den USA oder Russland. Fast 3.800 davon sind sofort einsatzfähig, geschätzte 2.000 befinden sich sogar in ständiger Höchstalarmbereitschaft, das heißt, sie können ihr Ziel in kürzester Zeit erreichen. Die andere befinden sich im Lager, in Reserve,oder sind für die Abrüstung vorgesehen.
Was ist eine Strategische Atomwaffe?
Strategische Atomwaffen dienen der nuklearen Abschreckung, weil ihre Vernichtungsgewalt so verheerend ist, dass sie hoffentlich nie eingesetzt werden. Sie können mit Hilfe von Interkontinentalraketen Ziele in mehreren Tausend Kilometer Entfernung treffen und haben ein Vielfaches der Zerstörungskraft der 1945 über Hiroshima und Nagasaki abgeworfenen Atombomben. Sie können ganze Städte auslöschen.
Was ist eine taktische Atombombe?
Taktische Atomwaffen unterscheiden sich von strategischen Atomwaffen vor allem in ihrer Zerstörungskraft und Reichweite. Diese “kleinen Atombomben" sind für den Einsatz in einem Kampfgebiet konzipiert und werden daher oft auch als "Gefechtsfeldwaffen" bezeichnet. Sie könnten - je nach gewählter Variante - in relativer Nähe zu Stellungen eigener Truppen und daher ähnlich wie konventionelle Waffen in einer Schlacht eingesetzt werden. Die zerstörerische Wirkung wäre aber deutlich größer als bei gewöhnlichen Artilleriegeschossen. Die große Gefahr der taktischen Atomwaffen ist, dass ihre kleinere Zerstörungskraft es wahrscheinlicher macht, dass z.B. ein Putin sie doch mal in einem Krieg wirklich einsetzt.