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Ein toter Zwergwal, festgebunden am japanischen Fangschiff Yushin Maru, Dezember 2005
Kate Davison / Greenpeace

Den Haag fällt Urteil über bestehenden wissenschaftlichen Walfang im Südpolarmeer

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Japan muss seine Jagd auf Wale in der Antarktis beenden. Das hat der Internationale Gerichtshof entschieden. Australien hatte den Fall vor Gericht gebracht. Das Urteil ist bindend.

Die Internationale Walfangkommission verbietet die kommerzielle Waljagd, allein Norwegen, Island und Japan halten sich nicht an das Verbot. Die japanische Walfangindustrie nutzte bisher ein Schlupfloch und berief sich darauf, Wale zu Forschungszwecken zu erlegen. Die Richter in Den Haag entschieden nun, dass die Kriterien für einen wissenschaftlichen Walfang nicht erfüllt seien. So wäre zum Beispiel die Qualität der Daten nicht gut genung. Zudem hätte geprüft werden müssen, ob die Forschung auch an lebenden Tieren hätte stattfinden können.



Wir haben mit unserem Meeresexperten Thilo Maack über die Bedeutung des Urteils gesprochen.



Online-Redaktion: Japan hat erklärt, sich dem Urteil zu beugen. Glaubst du, dass das auch in ein paar Jahren noch so sein wird?



Thilo Maack: Wir waren alle überrascht, dass die japanische Seite sofort gesagt hat, sie werde das Urteil akzeptieren und den Walfang im Südpazifik beenden.Allerdings gibt es einige Möglichkeiten, wie Japan weiter Wale jagen kann. Zum Beispiel können sie das Wissenschaftsprogramm im Nordpazifik so anpassen, dass sie dort viel mehr Wale schießen. Oder sie können weiterhin Küstenwalfang machen, also direkt an der japanischen Küste in ihren territorialen Gewässern. Dort würden dann Minkewale eines bedrohten Bestands geschossen.



Online-Redaktion: Erlaubt das Urteil Schlupflöcher? Könnte das japanische Walfangprogramm so überarbeitet werden, dass es den wissenschaftlichen Kriterien für die Antarktis entspricht?



Thilo Maack: Japan kann ein neues Wissenschaftsprogramm aufsetzen, welches der wissenschaftlichen Fragestellung genügt. Und dann können sie in der Antarktis auch wieder Wale harpunieren.



Online-Redaktion: Aber es ist doch so, dass sie das Walfleisch gar nicht richtig losgeworden sind. Gemunkelt wurde auch schon, dass die Japaner aus Stolz den Walfang nicht beenden würden. Könnte das Urteil nicht auch eine Chance sein, aus dem Walfang ohne Gesichtsverlust herauszukommen. Was sagen die japanischen Greenpeace-Kollegen dazu?



Thilo Maack: Ja, das könnte so sein. Es ist ohnehin seit Jahren eine Minuswirtschaft. Greenpeace Japan war sehr erfolgreich darin, der japanischen Bevölkerung vor Augen zu führen, dass es letztendlich um ihre Steuergelder geht, die benutzt wurden, um die Walfangflotte in Fahrt zu halten. Wirtschaftlich trägt sich dieses Unternehmen überhaupt nicht mehr. Es gibt sehr viele Leute in Japan, die überhaupt nicht wissen, dass Japan in der Antarktis Wale fängt. Weit weniger als zehn Prozent der Japaner essen hin und wieder Walfleisch. Die Tradition, Walfleisch zu essen, gibt es nur in einigen Küstenorten. Das ist so wie Labskaus in Hamburg.



Online-Redaktion: Wie groß schätzt du vor diesem Hintergrund die Gefahr ein, dass der Walfang in anderen Gebieten ausgeweitet wird?



Thilo Maack: Es ist davon abhängig, welche Kräfte sich in Japan durchsetzen. Wenn die ewig Rückwärtsgewandten sich durchsetzen wie in der Vergangenheit, dann kann ich mir schon vorstellen, dass so ein Programm zustande kommt. Aber wir hoffen sehr auf die fortschrittlichen Kräfte, die offensichtlich auf die Entscheidung in Den Haag reagiert und gesagt haben: Wir steigen in der Antarktis aus.



Online-Redaktion: Aber wer soll denn das Walfleisch kaufen?



Thilo Maack: Das ist genau der Punkt, es gibt überhaupt keinen Markt dafür in Japan. Während wir hier sprechen, ist ein Walfleischtransport von Island nach Japan unterwegs: 2.000 Tonnen Finnwalfleisch werden transportiert. Die kommen auf einen Markt, der ohnehin komplett übersättigt ist. Und dann wird man zu Lösungen kommen wie im vergangenen Jahr, wo aus bedrohten Finnwalen Hundefutter gemacht wurde. Es ist absolut inakzeptabel.



Online-Redaktion: Wenn wir den Walfang insgesamt betrachten. Wie vielen Walen ist durch das Urteil geholfen?



Thilo Maack: Die Japaner haben sich selbst in der Antarktis eine Quote gesetzt von 880 Minkwalen +/- zehn Prozent, also 950 Tieren, plus 50 Finnwalen. Aber diese Quote wurde seit Jahren nicht erreicht. Die Antarktis ist eines der letzten Schutzgebiete für Wale - es ist ohnehin ein Walschutzgebiet, ausgerufen durch die Internationale Walfangkommission. Ein Großteil der Walarten kommt dort vor, Minkewale zum Beispiel in sehr großen Beständen. Die Blauwalpopulation, die früher 400.000 Tiere ausgemacht hat, ist auf wenige hundert Tiere zusammengeschmolzen.



Online-Redaktion: Haben die Arten jetzt eine Chance, sich zu erholen?



Thilo Maack: Sie haben zumindest eine Chance, sich vom Walfang zu erholen und das ist schon mal ein Riesengewinn. Neben der Tatsache, dass hier für die Wale entschieden wurde, ist es ein Riesenerfolg für die Umweltbewegung generell und für den Schutz der Meere.



Online-Redaktion: Hat das Urteil auch Auswirklungen auf das jährliche Delfinschlachten?.



Thilo Maack: Leider nein. Die Internationale Walfangkommission verhandelt ausschließlich die 13 Großwalarten und dazu gehören nicht die Delfine, die zum Beispiel in Taiji abgeschlachtet werden oder die Pilotwale auf den Färöern.

 

  • Archivbild: Das japanische Walfangschiff Yushin Maru No.2 auf der Jagd nach Minkewalen im Südlichen Ozean

    Reif fürs Museum

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  • Junichi Sato von Greenpeace Japan protestiert vor dem "Nisshin Maru", einem Fabrikschiff der japanischen Walfangflotte.

    Waleschützer Junichi Sato

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  • An Bord der "Nisshin Maru", einem Fabrikschiff der japanischen Walfänger. Das Banner weist darauf hin, dass der japanische Walfang im Dienste der Wissenschaft stehe. Die Richter des Internationalen Gerichtshofes sahen dies am 31.3.2014 nicht so und sprach

    Getötet im Dienste der Wissenschaft?

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