Wolfsburg, we have a problem
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VW steckt tief in der Glaubwürdigkeitskrise: Umweltschützer forderten heute Morgen vom Aufsichtsrat endlich Transparenz bei Abgastests und verlässliche CO2-Vereinbarungen.
In seiner Reklame präsentiert sich der Volkswagen-Konzern gerne als Maß aller Dinge – zumindest der automobilen: Was bei ihm vom Laufband fährt, bewirbt VW mit dem schlichten und markigen Etikett „Das Auto.“ Greenpeace-Aktivisten finden allerdings, dass ein anderer Begriff die Produkte des Fabrikanten derzeit deutlich treffender umschreibt. Deswegen hängten sie heute Morgen über das Wolfsburger Werkstor ein Riesenbanner mit der Aufschrift: „Das Problem.“
Auch das VW-Logo am Haupteingang erhielt ein kurzfristiges Update und zeigte zur Begrüßung des Aufsichtsrats, der heute zusammentritt, ein CO2-Zeichen. Hintergrund der Protestaktion sind die Täuschungen und Manipulationen, die in den vergangenen Wochen ans Licht gekommen sind. Nach dem Skandal um manipulierte Stickoxidtests gab VW zu, auch den CO2-Ausstoß seiner Fahrzeuge falsch angegeben zu haben. Die Umweltschützer fordern von der Konzernspitze mehr Transparenz bei Abgastests und endlich vertrauenswürdige Zahlen.
Autoindustrie tritt beim Klimaschutz auf der Stelle
Denn bisherige Versprechungen sind nach jetziger Erkenntnis kaum noch etwas wert: „VW hat sich 2012 gegenüber Greenpeace verpflichtet, den CO2-Flottenwert bis zum Jahr 2020 auf 95 Gramm zu reduzieren“, sagt Daniel Moser, Greenpeace-Experte für Verkehr. „Mir ist schleierhaft, wie der Konzern das schaffen will, wenn nicht einmal konkrete Daten vorgelegt werden.“
Das ist symptomatisch. Ausgerechnet Deutschlands Vorzeigeindustrie tritt beim Klimaschutz auf der Stelle: Die Autohersteller haben es bislang nicht geschafft, die CO2-Emissionen ihrer Kraftwagen entscheidend zu senken. Die Fahrzeuge werden zwar leistungsfähiger, stoßen aber immer noch genauso viele Schadstoffe aus wie ihre Vorgängermodelle.
Positivbeispiel Dänemark
Die Täuschungen von VW haben dabei das Vertrauen in die gesamte Autoindustrie nachhaltig erschüttert. Doch die Krise birgt auch die Chance für eine Wende in der Verkehrspolitik. „Während die deutsche Energiewende international immer mehr zum Vorbild und Exportfaktor wird, fehlt ein ähnliches Konzept im Verkehr“, so Moser. „Dabei sind Lösungen seit Jahren verfügbar.“
Sehr anschaulich wird das zum Beispiel in Kopenhagen. Seit 1998 haben dort viele Bürger aufs Fahrrad umgesattelt, die per Pedale zurückgelegten Kilometer sind bis heute um 30 Prozent gestiegen. Dänemark gelang das durch den starken Ausbau des Radwegenetzes und auch des öffentlichen Nahverkehrs. Fußgänger haben Vorrang, und die städtebauliche Verknüpfung von Wohnen und Arbeiten wurde gefördert. Das ist nicht nur für die Atemwege gesünder – die Lebensqualität steigt insgesamt, wenn der Autoverkehr in den Städten sinkt.