Greenpeace-Aktivisten demonstrieren vor VW-Hauptversammlung für mehr Klimaschutz
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Zur Hauptversammlung der VW-Aktionäre erinnert Greenpeace den Autobauer an seine Verantwortung fürs Klima. Eine einfache Rechnung zeigt: Er wird ihr nicht annähernd gerecht.
Freunden gibt man ein gutgemeintes „Bleib sauber!“ mit auf den Weg, für Volkswagen käme der Ratschlag reichlich spät. Greenpeace-Aktivisten forderten heute Morgen darum vor der VW-Hauptversammlung: „Sauber werden!“ Und selbst das ist für den Konzern offenbar eine schwierige Aufgabe. Auch zweieinhalb Jahre nachdem bekannt wurde, dass das Unternehmen Abgaswerte manipulierte, ist der Dieselskandal nicht annähernd aufgeklärt.
Während der neue VW-Chef Herbert Diess im Berliner CityCube 5000 Aktionären Rede und Antwort stand, demonstrierten Umweltschützer vor dem Gebäude für einen schnelleren Umstieg auf saubere, klimafreundliche Autos. Als weltweit größter Autobauer hat VW eine entsprechende Verantwortung für das Klima – denn der Autoverkehr verursacht einen großen Teil klimaschädlicher CO2-Emissionen, 2015 waren es für Deutschland rund 18 Prozent des Gesamtausstoßes.
Für wie viel CO2 ist VW verantwortlich?
Dabei greift die Frage zu kurz, wie viel CO2 die Fahrzeuge von Volkswagen und anderen Herstellern pro Jahr in Deutschland produzieren. Schließlich geht der Großteil der in Deutschland gebauten Autos ins Ausland – und fährt auch dort viele, viele Jahre mit klimaschädlichen Brennstoffen. Die eigentliche Frage lautet also: Wie viel CO2 verursachen die in einem Jahr produzierten Fahrzeuge über ihre gesamte Nutzungsdauer? Die Antwort darauf liefert deutlich andere Zahlen, denn so ein Auto hat ein langes Leben: Im Schnitt rechnet man damit, dass es vor der Verschrottung 250.000 bis 300.000 Kilometer hinter sich bringt – und entsprechend viele Abgase ausstößt.
Aus dieser Überlegung ergeben sich Vergleichsgrößen in bemerkenswerten Dimensionen: Um diesen CO2-Ausstoß ins Verhältnis zu setzen, muss man schon die Emissionen von Industrieländern heranziehen. Eine aktuelle Greenpeace-Kalkulation rechnet exemplarisch vor: Alle 2017 von Volkswagen verkauften Fahrzeuge – das sind rund zehn Millionen – werden zusammen am Ende ihres Betriebszyklus knapp 305 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen haben, bei einer konservativen Annahme von 250.000 zurückgelegten Kilometern. Das ist mehr als Spaniens CO2-Ausstoß in einem Jahr.
Bei der herkömmlichen Rechnung – also: Wie viel CO2 produzieren die 2017 von VW hergestellten Autos in einem Jahr? – landet man bei immer noch beeindruckenden 16 Millionen Tonnen: ungefähr dem jährlichen Kohlenstoffdioxidausstoß von Kroatien. Wohlgemerkt: zusätzlich zum Ausstoß all der noch laufenden älteren VW. Das Klima rettet der Autobauer so nicht.
Vision ohne Weitsicht
Öffentlich inszeniert sich der Konzern der Zukunft zugewandt: Bis 2025 will VW 25 Prozent seiner weltweit verkauften Autos mit Elektroantrieb ausliefern. Doch damit ist Volkswagen alles andere als visionär. Im Gegenteil: Das Unternehmen unterläuft sogar die Vorgaben der Bundesregierung. In den kommenden zwölf Jahren muss der Verkehr seinen CO2-Ausstoß um mindestens 40 Prozent senken. Das hat die Bundesregierung in einem Klimaschutzplan festgelegt, der im kommenden Jahr als Klimagesetz festgeschrieben wird. Ein Viertel E-Autos ab 2025 wird dafür nicht reichen.
Das Umweltbundesamt hat vorgerechnet, dass zwölf Millionen Diesel und Benziner bis 2030 durch Elektro-Autos ausgetauscht werden müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Doch dazu müsste ein Drittel aller Neuanmeldungen Elektroautos sein – ab sofort. Die Realität sieht anders aus: Im vergangenen Jahr war es ein Hundertstel. Dem müssen die Autokonzerne entgegenwirken.
Chancen für eine neue Mobilität
„Wenn VW im Jahr 2025 noch drei von vier Autos mit Verbrennungsmotor ausliefert, dann produziert der Konzern gegen den Klimaschutz, gegen den Markt und damit auch gegen die Sicherheit seiner Arbeitsplätze“, sagt Niklas Schinerl, Greenpeace-Experte für Mobilität. Für die Verkehrswende braucht es nicht nur sauberere Autos, sondern auch weniger dieser Fahrzeuge insgesamt – und entsprechend andere Geschäftsmodelle für die Branche. Weg vom Individualverkehr, hin zu neuen Mobilitätskonzepten, dank denen viele Menschen mit geringen Emissionen maximal beweglich bleiben. Hier liegt eine Chance für die Autoindustrie.
Denn der Verbrennungsmotor, der in den vergangenen Jahrzehnten für gute Geschäfte sorgte, hat ausgedient. China, der weltgrößte Automarkt, führt eine schrittweise steigende Quote für E-Autos ein. Städte wie Paris, Rom, Madrid oder Athen lassen künftig keine Dieselautos mehr zu. Norwegen will bereits 2025 gar keine neuen Verbrenner mehr zulassen, Frankreich ab 2040, und Großbritannien diskutiert, den angekündigten Ausstieg zehn Jahre vorzuziehen auf 2030. Im internationalen Vergleich geben Deutschland und seine Automobilbranche derzeit ein besorgniserregendes Bild ab: Aus „Vorsprung durch Technik“ droht „Rückstand durch Nostalgie“ zu werden.