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Porträt Roland Hipp
Daniel Müller / Greenpeace

Verbrennungsmotor abschaffen: Offener Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel

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Verbrennungsmotoren schaden der Umwelt – und der Gesundheit des Menschen. Greenpeace-Geschäftsführer Roland Hipp appelliert an die politische Verantwortung der Bundeskanzlerin. 

In der deutschen Autoindustrie steckt Innovationspotenzial, auch zum Wohle der Umwelt. Der Wille zur Erneuerung ist allerdings nicht zu spüren, die deutschen Fahrzeughersteller halten krampfhaft am Verbrennungsmotor fest. Damit schaden sie der Umwelt, der Gesundheit der Bevölkerung und letztlich ihrem eigenen Geschäft. In einem offenen Brief wendet sich Roland Hipp, Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland, an Bundeskanzlerin Angela Merkel: Wenn die Autoindustrie nicht aus eigenem Antrieb bereit ist vom Verbrennungsmotor zu lassen, muss die Regierung sie dazu veranlassen – und damit den Schaffensdrang der Branche wecken.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

seitdem der größte Industrieskandal der Bundesrepublik im September 2015 ins Rollen kam, scheint das Ausmaß des Abgasbetrugs der deutschen Autohersteller immer noch größer zu werden. Inzwischen gesellt sich der womöglich größte Kartellskandal der Nachkriegsgeschichte hinzu. Etwas ist grundlegend faul in Deutschlands Schlüsselindustrie. Nach knapp zwei Jahren braucht es nun Ihr Eingreifen, um dies zu ändern.

Die von den Herstellern mindestens illegitim oder sogar illegal manipulierten Abgaswerte von Millionen von Diesel-Pkw stellen eine massive und zudem vermeidbare Gesundheitsgefahr dar. Die oft um ein Vielfaches über den Grenzwerten liegenden Stickoxidwerte der Fahrzeuge haben zu gefährlich hohen Schadstoffwerten in deutschen Städten geführt. Das Atemgift Stickstoffdioxid führt alleine in Deutschland zu mehr als 10.000 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr. Diese hohe Zahl ist nicht hinnehmbar.

Die Ursache des Problems sind vornehmlich Dieselautos, die zwar im Prüflabor die Grenzwerte einhalten, im Straßenalltag jedoch ein Vielfaches ausstoßen. Viele Modelle drosseln die Abgasreinigung im regulären Betrieb stark oder schalten sie ganz aus. Laut jüngster Berichte haben die fünf großen deutschen Autobauer VW, Daimler, BMW, Audi und Porsche in Geheimsitzungen vereinbart, aus Kostengründen nur sehr kleine Tanks für das Abgasreinigungsmittel Ad Blue zu verbauen. Die Abgase durchgängig zu reinigen, ist den Herstellern entweder nicht möglich – oder aber zu teuer. Beide Fälle lassen es mehr als fraglich erscheinen, ob der Dieselmotor, dieser europäische Sonderweg, eine Zukunft hat.

Überleben könnte der Dieselmotor allein dann, wenn er auch auf der Straße die Grenzwerte für Stickoxide einhält. Davon aber sind bislang selbst die modernsten Euro-6-Motoren meilenweit entfernt. Ihre Emissionen liegen im realen Gebrauch im Durchschnitt um 700 Prozent über dem erlaubten Wert, wie der Forscherverbund ICCT Anfang des Jahres errechnet hat. Software- Updates können diese gravierenden Überschreitungen bestenfalls graduell mindern, beheben können sie sie nicht. Bei dem von Ihrem Kabinettskollegen Dobrindt geplanten „Diesel-Gipfel“ am 2. August will die Autoindustrie Software-Updates anbieten, um dadurch drohende Fahrverbote zu verhindern. Dieser Kuhhandel kann nicht gelingen. Neue Motorsoftware alleine wird die Luftprobleme in deutschen Städten nicht lösen. Entsprechend ist die Veranstaltung schon jetzt zum Scheitern verurteilt.

Auch ist der Fokus des Gipfels falsch gewählt. Statt sich an Wiederbelebungsversuchen einer sterbenden Antriebstechnik abzumühen, muss die zentrale Frage des „Nationalen Forum Diesel“ lauten: Wie lässt sich die Gesundheit von hunderttausenden Stadtbewohnern schnell schützen?

Die geplante Besetzung lässt uns stark daran zweifeln, dass diese Frage ernsthaft gestellt wird. Ohne das Umweltbundesamt, ohne Lungenfachärzte, ohne Umweltverbände, ohne unabhängige Gutachter sitzt den Autobossen niemand gegenüber, der kompetent zu den Folgen des Dieselskandals für Mensch und Umwelt sprechen könnte. Die Besetzung lässt vielmehr vermuten, dass es dem Verkehrsminister nicht um den Gesundheitsschutz der Bürger geht, sondern um die Rettung des Dieselmotors. Dies zeigt sich auch durch seine vehemente und fortwährende Blockade einer bundesweit einheitlichen „Blauen Plakette“. Diese böte den Kommunen schnelle und wirksame Hilfe, um die dreckigsten Diesel aus den Innenstädten zu halten. Indem Minister Dobrindt das wirksamste Instrument der Luftreinhaltung vorzeitig ausschließt, ist eine ergebnisoffene Debatte über den Weg zu mehr Gesundheitsschutz unmöglich.

Frau Bundeskanzlerin, Sie haben unlängst in der Wirtschaftswoche bereits ausgesprochen, was ihr Verkehrsminister konsequent ignoriert: „Wir sind in einer Transformationsphase weg vom Verbrennungsmotor.“ Offen lassen Sie dabei jedoch: Werden Sie diesen Prozess politisch gestalten, oder wollen sie ihn unkontrolliert geschehen lassen?

Durch die rasante Entwicklung elektrischer Antriebe und digitaler Angebote stellt sich diese Frage zunehmend dringender. China, zentraler Absatzmarkt der deutschen Hersteller, führt in Kürze eine Quote für E-Autos ein. Hersteller wie Volvo haben den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor bereits eingeleitet. Junge, finanzstarke Unternehmen wie Tesla investieren massiv in den Ausbau der E-Mobilität. Parallel nehmen Länder und Städte den Ausstieg aus dem Verbrenner politisch ins Visier. Trotz der sich beschleunigenden Veränderung passiert bei deutschen Herstellern und der Bundesregierung erschreckend wenig. Dies ist industriepolitisch fahrlässig und klimapolitisch fatal. So hat beispielsweise Volkswagen allein im Jahr 2016 weltweit Autos verkauft, die während ihrer Lebensdauer einen CO2-Ausstoß produzieren werden, der die jährlichen Emissionen von Spanien in den Schatten stellt. BMW, Daimler und Opel haben mit ihren im vergangenen Jahr produzierten Autos gemeinsam die CO2-Emission der Niederlande auf die Straße gebracht. Diese einfache Rechnung zeigt: Ohne einen Ausstieg aus dem Verbrenner ist das Pariser Klimaabkommen nicht einzuhalten.

Greenpeace ist der festen Überzeugung, dass die deutsche Autoindustrie nur durch eine klare regulatorische Vorgabe ihre Innovationspotenziale nutzt, um den Weg in eine klimapolitisch verträgliche und ökonomisch nachhaltige Zukunft zu finden. Die Industrie hat in den vergangenen Jahren leider bewiesen, dass sie aus eigenem Antrieb nicht in der Lage oder nicht willens ist, Entscheidungen mit der nötigen Tragweite zu treffen. Deshalb braucht Deutschland jetzt einen politischen Beschluss für den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor.

Solange die Konzerne mit Tricks und Betrügereien ihr altes Geschäftsmodell mit Diesel- und Benzinmotoren retten wollen, kommen Innovationen für eine Mobilitätswende und mehr Klimaschutz im Verkehr nicht voran. Mittelfristig werden durch diese Rückwärtsgewandtheit sowohl der Klimaschutz als auch die Konzerne auf der Strecke bleiben.

Dafür ist ein klares politisches Signal notwendig: das bisherige fossile Geschäftsmodell der deutschen Autobauer braucht eine zeitliche Begrenzung. Nur wenn der Verbrennungsmotor ein konkretes Enddatum erhält, werden die notwendige Kreativität freigesetzt und der Innovationsgeist geweckt, mit denen die Konzerne ihr Geschäftsmodell so umbauen können, dass sowohl das Klima geschützt als auch Arbeitsplätze erhalten werden können. Nur dann kann in den Konzernzentralen wieder der Geist deutscher Ingenieurskunst einziehen – und der trübe Dunst der Lobbyisten verschwinden.

Greenpeace fordert Sie daher dringend auf, einen Gesetzentwurf zum mittelfristigen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor vorzulegen. Nur ein solcher Beschluss gibt der Autoindustrie den für ihr Überleben dringend nötigen Innovationsimpuls.

Mit freundlichen Grüßen,

Roland Hipp

Geschäftsführer Greenpeace e.V.

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