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"YoU-Turn the Streets" Demonstration am "Park(ing) Day" in Hamburg. Aktivist:innen legen Rasen, stellen Liegestühle auf und verwandeln ein gebrauchtes Auto in eine Kaffeebar im Freien.
© Sonja Och / Greenpeace

Fragen und Antworten zum Dieselskandal

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Nach dem Dieselgipfel: Greenpeace-Energieexperte Niklas Schinerl beantwortet fünf der uns auf Facebook am häufigsten gestellten Fragen.

Den Vorhang zu und alle Fragen offen: Die Beteiligten des Dieselgipfels hätten das leidige Thema der Luftverschmutzung in deutschen Städten gerne mit ein paar unzureichenden Beschwichtigungsmaßnahmen abgeschlossen, aber die Verunsicherung ist nach dem Treffen in Berlin eher noch gewachsen. Greenpeace arbeitet seit vielen Jahren zum Thema und kommt zum Schluss: Nur eine konsequente Verkehrswende schafft Abhilfe für das Umwelt- und Gesundheitsproblem in Innenstädten. In den Sozialen Medien gibt es dazu viele Diskussionen – auf fünf, die auf unserer Facebookseite am hitzigsten geführt wurden, antwortet Niklas Schinerl, Greenpeace-Experte für Energie.

Warum Diesel-PKWs, warum Stadtverkehr? Schiffe und Flugzeuge stoßen doch viel mehr Stickoxide aus, warum kümmert Ihr Euch nicht darum zuerst?

Niklas Schinerl: Ja, auch Schiffe und Flugzeuge stoßen große Mengen Schadstoffe aus. Aber Schiffe – so schmutzig sie auch sind – fahren nicht durch Wohngebiete oder vorbei an Schulen und Altenheimen. Dort liegt eines der akuten Gesundheits- und Umweltprobleme. Denn in deutschen Städten ist die Luft mittlerweile so schlecht, dass die EU-weit festgelegten Grenzwerte um ein Vielfaches überschritten werden. Laut UBA stammt die Stickstoffdioxidbelastung in Deutschland zu 64 Prozent aus dem Verkehr. Den Löwenanteil machen Diesel-PKW mit 72,5 Prozent der Emissionen aus. Dazu kommen noch Kleintransporte und LKW.  Die Höhe der Belastung ist sehr stark durch lokale Quellen mit niedriger Auslasshöhe wie den Straßenverkehr bestimmt. Die höchsten NO2-Konzentrationen treten demzufolge in städtischen Ballungsgebieten an stark verkehrsbelasteten Orten auf, beschreibt das Umweltbundesamt. Das ändert aber nichts an dem Fakt, dass der Antrieb der Schiffe völlig unökologisch ist und in manchen Hafenstädten eine Rolle spielt.

Wie kann es sein, dass am Arbeitsplatz ein Grenzwert von 950 Mikrogramm NOx gilt und auf der Straße von 40 Mikrogramm?

Der Höchstwert gilt nicht an normalen Arbeitsplätzen wie im Büro oder im Dienstleistungsbereich, sondern an bestimmten Industriearbeitsplätzen oder im Handwerk. Dort ist eine erhöhte Stickstoffdioxid-Belastung für eine bestimmte Zeit zu erwarten, beispielsweise beim Schweißen, bei der Dynamitherstellung oder wenn Dieselmotoren eingesetzt werden. Stickstoffdioxid in der Außenluft sind hingegen alle Menschen rund um die Uhr ausgesetzt, auch wenn die Konzentration je nach Aufenthaltsort schwanken kann. Gerade empfindliche Personen wie Kinder, Schwangere, alte Menschen oder Menschen mit Vorerkrankungen wie Asthma reagieren zum Teil wesentlich sensibler auf Umwelteinflüsse. Arbeitskräfte, die einer erhöhten Belastung ausgesetzt sind, stehen in der Regel unter arbeitsmedizinischer Betreuung.

Ihr zieht immer wieder Zahlen heran, um auf die Gesundheitsgefahr durch Stickoxide aufmerksam zu machen. Was ist die Quelle und wie kann man bitte einen Todesfall auf Stickoxide zurückführen?

Die European Environment Agency (vergleichbar mit dem Umweltbundesamt in Deutschland) veröffentlicht jährlich den Bericht „Air Quality Europe“. Dort werden die Gesundheitsauswirkungen der Luftverschmutzung simuliert, kalkuliert und epidemiologisch untersucht. Im Jahresbericht 2016 werden für Deutschland 10.610 vorzeitige Todesfälle aus Stickstoffdioxid berechnet. Diese Zahl ist gegenüber den davor liegenden Jahresberichten sehr konstant. Logisch, da sich die Luftverschmutzung kaum verbessert.

Mal ganz ehrlich, ich denke auch über E-Autos nach. Aber woher soll der Strom kommen? Wenn jetzt alle auf E-Autos umsteigen haben wir definitiv ein Problem mit unserer Stromversorgung. Regenerative Energien sind noch nicht in der Lage, diesen Energiebedarf zu decken?

Wir müssen unsere Mobilität neu denken. Der 1:1-Austausch von Verbrennungsmotoren durch Elektroautos wird keine nachhaltige Lösung sein. Gerade in den Innenstädten, wo das Auto auch zu viel Platz braucht und eine zentrale Lärmquelle darstellt, müssen wir andere Formen der Mobilität finden. Öffis, Rad und Car-Sharing müssen die Anzahl der Fahrzeuge deutlich reduzieren – gerade in der Stadt. Für die Ökobilanz eines E-Autos ist entscheidend, mit welchem Strommix das Auto getankt wird. Hier kommen nur Erneuerbare in Frage. Um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen, müssen wir bereits im Jahr 2035 zu 100 Prozent auf Erneuerbare umgestiegen sein. Damit das gelingt, braucht es ambitionierte Effizienzprogramme im Verkehrsbereich. Dann könnte der zusätzliche Energiebedarf, der nötig wäre, wenn alle nur noch elektrisch fahren, bei 337 Terawattstunden liegen – das ist mehr als die Hälfte dessen, was derzeit in Deutschland an Strom verbraucht wird. Ein sehr ambitioniertes Programm.

Warum müssen die Folgen des Dieselskandals die Menschen ausbaden, die auf ihr Auto angewiesen sind? Warum soll die Bevölkerung bezahlen, was Politiker und Autohersteller angerichtet haben?

Die Autoindustrie hat die Verbraucher hinters Licht geführt. Es ist Aufgabe und Pflicht der Autoindustrie, das Problem der Luftverschmutzung zu lösen und den entstandenen Schaden für die Verbraucher zu beheben. Dazu darf kein Steuergeld verwendet werden. Das Problem der NO2-Belastung auf die Gesundheit ist dabei weniger ein Problem auf dem Land, wo das Auto als Fortbewegungsmittel eine zentrale Rolle für viele Menschen spielt, sondern es ist eine Frage der Städte. Gerade Innenstädte können ihre Mobilität aber jenseits des Autos organisieren. Erhöhung der Qualität der öffentlichen Verkehrsmittel, kostenloser ÖPNV, bessere Fahrradinfrastruktur, Carsharing-Angebote – da sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Mit solchen Maßnahmen kann der Gesundheitsschaden von der Bevölkerung abgewendet werden. Fahrverbote für Dieselfahrzeuge werden aber kommen, wenn die Industrie keine Lösung anbietet. Und das bisschen Software-Kosmetik wird dafür nicht reichen.

Wahlkompass 2017

Wahlkompass 2017

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