Verkehrswende für Deutschland: Der Weg zu einer CO2-freien Mobilität
- mitwirkende Expert:innen Benjamin Stephan
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Verbrennungsmotoren waren gestern. Im Jahr 2035 fahren Autos in Deutschland mit Strom aus Sonne, Wind und Wasser. Das private Auto spielt eine untergeordnete Rolle – es ist bequemer, mit Bus, Bahn oder Rad ans Ziel zu kommen. Insbesondere in Städten lässt sich vieles zu Fuß erledigen, Käse, Schrauben und Mülleimer sind durch die Durchmischung von Wohnen und Gewerbe im Stadtteil erhältlich. Ständige Staus, Lärm und Abgase sind ein Relikt aus vergangener Zeit. Denn auch der Güterverkehr verlässt zunehmend die Straße. Kurzum: Die Lebensqualität steigt, während die Treibhausgasemissionen auf null sinken. Eine Greenpeace-Vision, die Wirklichkeit werden kann – wie das von Greenpeace beauftragte Mobilitätsszenario des Wuppertal Instituts zeigt.
Ja, sogar Wirklichkeit werden muss. Denn wie 165 weitere Staaten hat sich Deutschland 2015 in Paris verpflichtet, alles zu tun, um die Erderwärmung auf ein beherrschbares Maß von 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. „Zu diesem Ziel wird Deutschland aber nur beitragen, wenn der zweitgrößte CO2-Emittent, der Verkehrssektor, vom hohen Kohlenstoffdioxidausstoß runterkommt“, sagt Benjamin Stephan, Greenpeace-Experte für Mobilität. Dieser ist mit 166 Millionen Tonnen seit 1990 gleichbleibend hoch. Im Jahr 2035 müssen es null sein, so die Rechnung von Greenpeace.
Dieses Ziel ist nur mit einer umfassenden Verkehrswende zu erreichen. Nicht einfach, aber machbar, so das Ergebnis der Studie des Wuppertal Instituts. „Das Szenario zeigt, dass wir schon im Jahr 2035 ohne gesundheits- und umweltschädliche Abgase von A nach B kommen könnten“, sagt Stephan. „Bundeskanzlerin Merkel muss endlich ein Ausstiegsdatum vorlegen – ab 2025 dürfen keine neuen Pkw mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden.“ Damit stellt Greenpeace nach einem Szenario für die Energie- und Landwirtschaftswende einen weiteren Plan vor: den Weg zu einer CO2-freien Mobilität bis 2035.
Sonne im geteilten Tank
Die Studie setzt auf eine neue Form der Mobilität: Wege werden nicht mehr überwiegend mit dem privaten Pkw oder Lkw zurückgelegt. Stattdessen sind ÖPNV, Radverkehr und Carsharing aufeinander abgestimmt und ermöglichen so ein einfaches Vorankommen. Der Güterverkehr verlagert sich auf die Schiene und in Städten auf Lastenfahrräder und kleine Elektrotransporter. Durch diese Bündelung reduziert sich der Auto- und Lkw-Verkehr deutlich. Die Verlagerung auf energieeffiziente Verkehrsträger ist notwendig, um alle Fahrzeuge mit Erneuerbaren Energien betreiben zu können.
Denn die Kapazitäten reichen nicht – selbst bei einem engagierten Vorantreiben der Energiewende – für 46 Millionen derzeit in Deutschland zugelassene Autos. Auch räumlich nicht – wie verstopfte Straßen eindrucksvoll zeigen. Eine weitere Versiegelung von Flächen für den Straßenbau ist jedoch auf dem Land ökologisch nicht zu vertreten und in den Städten schlichtweg gar nicht möglich.
Gemischt fahren und wohnen
Doch wie kann der Umstieg auf geteilte E-Mobilität oder aufs Rad funktionieren? Das Wuppertal Institut nennt eine Vielzahl an Maßnahmen. Naheliegend gehört dazu der Ausbau des Bus- und Schienenverkehrs auf dem Land und in Städten, der auch Randgebiete und benachbarte Orte einbindet. Sichere Fußwege sind ebenso unentbehrlich wie breite, gut vernetzte Radwege, die aus Strecken bis zu 20 Kilometern eine flotte Spazierfahrt machen. Car-Sharing-Angebote helfen dann, wenn wirklich ein Auto notwendig ist.
Aber auch eine bessere Nutzung des innerstädtischen Raums ist Teil des Konzepts, um motorisierten Verkehr zu vermeiden. Eine stärkere Durchmischung von Wohnen, Gewerbe und Freizeitmöglichkeiten schafft kurze Wege, die zu Fuß oder mit dem (Lasten-)Rad zu bewerkstelligen sind. Möglich ist das durch eine Aufstockung bestehender Gebäude und der Nutzung von Leerstand. Platz schafft auch die Verringerung des Individualverkehrs – statt Straßen und Parkplätze sprießen Bäume oder Straßencafés aus dem Boden.
Maßgabe ist, dass es den Menschen leicht gemacht wird, auf umweltfreundliche Verkehrsmittel umzusteigen. Deshalb müssen Mobilitätsangebote auch digital gut vernetzt sein. So sollten Apps geeignete Verbindungen aufzeigen und unkomplizierte Buchungen ermöglichen, die auch verschiedene Verkehrsmittel kombinieren. Das bewirkt zudem eine optimale Auslastung von Sharing-Fahrzeugen, wenn Reisende in die gleiche Richtung wollen.
Mobilität lenken
Neben der Bereitstellung von Alternativen zum Auto sind auch finanzielle Anreize wie günstige Tickets nötig, um die Wahl des Verkehrsmittels zu steuern. Teurer werden muss hingegen der individuelle Autoverkehr beispielsweise über Mautgebühren – insbesondere auf Strecken, die leicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sind. Ein Eingriff ist auch bei Inlandsflügen notwendig – sie sind überflüssig. Denn von Tür zu Tür betrachtet, ist der Zeitgewinn verglichen mit anderen Verkehrsmöglichkeiten meist gering.
„Es geht nicht darum, Mobilität zu verbieten, sondern sie intelligent zu lenken“, stellt Stephan klar. „Zwar verspricht Autowerbung Freiheit. Doch statt über den Highway zu brettern, stehen wir oft im Stau.“ Und wenn individuelle Bedürfnisse über Bus, Bahn oder Rad nicht erfüllt werden, stehen Leihautos parat. In dünn besiedelten Gebieten jedoch werden die Bewohner auch weiterhin auf ein privates Auto angewiesen sein.
Güter und Gelder umleiten
Nicht zuletzt muss auch der Güterverkehr umsteigen. Im Gegensatz zum Schienen- ist das Straßennetz in Deutschland bestens ausgebaut. Kein Wunder also, dass 70 Prozent des Güterverkehrs über die Straße rollt. Ein LKW produziert allerdings pro Tonne Fracht etwa dreimal so viel Treibhausgase wie ein Schiff und fast fünfmal so viel wie die Bahn. Im Jahr 2035 sollten 46 Prozent der Güter über Schienen und Binnenschiffe transportiert werden. Auf der Straße sorgen Oberleitungen zu 80 Prozent für einen elektrischen Antrieb, so die Greenpeace-Vision.
Finanziert werden kann die Verkehrswende unter anderem durch den Abbau klimaschädlicher Subventionen. So würde allein die Streichung der Steuerprivilegien für Diesel und Kerosin 17 Milliarden Euro in die Staatskasse spülen. Weitere 64 Milliarden stünden bis 2030 zur Verfügung, wenn auf den geplanten Neubau von weiteren Fernstraßen verzichtet würde.
Lesen Sie auch das Interview mit Dr. Ing. Frederic Rudolph, Projektleiter Energie-, Verkehr- und Klimapolitik am Wuppertal Institut und einer der Autoren der Mobilitätsstudie.
Studie: Verkehrswende für Deutschland (Kurzfassung)
Anzahl Seiten: 7
Dateigröße: 3.74 MB
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