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Der Klimawandel, sagt Ban Ki-moon, sei „die größte Gefahr in der Geschichte der Menschheit“. Aus den Reihen der Gäste des UN-Generalsektretäts, mehr als 100 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt, will da niemand widersprechen. Nach 20 Jahren internationalen Klimakonferenzen ist das Problembewusstsein hoch. So hoch wie die Wahrscheinlichkeit, dass Regierungen diesem Klimawandel zwar mit empathischen Absichtserklärungen begegnen, aber wenig konkreten Maßnahmen.
Durchhangeln bis zum nächsten Gipfel
So auch diesmal wieder. China verspricht „noch größere Anstrengungen“ und einen „so schnell wie möglich“ sinkenden CO2-Ausstoß. US-Präsident Obama betont, „die besondere Verantwortung der USA und Chinas“ im Kampf gegen den Klimawandel. Und Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) stellt gerade mal einen kleinen Teil der staatlichen Kohlefinanzierung im Ausland ein - vertröstet aber ansonsten auf Dezember. Dann findet in Lima der nächste Klimagipfel statt.
Es kann nicht an den Ankündigungen der Staaten liegen, dass der Ban Ki-moon Gipfel gestern für die Umweltverbände erstmals mit mehr Hoffnung als Enttäuschung endet. Denn zum ersten Mal verdichtet sich in New York das Gefühl, dass es nicht alleine die Politik ist, die die lange bekannte Bedrohung des Klimawandels aufhalten kann. Vielleicht können das auch andere Akteure. Und vielleicht sind diese sogar entschlossener.
Hunderttausende für Klimaschutz auf den Straßen
Handfeste Unterstützung bekam dieses Gefühl am Sonntag vor dem Gipfel. Da marschierten gut 300.000 Menschen durch die Straßen New Yorks, weit mehr als selbst die kühnsten Optimisten gehofft hatten und fordern Mut statt Zögern. Es gibt keinen Grund weiter zu warten und sehr viele endlich zu handeln, argumentieren sie. Die Wissenschaft sei unmissverständlich: Kohle und Öl müssten mittelfristig im Boden bleiben, wenn der Klimawandel nicht unkalkulierbare Folgen haben soll. Ersetzt werden sollen diese fossilen Energien durch die technisch inzwischen ausgereiften erneuerbaren Energien.
Kurz darauf folgen die ersten Taten. Nicht aus der Politik sondern der Wirtschaft. 40 Unternehmen, darunter Milliardenkonzerne wie der französische Beauty-Gigant L’Oréal, das weltgrößte Lebensmittelunternehmen Nestlé und der Frühstücksflockenproduzent Kellogg verpflichten sich, die Regenwaldrodung bis 2020 zu halbieren und bis 2030 ganz einzustellen. Schon zuvor hatten Technologieunternehmen wie Apple, Google und Facebook angekündigt, ihren immensen Energiebedarf weit rascher auf Erneuerbare Energien umzustellen, als es die allermeisten Staaten tun.
Die Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energien ist weltweit in vollem Gang, aber es sind nicht Politiker, die sie vorantreiben. Es ist die Zivilgesellschaft die den Wechsel fordert und schlaue Unternehmen, die sich danach richten. Die Belege, dass Klimaschutz das Wirtschaftswachstum nicht bremsen sondern langfristig beschleunigen wird, werden heute auf vielen Chefetagen gehört. Noch viel mehr vielleicht, dass Nachhaltigkeit zu einem Imagefaktor geworden ist. Auch wenn Umweltverbände und Konzernchefs Nachhaltigkeit noch unterschiedlich definieren, so ist doch offensichtlich: Die wirtschaftliche Dynamik im Klimaschutz hat die politische längst überholt.
Es ist die Aufgabe von Umweltverbänden zu überprüfen, wie ernst Unternehmen ihre freiwilligen Ankündigungen nehmen. Es wäre die Aufgabe von Staats- und Regierungschefs, Entscheidungen zu treffen, die das Freiwillige verbindlich werden lassen. Greenpeace-Chef Kumi Naidoo fasst das so zusammen: „Wir können uns nicht alleine auf den guten Willen einiger Wirtschaftsbosse verlassen. Dafür ist die Situation zu ernst.“