Greenpeace-Aktivisten legen Klimaschutz-Mahnmal vor dem Reichstag aus
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Am 7. November beginnt im marokkanischen Marrakesch die jährliche Weltklimakonferenz. Sie steht unter einem guten Stern, denn auf dem Gipfeltreffen 2015 wurde mit dem internationalen Klimaabkommen von Paris ein Meilenstein erreicht. Das Ziel: den globalen Ausstoß von Treibhausgasen bis zur Mitte des Jahrhunderts gegen Null zu senken und so den Temperaturanstieg auf der Erde bei maximal 1,5 Grad Celsius zu stoppen.
Mit leeren Taschen nach Marrakesch
Die 195 Vertragsstaaten haben sich damit zu einer gewaltigen gemeinsamen Anstrengung verpflichtet, in Marrakesch wollen sie auf den Tisch legen, was sie konkret zu tun gedenken. Und nun wird es peinlich: Unmittelbar vor dem Start der Konferenz stellt sich die Frage, was das Industrieland Deutschland eigentlich zum Klimagipfel mitnehmen will. Von einem Willen zu wirksamen Schritten und Maßnahmen ist weit und breit nichts zu erkennen.
Selbst das Bundesumweltministerium (BMU) räumt ein, dass wir weit davon entfernt sind, auch nur unser erstes Etappenziel im Jahr 2020 zu erreichen. Und im derzeitigen Gerangel um den Klimaschutzplan 2050 droht auch das langfristige Ziel unterzugehen.
Der Countdown für 2020 läuft
Deutschland will seinen Part zum 1,5-Grad-Ziel in zwei Etappen erfüllen. Bis 2020 sollen die Treibhausgas-Emissionen gegenüber 1990 um 40 Prozent gesunken sein. Festgehalten ist das im Aktionsprogramm Klimaschutz 2020. Im Jahr 2050 müssen die Emissionen dann gegen Null gehen, dafür soll der Klimaschutzplan 2050 stehen. Klar ist: Wird das 40-Prozent-Ziel für 2020 verfehlt, kann auch der Endspurt für die darauffolgenden 30 Jahre kaum noch gelingen.
Und es sieht schlecht aus: Das BMU geht davon aus, dass Deutschland sein Klimaziel für 2020 selbst unter optimistischen Annahmen um mehr als 30 Millionen Tonnen Treibhausgas verfehlen wird. Auf der Webseite des BMU ist einer der Hauptgründe dafür nachzulesen: „Unsere Klimaschutz-Fortschritte beim Ausbau der erneuerbaren Energien werden leider durch die anhaltend hohe Produktion von Kohlestrom zum Teil zunichte gemacht. Das liegt an den Überkapazitäten bei Kohlekraftwerken.“
Das sind klare Worte: Ohne Kohleausstieg ist wirksamer Klimaschutz nicht möglich. Aber wo bleibt der Kohleausstieg?
Mit hehren Worten auf der Strecke geblieben
Symptomatisch für die Klimapolitik in Deutschland ist das erbitterte Streiten um den Klimaschutzplan 2050. Nach einem Start voller Energie siecht das Papier jetzt vor sich hin. Das gute Stück ging ganz korrekt seinen Weg vom Umweltministerium durch die Ressorts – und die strichen alles raus, was dem Klima hätte helfen können. Allen voran das SPD-geführte Wirtschaftsministerium unter Sigmar Gabriel, gefolgt vom Verkehrs- und vom Landwirtschaftsministerium, beide unter CSU-Führung.
Selbst der klägliche Rest des ursprünglichen Klimaschutzplans sorgte in Berlin noch für Streit. In dieser Woche sollte der Entwurf im Kabinett beraten werden, doch dazu kam es nicht: Die CSU legte sich quer. Wie jetzt bekannt wurde, hat das BMU kurz vor der drohenden internationalen Blamage noch einen neuen Entwurf vorgelegt. Ob die beteiligten Ministerien sich darauf einigen werden, ist offen. Doch selbst, wenn: Den deutschen Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase kann auch dieser Entwurf nicht ausreichend verringern.
Der Fall bestätigt beispielhaft, woran der Klimaschutz in Deutschland krankt: am fehlenden politischen Willen, wirklich Ernst zu machen. Angela Merkel wurde einst als Klimakanzlerin gefeiert, jetzt müssen wir feststellen: Unter ihrer Kanzlerschaft ist der Klimaschutz praktisch zum Erliegen gekommen.
„Überall, wo wir hinschauen, versagt die Bundesregierung: beim Ausstieg aus der Kohleverstromung, bei der Verkehrswende, beim Fleischkonsum“, sagt Karsten Smid, Greenpeace-Experte für Energie und Klimaschutz. „Die Frage lautet längst nicht mehr, verpasst Deutschland das 40-Prozent-Ziel, sondern, wie weit liegen wir daneben?“
Die Versäumnisse der letzten Jahre rächen sich
Zu den konkreten Zielen der Bundesregierung gehört, die Menge an freigesetzten Treibhausgasen in Deutschland bis 2020 von jährlich derzeit etwa 900 Millionen Tonnen auf 749 Millionen Tonnen zu senken. Gerechnet wird international in CO2-Äquivalenten, denn Kohlendioxid (CO2) macht den bei Weitem größten Batzen im Mix der Gase aus.
In den vergangenen zehn Jahren ist der Treibhausgasausstoß in Deutschland nur um durchschnittlich 8,6 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr gesunken. Darum muss das Versäumte in den wenigen kommenden Jahren aufgeholt werden: Bis 2020 muss der Ausstoß an Treibhausgasen um 31,8 Millionen Tonnen sinken - pro Jahr. Auf dem Klimagipfel 2018 steht eine Zwischenbilanz an.
Temperaturanstieg weltweit – Sonntagsreden von der Politik
Hitzige Debatten, erhitzte Gemüter – und weltweit steigende Temperaturen. Auf den Temperaturrekord von 2014 folgte der nächste im Jahr 2015, und für das Jahr 2016 wird wieder ein Rekord erwartet. Am Ende dieses Jahres wird der Temperaturanstieg gegenüber dem vorindustriellen Niveau deutlich über einem Grad Celcius liegen.
„Eine Temperaturerhöhung auf mehr als 1,5 Grad Celcius ist nicht mit klimapolitischen Sonntagsreden aufzuhalten“, kritisiert Smid. Der Ingenieur und Umwelttechniker fordert den Kohleausstieg bis spätestens 2030 und ein Ende der Herstellung von Verbrennungsmotoren bis spätestens 2025. Auch der Fleischkonsum müsse deutlich verringert, Wälder müssten wieder aufgeforstet werden. „Die großen Reduktionsschritte müssen jetzt unternommen werden. Sonst besteht die Gefahr, dass das klimaverträgliche CO2-Budget verbraucht ist, bevor Merkel und Gabriel aus ihrem klimapolitischen Tiefschlaf erwachen.“
So sehen das auch die Greenpeace-Aktivisten, die der Bundesregierung am frühen Sonntagmorgen das Thermometer vorhielten. Sie fordern, dass Deutschland Wort hält und seinen Verpflichtungen zum Klimavertrag von Paris nun endlich nachkommt.
Klimaschutz in Deutschland nach dem Pariser Abkommen
Anzahl Seiten: 25
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