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Greenpeace Online: BP hat mitgeteilt, die Rohre der Pipeline seit 14 Jahren nicht gereinigt zu haben. Den Untersuchungen zufolge wiesen die Rohre stellenweise sogar nur noch 20 Prozent ihrer ursprünglichen Dicke auf - was sich bei regelmäßiger Wartung früh gezeigt hätte. Ist BP als Betreiber der Pipeline zu einer regelmäßigen Wartung verpflichtet?
Jörg Feddern: Es gibt tatsächlich Verpflichtungen für Ölkonzerne, ihre Pipelines zu überprüfen. In Westeuropa ist der Standard relativ hoch, ebenso in den USA. Wobei dort die Spielräume größer sind als bei uns in Deutschland. Die Überprüfung an sich wird verschieden gehandhabt. Es gibt den Überflug oder das Ablaufen, Ultraschall oder Apparate, die durch die Rohre geschickt werden um die Schichtdicke zu messen.
Es ist tatsächlich so, dass das Material der Pipeline ermüdet, spröde wird und sich durch Korrision abbaut, weil Wasser und agressive Chemikalien durch die Rohre fließen. BP verfügt über ausreichende Gewinne, so dass sie letztlich dazu verpflichtet werden sollten, die beste und neueste Technik zu nutzen, sowohl was die Materialien als auch die Überprüfung anbelangt.
Ölkonzerne wie BP müssen ihre Sorgfaltspflicht ernst nehmen, auch präventiv. Die Schichtdicke muss regelmäßig kontrolliert werden und da, wo es zu Schwierigkeiten kommt, muss der Zustand des Materials verbessert werden.
Greenpeace Online: Schon seit einigen Jahren feilt BP an seinem Image als umweltbewusster Ölkonzern. Aus British Petroleum wurde Beyond Petroleum. Trotz freundlichem Logo und Investitionen in Solarenergie - die maroden Leitungen in Alaska zeigen: BP hat seine Sorgfältigkeitspflicht vernachlässigt. Bedeutet das, es gibt andere Anlagen, die sich in einem noch schlechteren Zustand befinden?
Jörg Feddern: Alaska ist nur ein Beispiel, das an die Öffentlichkeit gelangt ist. In Westsibieren herrschen noch ganz andere Zustände. Dort geraten seit Jahrzehnten täglich zehntausende Tonnen aus vollkommen maroden Pipelines in die Umwelt. Die betroffenen Konzerne lehnen ihre Verantwortung ab oder geben Versprechen, die sie nicht umsetzen. Auch dort hat BP seine Finger im Spiel.
Es gibt also doppelte Standards. In Alaska wird ein Riesenaufwand betrieben - was ganz klar richtig ist - aber jetzt muss festgestellt werden, wo die Konzerne noch tätig sind und wie dort die Umweltauflagen sind. Alaska ist mit Sicherheit keine Ausnahme.
Greenpeace Online: Imageschäden und wirtschaftliche Schäden sind die Folgen für BP. Was war überhaupt der Auslöser die Pipeline jetzt so genau zu überprüfen?
Jörg Feddern: Die Untersuchung die BP durchführt ist - so gesagt - nicht freiwillig. Es hat im März dieses Jahres in Alaska einen Unfall gegeben, bei dem 800.000 Liter ausgetreten sind. Daraufhin haben die US-Behörden BP aufgefordert, genauer hinzuschauen. Seit März hat BP 40 Prozent der Anlagen überprüft - und dabei mehrere Schwachstellen und Ölaustritte festgestellt, die sich jedoch auf eine Größenordnung von wenigen hundert Litern begrenzen. Trotzdem ist es Fakt, dass noch 60 Prozent fehlen und deswegen ist es eine ganz logische Konsequenz dass BP die Förderung eingestellt hat.
Greenpeace Online: Welche rechtlichen Konsequenzen wird der Fall für BP haben?
Jörg Feddern: BP ist dazu verpflichtet worden, sowohl die kleineren Ölunfälle, als auch den Ölunfall im März zu beseitigen, als 800.000 Liter Öl austraten. Die amerikanische Gesetzgebung ist - was das betrifft - scharf. So muss BP massive Strafen zahlen. Außerdem wird im Moment untersucht, ob das Handeln BPs fahrlässig war. Der Nachteil daran ist: Bisher wurde nicht genügend überprüft.
Greenpeace Online: Wie wird sich das ausgetretene Öl auf die Tundra der Prudhoe Bay auswirken?
Jörg Feddern: Von den wenigen Barrel die aktuell ausgetreten sind, wird die Umwelt betroffen sein, aber es kann nicht von einer Katastrophe gesprochen werden. Grundsätzlich sollte in ökologisch hochsensiblen Gebieten wie der Arktis kein Öl und kein Gas gefördert werden. Die Ölkonzerne sollten sich aus diesen Regionen zurückziehen und ihre Milliardengewinne in erneuerbare Energien investieren.
Unterlagen und Fakten belegen, dass dies kein Einzelfall ist, sondern es immer wieder zu Unfällen kommt, zu Ölaustritten, zu Chemikalienaustritten, dass die Luft verpestet wird. Das Ölförderungsgebiet in Alaska muss man sich vorstellen wie ein großes Industriegebiet. Mit Natur hat das nichts mehr zu tun. Prudhoe Bay zeigt, dass die Ölförderung nicht beherrschbar ist.
Greenpeace Online: Herzlichen Dank für das Gepräch.
Das Interview führte Cindy Roitsch.