Lage im Wendland stabil, aber angespannt
- mitwirkende Expert:innen Karsten Smid
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Noch immer sind Greenpeace-Aktivisten im Wendland und helfen den Menschen gegen die Flut. Die Pegelstände der Elbe haben mittlerweile ihre Höchststände überschritten und beginnen langsam zu fallen. Die wichtigste Frage aber bleibt: Halten die Deiche?
Die Nacht über waren die Greenpeace-LKW wieder bis weit nach Mitternacht unterwegs. Aktivisten transportierten Massen an Sandsäcken nach Neu-Darchau, wo Helfer mit großem Aufwand einen Ersatzdeich errichteten.
Da der Scheitelpunkt der Elbe jetzt vorbei ist, werden die Sandsäcke auf der Deichkrone teilweise entfernt, um die Deiche zu entlasten. Mit den Sandsäcken wird dann der landseitige Deichfuß verstärkt. Entwarnung kann aber noch nicht gegeben werden. Frühestens Samstag wird mit einer Entspannung der Lage gerechnet.
Update 11.6.2013: Seit Tagen spricht ganz Deutschland über die Flut. Inzwischen haben die Wassermassen das Wendland erreicht. Dort haben zehn Greenpeace-Aktivisten seit der vergangenen Woche den Einsatzkräften unter anderem dabei geholfen, Sandsäcke zu füllen und an die gefährdeten Deiche zu transportieren.
In Wittenberge fällt der Pegel bereits wieder leicht. In Neu Darchau und Dömitz scheint der Scheitelpunkt erreicht, lediglich in Boizenburg steigt der Pegelstand noch etwas an. Die Einsatzkräfte rechnen damit, dass das Wasser recht langsam abfließen wird und die Deiche bis zum Wochenende noch belastet werden. Daher bleibt die ganze Region in Alarmbereitschaft. Die Hilfskräfte atmen nun einmal durch...
Gestern sind die Greenpeace-Aktivisten mit insgesamt drei Schlauchbooten Deichwache gefahren. Sie haben Treibgut gesichtet und eingesammelt. Baumstämme oder Bretter sind eine große Gefahr für die aufgeweichten Deiche. Das Treibgut kann die empfindliche Grasnabe der Deiche verletzen. Die Bootsfahrer arbeiten in enger Abstimmung mit der Einsatzleitung vor Ort. Gestern abend wurden die Boote wieder aus dem Wasser genommen, um über Nacht für Evakuierungsmaßnahmen auf Stand-by zu sein.
Interview vom 6.6.2013: Viele Menschen fragen sich, welche Ursachen das Hochwasser hat und ob es legitim ist, die der Flut vorangegangenen Regenfälle direkt mit dem Klimawandel in Verbindung zu bringen. Wir haben mit unserem Klimaexperten Karsten Smid gesprochen.
Online-Redaktion: Sind die Starkregenfälle denn jetzt direkte Folge der Klimaerwärmung?
Karsten Smid: Ein einzelnes Ereignis lässt sich aus Prinzip her nicht ursächlich in Verbindung mit dem Klimawandel bringen. Um exakt zu sein müssen wir Wetter und Klima unterscheiden. Und es hat auch schon früher katastrophale Hochwasserereignisse in Deutschland gegeben. Zum Beispiel die Thüringer Sintflut 1613, vor genau 400 Jahren, oder das Extremhochwasser in Passau 1501. Aber diese Jahrhunderthochwässer häufen sich in den letzten Jahrzehnten.
Online-Redaktion: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Klimawandel und intensiven Regenfällen?
Karsten Smid: Ja, zweifelsohne. Je wärmer die Meere sind, umso mehr Wasser kann verdunsten. Je höher die Lufttemperatur, desto mehr Wasser können die Wolken aufnehmen. Und das kommt dann irgendwo runter.
Online-Redaktion: Werden sich solche extremen Wetterlagen häufen?
Karsten Smid: Ja. Ein geändertes Klima führt auch zur Änderung des hydrologischen Kreislaufs (Wasserkreislaufs), Dürren und Fluten können in der Folge extremer ausfallen. In der Wissenschaft wird in Folge des Klimawandels mit einer Zunahme der Häufigkeit und Heftigkeit von Extremereignissen gerechnet. Und die Studien kommen auch zu dem Schluss, dass es wahrscheinlich ist, dass künftig Jahrhundertfluten in Europa häufiger auftreten.
Online-Redaktion: In den Medien wird immer wieder von Jahrhunderthochwasser gesprochen, was ist das?
Karsten Smid: Das sind Ereignisse die einmal in 100 Jahren stattfinden. Jetzt hatten wir aber das Oderhochwasser 1997 und 2009, die Elbeflut 2002 und jetzt schon wieder ein Jahrhunderthochwasser 2013. Der Trend ist da, die Anzahl der extremen Hochwasser in Europa nehmen im Schweregrad und in seinen Ausmaßen zu. Allerdings gibt es im Verlauf der Jahrzehnte so viele Schwankungen, dass dieser Trend wissenschaftlich noch nicht eindeutig ist.
Online-Redaktion: Müssen wir höhere Deiche bauen?
Karsten Smid: Je höher die Deiche, desto höher ist das Risiko hinter den Deichen, wenn sie den Wassermassen nicht mehr Stand halten oder einfach überlaufen. Wir müssen Überflutungsflächen freihalten, wir müssen dem Wasser Raum geben.
Online-Redaktion: Was können wir tun?
Karsten Smid: Natürlich steht kurzfristig als erstes die Hilfe in Vordergrund. Mittelfristig muss unsere gesamte Infrastruktur auf die Folgen der Klimaänderungen hin überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Das sind Milliarden Investitionen, Klimafolgekosten die durch den erhöhten CO2-Ausstoß der Industrie entstehen und die die Gesellschaft zu tragen hat. Aber eine 100 prozentige Sicherheit wird es nicht geben. Nach jeden Hochwasser gilt aber auch: Auf die Dauer ist es billiger in CO2-freie Technologien und Klimaschutz zu investieren, statt immer wieder für die Folgen der Katastrophen aufkommen zu müssen.
Zu Infektionsrisiken in Überschwemmungsgebieten finden Sie Informationen beim Robert Koch Institut.