Polen: Der Raubbau am Grundwasser
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Polen verfügt über die größten Braunkohle-Reserven Europas. Braunkohle gilt, ähnlich wie in Deutschland, als der billigste Brennstoff. Der größte Braunkohletagebau befindet sich nur ein Dutzend Kilometer von der Stadt Belchatów entfernt, in der zentralpolnischen Region Lódz. Rund 350 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt wird aus der größten Grube Europas die Braunkohle für das größte Kraftwerk Polens gefördert.
Mit 25 Quadratkilometern ist die Grube so groß wie der Wolfgangsee - und wird ähnlich als touristische Attraktion beworben. Die angrenzende Gemeinde verweist stolz auf die Plattform, die eine beeindruckende Aussicht verspricht. Tatsächlich ist der Anblick ernüchternd: Die ausgeräumte Landschaft in der Umgebung ist übersät mit Abraumhalden, Lastwagen und Baggern. Aus bis zu 230 Metern Tiefe rollen Förderbänder, beladen mit Erde und Felsbrocken. Ist die Kohle erschöpft, wartet wenige Kilometer weiter schon der nächste Tagebau.
Der geplante Ausbau weiterer Bergwerke kann die zahlreichen Seenlandschaften, für die Polen berühmt ist, erheblich gefährden. Denn um die Bereiche für den Abbau trockenzulegen, werden riesige Mengen von Grundwasser abgepumpt, so dass die Wassersysteme durcheinander geraten. Oft wird auch Wasser aus Regionen entfernt, die sich nicht in der unmittelbaren Nähe der Bergarbeiten befinden.
{image}Das Trockenfallen ihrer Region befürchten auch die Anwohner des Goplo Millenium Parks, ein Vogelschutzgebiet mit europaweiter Bedeutung um den Goplosee in Kujawien-Pommern. Verändert sich hier durch den geplanten Tagebau der Wasserspiegel, so sind typische Vogelarten wie die Zwergdommel oder die Graugans gefährdet und amphibienreiche Marschen und Torfmoore von Austrockung bedroht.
Wir reden nicht über das Gebiet in unmittelbarer Nachbarschaft der Bergbauarbeiten, erklärt dazu Dr. Michal Kupczyk, Ornithologe an der Adam Mickiewicz Universität in Poznan. Wir reden über Auswirkungen auf Regionen, die mehrere zehn oder gar hundert Kilometer entfernt sind. Falls er recht hat, haben die Schäden, die in Polen durch Tagebau angerichtet werden, gerade erst begonnen.
Polens Bergbau:
- Polen ist der größte Braunkohle- und der zweitgrößte Steinkohle-Produzent in Europa.
- Kohle stellte in den letzten Jahren den fast alleinigen Stromlieferanten Polens dar (1997: 93 Prozent); entsprechend ist Polen nach Deutschland der größte Kohle-Verbraucher in Europa.
- Kohle ist das wichtigste Exportgut Polens.
- Steinkohlebecken befinden sich vor allem in Schlesien und um Lublin; die wichtigsten Braunkohlevorkommen in Zentralpolen und im Westen sollen in Zukunft vorrangig abgebaut werden.
- Der Bergbau um Belchatów ist das jüngste und größte der gegenwärtig aktiven polnischen Braunkohle-Abbaugebiete. Die Jahresfördermenge beträgt ca. 35 Millionen Tonnen und wird dem Bedarf des nahegelegenen Kraftwerks angepasst.
- Das Kraftwerk Belchatów ist das größte in Polen und liefert fast 20 Prozent des Stroms. Pro Jahr stößt es über 31 Millionen Tonnen CO2 aus.
- Das seit den 80er Jahren ausgebeutete Hauptgebiet Belchatów wird bis zum Jahre 2017 ausgeschöpft sein. Seit einigen Jahren wird ein nahegelegenes Untergebiet erschlossen.
- Der Kohleabbau gefährdet den Tourismus in Polen: So wird der Abfall des Wasserspiegels des Ostrowskie-Sees in der Region Kujawien-Pommern von den Bewohnern auf das nahegelegene Bergwerk zurückgeführt. Ganze Teiche sind schon verschwunden und Brunnen ausgetrocknet. Versiegt ist auch der Strom der Touristen, auf die die Region angewiesen ist.
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