Greenpeace in Schweden meldet Interesse an Vattenfalls Braunkohlesparte an
- mitwirkende Expert:innen Susanne Neubronner
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Vattenfall will raus aus der Braunkohle. Am gestrigen Dienstag endete nun die Frist, innerhalb der sich potenzielle Interessenten für den Kauf der dreckigen Unternehmenssparte in der Lausitz melden konnten. Mit der Veräußerung zeigt der Konzern Vattenfall, dass er Klimaschutz in keiner Weise ernst nimmt – er versucht sich über den Verkauf aus der Verantwortung zu stehlen.
Nun hat sich Greenpeace Nordic in Schweden mit einem „Letter of Interest“ formell in den Prozess eingeklinkt. In dem Schreiben wird ein ernstes erstes Interesse bekundet. Denn derzeit lockt Vattenfalls Braunkohle lediglich Firmen, die noch viele Jahre Profit aus Gruben und Meilern ziehen wollen und sogar neue Tagebaue aufschließen würden – fatal fürs Klima und für die Menschen in den Regionen, die ihre Heimat verlieren würden. Bestätigt ist auch, was seit Monaten schon die Runde machte: Die beiden tschechischen Energiekonzerne CEZ und EPH, bekannt vor allem für ihr skrupelloses Geschäft mit Kohle und Atom, sind interessiert.
„EPH und CEZ haben sich bisher alles andere als klimafreundlich verhalten“, sagt Susanne Neubronner, Greenpeace-Expertin für Energie. „Mit solchen Investoren drohen der Lausitz Umsiedlungen, Landschaftszerstörung, Kohleexporte und Jahrzehnte weitere Feinstaub- und CO2-Emissionen.“
Einsicht in Vattenfall-Unterlagen könnte Fragen klären
Greenpeace sieht es als zentral an, dass genau das verhindert wird: Menschen dürfen nicht weiterhin aus ihren Dörfern vertrieben, weite Landstriche verwüstet werden; das Klima darf nicht nachhaltig zerstört werden. Dieses zu bekämpfen, hat oberste Priorität.
Deshalb geht es Greenpeace Nordic vor allem darum, Einblicke in die Bücher von Vattenfall zu erhalten. Denn die könnten Informationen darüber liefern, wie realistisch der Konzern die Folgekosten von Renaturierung, Wasserverschmutzung und weiteren Langzeitaufwendungen bewertet – oder ob er sogar plant, die Last auf den Steuerzahler abzuwälzen. Welcher Wert wird beim Verkauf für die Kohlekraftwerke angesetzt? Werden die deutschen Klimaziele und die damit notwendigen Reduktionen der Kohlekapazitäten berücksichtigt? Wie soll sich angesichts dessen der erwartete Gewinn des Konzerns entwickeln? Alles Fragen, die sich durch Einsicht in Unternehmensdokumente wahrscheinlich beantworten ließen.
Zwangsumsiedlung, CO2-Emission, schlechtes Trinkwasser
Der schwedische Staatskonzern verfügt in Deutschland derzeit über fünf aktive Tagebaue und plant, drei weitere zu eröffnen. Alleine die neuen Tagebaue würden die Zwangsumsiedlung von Hunderten Menschen sowie eine Verschlechterung der Wasserqualität zur Folge haben. Durch Verbrennung in den 13 Kraftwerksblöcken von Vattenfall würden weitere Millionen Tonnen CO2 freigesetzt.
Ein Geschäft, das für die rot-grüne Regierung in Schweden ein Makel ist. Und auch das Timing für den Verkaufsprozess könnte nicht schlechter sein. „Der schwedische Staat, der sich Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben hat und bei der Klimakonferenz am Ende dieses Jahres als Vorreiter auftreten will, versucht sich noch schnell aus der Affäre zu stehlen“ so Susanne Neubronner. „Klimaschutz muss vor Profit stehen, und danach sollten auch die potenziellen Käufer ausgewählt werden“.
Um die Klimaerwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, muss der Großteil der Lausitzer Kohle in der Erde bleiben. Die von Vattenfall geplanten neuen Tagebaue dürfen von einem neuen Eigner nicht eröffnet, die Kraftwerke müssen zeitnah still gelegt werden. Die Studie „Vattenfalls Chance“ legt dar, wie ein neuer Eigner, innerhalb von 15 Jahren die Braunkohle durch Erneuerbare Energien ersetzen kann – ohne Arbeitsplätze und die deutschen Klimaschutzpläne zu gefährden. Eine Chance, die Vattenfall im Moment verspielt.
UPDATE vom 12.10.2015: Greenpeace Nordic darf offiziell um die Braunkohlekraftwerke in der Lausitz mitbieten: Die mit dem Vattenfall-Verkauf betraute US-amerikanische Bank Citigroup hat Greenpeace in Schweden eingeladen, ein sogenanntes „Statement of Interest“ abzugeben, eine formelle Absichtserklärung. „Wir haben eine Antwort der Citigroup erhalten. Wir werden am 20. Oktober unsere Absichten präzisieren“, sagt Annika Jacobson, Programmdirektorin von Greenpeace in Schweden. Greenpeace Deutschland wird keinerlei Spendengelder in das Vattenfall-Geschäft investieren und plant nicht, die Kraftwerke oder Tagebaue weiter zu betreiben.