Entschädigungszahlungen für Baunkohlekonzerne
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Heute berät das Parlament über Entschädigungszahlungen für Braunkohlekonzerne. Dabei ist vieles unklar und seltsam. Was, erklärt Rechtsanwältin Rhoda Verheyen im Gastbeitrag.
Roda Verheyen ist eine der bekanntesten Rechtsanwältinnen für Umwelt-Rechte. Für Greenpeace vertrat die engagierte Streiterin für den Erhalt der Erde zum Beispiel die Klimaklage vor Gericht. Derzeit beobachtet sie aufmerksam, was in Berlin zu den Entschädigungszahlungen für Braunkohlekonzerne diskutiert wird. Hier ein Gastbeitrag der Umwelt-Anwältin:
Abkehr vom Verursacherprinzip, komplette Ablösung von Grundsätzen des Entschädigungsrechts, erhebliche Unsicherheit beim Beihilferecht gegen Verzicht auf Klagen, Drohpotenzial in der Zukunft – ist es das alles wirklich wert?
Dieser Frage müssen die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses des deutschen Bundestages am kommenden Montag nachgehen, wenn der Entwurf eines öffentlich-rechtlichen Vertrags zwischen dem Bund, vertreten durch das Wirtschaftsministerium, und den Betreibern von Braunkohleanlagen und -tagebauen beraten wird. Er regelt vor allem die Entschädigung von insgesamt 4,35 Milliarden Euro, deren Auszahlung und Verwendung und weitergehende Ansprüche – und einen Verzicht auf Rechtsmittel gegen den Kohlekompromiss.
Nach dem Mitte August in Kraft getretenen Kohleverstromungsbeendigungsgesetz (KVBG) muss dem Vertrag im Bundestag zugestimmt werden. Eine solche Zustimmung kommt schon rechtlich allerdings kaum in Betracht. Denn die Ermächtigung im Gesetz (Entschädigung für die Stilllegung von Anlagen, Paragraph 44 KVBG) steht diametral in Widerspruch zum Verwendungszweck im Vertrag (Verwendung für die Tagebaufolgekosten, Paragraph 14 des Vertrags).
Die Entschädigungslogik wird nicht präzisiert
Aber wissen die Abgeordneten überhaupt, wie die Summen zu Stande kommen? Das erscheint sehr fraglich bzw. ausgeschlossen. Greenpeace und andere bemühen sich seit Monaten, die dieser Summe zugrundeliegenden Annahmen zu verstehen. Inzwischen liegen die Anfragen bei Gericht. Die Summe soll nach dem Gesetzentwurf auf Grundlage einer „formelbasierten Entschädigungslogik“ errechnet worden sein. Danach gehen 2,6 Milliarden Euro an die „Anlagen“ im Rheinischen Revier und 1,75 Milliarden Euro an die „Anlagen“ im Lausitzer Revier.
Die Entschädigungslogik und die sich daraus ableitende Höhe der Entschädigungen wird an keiner Stelle präzisiert. Der Bundestag hat der Gesamtsumme bereits im Rahmen des KVBG zugestimmt – der Vertrag aber verankert die Summe noch zusätzlich. Sie ist Teil der „Vertragsäquivalenz“, bei deren „Störung“ spätere Ansprüche der Braunkohleindustrie nicht ausgeschlossen werden. Spätestens jetzt sollten die Abgeordneten also fragen, woher die Summe eigentlich stammt, zumal der Ausstieg nach der gesetzlichen Reihenfolge des KVBG zumindest in der Lausitz nicht einmal zu tatsächlichen Einbußen führen wird, wie das Öko-Institut erneut vorrechnet.
Nach einer konservativen Prognose von Energiemärkten und Preisen gibt es keinen wirtschaftlichen Nachteil, der ausgeglichen werden müsste. Das ist auch logisch, denn Entschädigungen gibt es nach dem Gesetz nur für Anlagen, die vor 2030 vom Netz gehen. Das sind in der Lausitz nur wenige Kraftwerksblöcke, und auch nur sehr knapp vor 2030 (Jänschwalde A-D: 31.12.2028; Boxberg N und P: 31.12.2029).
Nun zahlt der Steuerzahler die Tagebaufolgekosten
Vor diesem Hintergrund stellt sich auch die Frage: Beschließen die Abgeordneten eigentlich einen nach dem EU-Beihilferecht zulässigen Vertrag? Auch das ist mehr als offen. Schon allein, weil unklar ist, wer und was hier die nächsten 15 Jahre jährlich Staatshilfen erhält. Nach dem Gesetz sind es die Anlagenbetreiber. Nach dem Vertrag wird aber klar das Verursacherprinzip durchbrochen: die Kosten, die durch den Tagebau entstehen, zahlt der Steuerzahler, und nicht die Tagebaubetreiber – obwohl das vom Bundesberggesetz so vorgesehen ist und bleibt.
Und weiter gefragt: Wissen die Abgeordneten, ob die (im Vertrag wohlgemeinte) Insolvenzsicherung der Steuermittel gelingt? Wohl kaum. Auf fast zehn Seiten bescheinigt der Vertrag das Misstrauen der Bundesregierung in die zweckgemäße Verwendung der Milliarden durch RWE und Leag (bzw. deren neu gegründeten Zweckgesellschaften für die Tagebaufolgearbeiten). Ob die komplexen Regelungen ihr Ziel erreichen, zumal Tagebaufolgekosten deutlich länger anfallen können als die veranschlagten 15 Jahre der Zahlung, die ab jetzt – also deutlich vor Stilllegung der Anlagen jedenfalls in der Lausitz – fällig werden sollen, wird die Zukunft zeigen.
Aus rechtlicher Sicht verkompliziert der Vertrag den Klimaschutz und macht zukünftige Gesetzgeber anfällig für Drohungen. Aus Klimaschutzsicht zementiert er einen unzureichenden Reduktionspfad.