Internationaler Greenpeace-Geschäftsführer in Berlin
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„Sehr geehrte Damen und Herren, ich nehme an dieser Konferenz in Berlin teil, weil ich glaube, dass in den kommenden Wochen mindestens zwei wichtige Entscheidungen in Deutschland getroffen werden – Entscheidungen, die bedeutend sind für den globalen Kampf gegen den Klimawandel.
Zum einen die Entscheidung über ein rechtliches Instrument zur Reduzierung von CO2-Emissionen aus Kohlekraftwerken bis 2020: Das Jahr, das hoffentlich den Beginn eines gerechten Übergangs markiert, weg von der Kohle. Wenn Angela Merkel den folgenden Generationen nicht als die „Kohle-Kanzlerin“ im Gedächtnis bleiben will, muss sie sicherstellen, dass die vorgeschlagene Kohleabgabe umgesetzt wird. Auch den betroffenen Arbeitern der Kohleindustrie müssen neue Perspektiven geboten werden.
Der zweite Grund, aus dem ich heute hier bin: Ich möchte Kanzlerin Merkel dazu aufrufen, den bevorstehenden G7-Gipfel im Juni zu nutzen, um zu einer globalen Energiewende aufzurufen und für Erneuerbare Energien für alle zu werben. Da die Erneuerbaren immer wettbewerbsfähiger werden, ist es für Frau Merkel nun an der Zeit, ihren gesamten Einfluss geltend zu machen. Als Vorsitzende der G7 kann sie mit gutem Beispiel vorangehen und die Zukunft neu gestalten, statt in den schmutzigen Energiebeschlüssen des zwanzigsten Jahrhunderts stecken zu bleiben.
Angela Merkel muss Zeichen setzen
Ich erinnere mich daran, wie Angela Merkel 2007 auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm dafür kämpfte, dass der Klimawandel zu einem großen Thema gemacht wurde. Von der scharfen Kritik des damaligen US-Präsidenten Bush ließ sie sich nicht abschrecken. Ich hoffe, dass sie dieses Mal ebenso viel Einsatz zeigt und die G7-Teilnehmer zu Fürsprechern der globalen Energiewende macht. Obwohl sie dieses Jahr erneut auf Widerstand stoßen wird.
Zum Beispiel aus Kanada, wo man die Interessen der Regierung nicht mehr von denen der Teer-, Sand- und Ölindustrie unterscheiden kann. Auch Japan wird skeptisch sein, weil die Staatsführung dort sich von der Kohle- und Atomindustrie zu viel beeinflussen lässt und die Entwicklung der Erneuerbaren Energien zu langsam voranschreitet.
Aber Frau Merkel hat es schon 2007 geschafft, sich dem Widerspruch von George Bush entgegenzustemmen. In Elmau muss sie es nun noch einmal probieren und international ein Zeichen setzen. Dieses Zeichen muss bedeutend sein, muss zeigen, dass sie klar hinter einer echten Energierevolution steht.
Ich sage das hier auf der Energy Summit, weil ich glaube, dass der Beitrag Deutschlands sehr wichtig ist für die internationale Sicherheit – für eine Welt, in der alle Menschen Zugang zu 100 Prozent Erneuerbaren Energien haben.
In Konflikten geht es auch um Energie und Ressourcen
Im vergangenen Jahr ist klar geworden, dass unsere Abhängigkeit von fossiler Energie uns auf den falschen Weg führt. Konflikte werden immer komplexer. Vom südchinesischen Meer über die Ukraine, den Irak, bis zum Südsudan und Nigeria – um nur einige Regionen zu nennen – gibt es unzählige Auseinandersetzungen, in denen der Kampf um Ressourcen und Energie eine Rolle spielt.
Die Ukrainekrise ist für die Menschen in der EU ganz nah und spürbar. Denn Gasimporte aus Russland, die durch die Ukraine gehen, machen mehr als 15 Prozent der europäischen Lieferungen aus. Durch die Drohung Russlands, diese Gaslieferungen zu stoppen, mussten die EU-Führungen nach Alternativen suchen. Allerdings ist klar: Russische Energieimporte durch Atomkraft und fossile Energien aus dem mittleren Osten oder Nordafrika zu ersetzen, ist keine Lösung. Die Waffen, die wir für eine sicherere Welt einsetzen müssen, sind Erneuerbare Energien.
Die Abhängigkeit von schmutziger Energie mindern
In der kommenden Woche treffen sich die G7-Energieminister in Hamburg. Das Hauptthema ist dasselbe wie das der heutigen Konferenz: Wie kann Energiesicherheit zu einer friedlicheren Welt beitragen? Deshalb drängen wir Minister Sigmar Gabriel, Leiter des Energieministertreffen, dazu, klar zu machen: Energiesicherheit bedeutet nicht, Truppen zum Schutz der Zugänge zu billigem Öl und Gas zu entsenden. Es geht auch nicht darum, neue Pipelines und Lagerstätten für flüssiges Gas zu bauen. Es geht um Energieeffizienz und Erneuerbare Energien, die die Abhängigkeit von schmutziger Energie mindern.
Vor 15 Jahren stammten nur sechs Prozent des deutschen Stroms aus Erneuerbaren Energien. Heute sind es 27 Prozent; in den kommenden 15 Jahren sollen es laut Bundesregierung mindestens 50 Prozent sein. Aber Deutschlands Energiewende befindet sich an einem kritischen Punkt: Trotz all der Erfolge und Errungenschaften wird Deutschland es voraussichtlich nicht schaffen, seine Treibhaus-Emissionen bis 2020 um die beschlossenen 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Denn Deutschland hat ein Kohle-Problem, das gelöst werden muss.
Erneuerbare schaffen neue Arbeitsplätze
Ich verstehe, dass vor allem die Beschäftigten in der Kohleindustrie die Veränderungen mit Misstrauen betrachten und als Bedrohung empfinden. Ich komme aus Südafrika, wo die Minenarbeiter kraftvolle Unterstützer im Kampf gegen die Apartheid waren. Deshalb werde ich die Ängste der Arbeitnehmer auch nicht herunterspielen. Deutschland muss einen Übergang finden, der gerecht ist und die Lebensgrundlage derer sichert, die in der Kohleindustrie arbeiten. Ich weiß, dass Deutschland das kann. Die Erneuerbaren schaffen neue Möglichkeiten, und Deutschland ist wohlhabend genug, um diejenigen zu unterstützen, denen keine neuen Arbeitsplätze angeboten werden können.
Deutschland muss einsehen: Die CO2-Emissionen müssen reduziert werden, um unsere gemeinsame Zukunft nicht aufs Spiel zu setzen. Der für die Umwelt schädlichste Energieträger ist Braunkohle. Und kein einziges Land auf der Welt verbrennt so viel davon wie Deutschland.
Energiebedarf bis 2050 durch Erneuerbare decken
Zum Schluss möchte ich noch einmal an die Kanzlerin appellieren:
Liebe Frau Merkel, bitte nutzen Sie die G7-Konferenz im Elmau, um eine klare Botschaft zu senden: Die Weltwirtschaft muss sich so umstellen, dass sie ihren Energiebedarf bis zum Jahr 2050 zu 100 Prozent durch Erneuerbare decken kann.
Als Gastgeber für den G7-Gipfel kann Deutschland ein starkes Signal für eine echte Energiewende in die Welt senden. Das wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur diesjährigen Klimakonferenz in Paris. Und es würde die Welt ein wenig sicherer und sauberer machen.“