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Lisa Göldner und Tina Löffelbein auf der Demo in Madrid anlässlich der Weltklimakonferenz im Dezember 2019
Pedro Armestre / Greenpeace

Klimakonferenz in Spanien: Interview mit Lisa Göldner, Klima-Expertin von Greenpeace

Die Weltklimakonferenz in Madrid, kurz COP25, verhandelt über Wege, wie der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen endlich reduziert werden kann. 197 Länder beraten , wie das Pariser Klimaschutzabkommen mit Leben gefüllt werden kann und über letzte, aber entscheidende Regeln. Einige Länder wollen einen höchst umstrittenen Handel mit Emissionsrechten in das Abkommen integrieren – darunter auch Deutschland. Außerdem müssen sich alle Länder darauf vorbereiten, ihre nationalen Klimaschutzziele zu erhöhen, die bis zur nächsten Klimakonferenz in Glasgow eingereicht werden müssen. Für Greenpeace Deutschland sind derzeit Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser, Klima-Expertin Lisa Göldner, Medien-Koordinatorin Tina Loeffelbein, und Wald-Experte Jannes Stoppel vor Ort – zusammen mit zahlreichen Klimaschützer*innen anderer Greenpeace-Büros aus der ganzen Welt. Im Interview erklärt Lisa Göldner, wie wichtig die EU und Deutschland für den globalen Klimaschutz derzeit sind.

Greenpeace: Hallo Lisa, was machst Du für Greenpeace Deutschland in Madrid?

Lisa Göldner: Greenpeace hat, wie viele Organisationen von engagierten Menschen, bei den UN-Klimaverhandlungen einen Status als „observer“, also als offizielle Beobachterin. Das ist wichtig, denn wenn alle Länder der Erde über Auswege aus der Klimakrise verhandeln, müssen möglichst viele Menschen die Möglichkeit haben, ihnen genau auf die Finger zu schauen und ihre Vorstellungen einbringen zu können.

Als Klima- und Kohleexpertin habe ich dabei ganz besonders die deutsche Bundesregierung im Blick. Ich verfolge genau, was die deutschen Verhandler*innen hier vor Ort machen und erinnere sie in Gesprächen daran, was ihr Ziel sein muss: Der weltweite CO2-Ausstoß muss endlich sinken und kein Land der Erde darf sich vor seiner Verantwortung beim Klimaschutz drücken. Außerdem ist es mir wichtig, das, was hier verhandelt und beschlossen wird, in die Öffentlichkeit zu tragen. Denn die Entscheidungen, die hier getroffen werden, gehen uns alle an.

Was muss die Bundesregierung tun, damit bei der Konferenz das Dringendste für den Klimaschutz erreicht wird?

Seit fast 25 Jahren trifft sich die Staatengemeinschaft jedes Jahr zur Klimakonferenz. Und dennoch steigen die weltweiten CO2 Emissionen  weiter an. Alles, was die einzelnen Länder bislang bereit sind zu tun, reicht nicht aus, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten und die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Es ist allerhöchste Zeit für eine Kehrtwende, denn wir stecken bereits tief im Klimanotfall. Am dringendsten ist,  dass alle Länder endlich beginnen  aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas auszusteigen und eine hundertprozentige  Versorgung mit Erneuerbaren Energien aufzubauen. Klingt schwer, ist technisch aber machbar.

Die große Aufgabe, vor der die Regierungschefinnen und -chefs in Madrid und zu Hause stehen, ist, rechtzeitig bis zur nächsten Klimakonferenz in Glasgow Ende 2020 ihre nationalen Klimaziele zu überarbeiten und nachzuschärfen, damit die Emissionen endlich sinken. Und das kann nur gelingen, wenn reiche, technologiestarke Länder den ersten Schritt machen. Mit den USA unter Präsident Donald Trump ist hier nichts zu erwarten. Die Europäische Union muss vorangehen und andere große Verschmutzer wie Indien und China davon überzeugen, es ihnen gleich zu tun.

Die ganze Welt, im wahrsten Sinne des Wortes, wartet darauf, dass sich die EU-Mitgliedstaaten endlich einigen und ihr vollständig veraltetes Klimaziel für das Jahr 2030 nachbessern. Für einen fairen Beitrag zum Erreichen der Ziele aus dem Pariser Abkommen muss die EU bis 2030 ihre Emissionen um 65 Prozent senken.

Und jetzt kommt Deutschland ins Spiel: Nur wenn die große Koalition in Brüssel klar macht, dass sie an Bord ist, kann diese Nachbesserung des EU-Klimaziels gelingen. Die deutsche Bundesregierung hat sich dabei lange quer gestellt. Heute nun hat Bundesumweltministerin Svenja Schulze in Madrid angekündigt, dass Deutschland zumindest das an sich Selbstverständliche unterstützen will: die Emissionen in Europa bis 2030 stärker zu senken.   Diese Woche wird also spannend – in Madrid und in Brüssel. Ich werde Umweltministerin Schulze beim Wort nehmen und genau verfolgen, was in Brüssel passiert. Es ist unsäglich, das Deutschland bisher die ganze Welt aufhält.

Ein großes Thema, das hier verhandelt wird, sind Spielregeln für die weltweite Ausweitung des Handels mit Emissionszertifikaten. Wie siehst du diese Diskussionen?

Ich finde das sehr gefährlich. Kooperation ist zwar wichtig und die ärmeren Staaten sind beim Klimaschutz auf die Hilfe der reichen Staaten angewiesen. Das ist auch nur gerecht. Denn es sind die Industriestaaten, die am meisten zum Problem beigetragen haben.

Unter dem so genannten Artikel 6 versuchen aber einige Länder einen Mechanismus für den Handel mit Verschmutzungsrechten zu etablieren, mit dem die gesamte Konstruktion des Pariser Klimaabkommen wegbrechen könnte. Kein Land der Erde darf sich einfach vom Klimaschutz freikaufen – auch nicht Deutschland. Jedes Land muss die Kurve kriegen und seine Wirtschaft treibhausgasneutral umbauen. Nationale Klimaziele müssen durch Handlungen im eigenen Land eingehalten werden, nicht durch den billigen Kauf von Klimaschutz in anderen Ländern. Ein deutsches Kohlekraftwerk darf sich doch nicht dadurch freikaufen, industrielle Plantagen im Süden zu finanzieren. Und die Länder sollten kein Interesse haben, sich möglichst geringe nationale Klimaziele zu setzten, weil sie dann „zusätzliche“ Einsparungen von Treibhausgasen noch auf dem Markt verkaufen könnten.

Ich habe große Zweifel, dass solch ein Handelssystem in der Praxis überhaupt funktionieren würde. Es ist anfällig für Missbrauch und Schlupflöcher. Die Treibhausgasemissionen müssen so schnell wie möglich auf Null sinken. Wir können uns den Luxus für teure Experimente und Luftbuchungen nicht leisten. Zu hören ist aber, dass  die deutsche Regierung  den Handel mit Emissionen befürwortet. Es kann nicht sein, dass sich Staaten Ziele beim Klimaschutz setzen, aber andere die Arbeit machen lassen. Jedes Land muss treibhausgasneutral werden!

In den vergangenen Monaten sind rund um den Globus Millionen Menschen für mehr Klimaschutz auf die Straße gegangen. Auch in Madrid gab es eine große Demo, an der auch Greta Thunberg teilgenommen hat. Ist davon bei den Klimaverhandlungen etwas zu spüren?

Ich bin zuversichtlich, dass wir uns langsam, aber sicher auf einen Kipp-Punkt zubewegen: Immer mehr Menschen wollen Klimagerechtigkeit, immer mehr Menschen wollen nicht länger den Planeten und ihre Mitmenschen ausbeuten und immer mehr Menschen sind bereit dafür, dass sich die Dinge grundlegend verändern.

Greenpeace hat Aktivist*innen von Fridays For Future aus der ganzen Welt mit zu den Klimaverhandlungen genommen. Denn hier wird über ihre Zukunft verhandelt und da dürfen sie nicht vor der Verhandlungstür stehengelassen werden.

Einer der bewegendsten Momente auf der Klimakonferenz in Madrid war für mich bisher mein Treffen mit Ángela von Fridays for Future Chile. Obwohl die Klimakonferenz von Chile nach Spanien verlegt wurde, ist sie nach Madrid gekommen, um den chilenischen Schüler*innen hier eine Stimme zu geben. Ángela hat mir von den anhaltenden Protesten in Chile erzählt und dass für sie der Kampf für soziale Gerechtigkeit und für Klimaschutz zwei Seiten einer Medaille sind. Beispielsweise ist in Chile Trinkwasser komplett privatisiert. Unternehmen verkaufen Wassernutzungsrechte und ganze Dörfer müssen mittels Tankwagen mit Wasser versorgt werden. Gleichzeitig leidet Chile aktuell unter der schwersten Dürre seit Langem und wird mit zunehmender Erderhitzung immer häufiger von Trockenheit betroffen sein. Das hat dramatischen Folgen insbesondere für ärmere Menschen, die sich das lebensnotwendige Trinkwasser dann immer schwerer leisten können.

Darum sind wir hier: Es ist allerhöchste Zeit, dass sich unsere Politiker*innen endlich für unsere Interessen einsetzen und nicht länger für die der klimazerstörenden Industrie.

(Das Interview führte Tina Löffelbein)

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