Zweiter Schicksalsschlag für Fukushima-Opfer
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Der Bezirk Iitate in Fukushima ist verloren: Einige Gebiete werden über Hunderte von Jahren verseucht sein. Doch die japanische Regierung will die ehemaligen Bewohner zurücksiedeln.
Die japanische Regierung hat bei der Dekontaminierung im Umkreis der Reaktorkatastrophe von Fukushima versagt, so das niederschmetternde Ergebnis aktueller Messungen von Greenpeace in Japan. Die Atomexperten der Umweltschutzorganisation hatten Bodenproben im etwa 30 Kilometer vom Fukushima-Atomkraftwerk entfernten Distrikt Iitate genommen. Der war nach dem verheerenden Unfall im März 2011 mit am stärksten radioaktiv verseucht worden.
Dabei zeigten sich drastisch überhöhte Radioaktivitätswerte. Nicht nur in den weitläufigen Wäldern der Region, sondern auch in der Nähe von Häusern und Straßen stellte Greenpeace gefährliche Überschreitungen fest. Auf angeblich bereits dekontaminierten Feldern wurden Werte gemessen, die einer jährlichen Dosis von mehr als zehn Millisievert entsprechen. „Das ist das Zehnfache des international zulässigen Grenzwerts“, sagt Heinz Smital, Kernphysiker und Greenpeace-Experte für Atomenergie. „Fünf Jahre nach der Tschernobyl-Katastrophe galt für die 30-Kilometer-Zone die Hälfte des Werts, den wir jetzt in Iitate gemessen haben – und in die Sperrzone dürfen die Menschen noch immer nicht zurück.“
Kein Geld für die Opfer nach 2018
Was die Ergebnisse besonders brisant macht: Erst im Juni dieses Jahres hat die japanische Regierung unter Premierminister Abe angekündigt, die Evakuierungsorder bis März 2017 aufzuheben. Weil auch die Kompensationszahlungen an die Fukushima-Opfer bis 2018 auslaufen, wären ärmere Menschen gezwungen, in ihre gefährlich verstrahlten Häuser zurückzukehren.
„Die japanische Regierung verdammt die Leute aus Iitate in ein Umfeld, das eine inakzeptable Gefährdung ihrer Gesundheit darstellt“, sagt Jan vande Putte, Greenpeace-Experte für Strahlung. „Die Wälder von Iitate sind ein gewaltiger Radioaktivitätsspeicher, der gleichermaßen eine unmittelbare Gefahr und eine Quelle der Rekontamination bleibt, und das für Hunderte von Jahren. Es ist unmöglich, sie zu dekontaminieren.“ Die Aussage der Abe-Regierung, große Gebiete der Fukushima-Präfektur seien dekontaminiert und damit sicher genug für die Rücksiedlung, sei gefährliche Augenwischerei: „Die Vorgehensweise ist zum Scheitern verurteilt.“
Wirtschaftliche Gründe gingen der Regierung über das Wohl ihrer Bevölkerung: „Opfer der Kernkraft um ihre ohnehin unzulängliche Entschädigung zu bringen, damit sie aus finanziellen Gründen zurück in unsichere, hoch radioaktive Gebiete ziehen, ist wirtschaftliche Nötigung“, so vande Putte. „Das ist eine politische Entscheidung der Abe-Regierung, die weder Wissenschaft, Datenlage noch das öffentliche Wohl in Betracht zieht.“
Von der Regierung im Stich gelassen – schon wieder
Die internationale Atomenergie-Organisation IAEO unterstützt das Vorhaben der japanischen Regierung , in dem sie systematisch die Gefahren der Atomkraft herunterspielt und die Dekontaminationserfolge in Fukushima falsch darstellt. Das Vorgehen der Abe-Regierung und der IAEO wird von Greenpeace Japan scharf verurteilt: „Es zeigt, wie weit man geht, um vorzugaukeln, dass nach einem Nuklearunfall wieder Normalität möglich ist“, sagt Mamo Sekuguchi, Energie-Kampaigner von Greenpeace. „Die Haltung der Regierung ist nicht zu rechtfertigen, und Pläne für eine letzten Endes erzwungene Rückkehr müssen gestoppt werden.“
Mehr als 3400 Bürger Iitates, fast die Hälfte der Bevölkerung des Bezirks, warten derzeit in einem Alternate-Dispute-Resolution-Verfahren (also einem Streitbeilegungsverfahren außerhalb der staatlichen Gerichte) auf eine vernünftige Entschädigung für ihre Verluste. „Das Schicksal der Menschen von Iitate ist ein weiterer Fall von unzähligen, in denen Japan seine eigenen Leute im Stich gelassen hat – wie bereits bei der Verschmutzung durch die Ashio-Kupfermine und der Minamata-Krankheit“, so Yasushi Tadano, der Rechtsanwalt der Menschen von Iitate. „Wir dürfen nicht zulassen, dass das wieder passiert.“