Der Mensch beherrscht sie nicht: 365 Gründe gegen Atomkraft
- Ein Artikel von Alexandra Boehlke
- Hintergrund
Es gibt Tausende Gründe gegen Atomkraft. 365 davon haben wir in einem Jahreskalender zusammengestellt – für jeden Tag einen. Das kann Diebstahl von strahlendem Material sein, ein Feuer in einem Atomkraftwerk oder der Test einer Atombombe. Der Kalender beginnt mit dem 26. April 1986, dem Tag des Super-Gaus in Tschornobyl.
Hiroshima, Nagasaki und seit 1986 Tschornobyl - mit diesen drei Namen verbinden sich für uns die Schrecken der Atomkraft. Der Greenpeace-Kalender zeigt, dass wir nur die Spitze des Eisbergs kennen. Unter den 365 dargestellten Ereignissen gibt es viele, die in einer Katastrophe hätten enden können.
--- Anmerkung der Redaktion: der Kalender ist aus dem Jahr 2006. Alle Unfälle, Störfälle, Leckagen oder Super-GAUs, die seitdem passiert sind, sucht man hier vergebens. Auch die Tragödie von Fukushima enthält der Kalender nicht. Erschreckend aktuell ist er trotzdem. ---
Es gibt keine sichere Atomkraft
Am Anfang war der Wille zur Zerstörung. Das Hauptmotiv für die Entwicklung der Atomtechnik war die Bombe, die in ihrem Vernichtungspotenzial alles Gekannte in den Schatten stellte. Tod und Verderben begleiten nicht nur die Atombombe seit Hiroshima und Nagasaki, sondern auch die wirtschaftliche Nutzung der Atomkraft.
Dutzende Unfälle beweisen jedes Mal aufs Neue den zerstörerischen Charakter dieser unbeherrschbaren Technologie. Jeder Kabelbrand, jedes geplatzte Rohr kann aus einem Atomkraftwerk innerhalb von Minuten eine Bombe machen, kann ein neues Hiroshima auslösen.
Es war also nur eine Frage der Zeit, bis es tatsächlich dazu kommen sollte. Am 26. April 1986 um 1:23 Uhr war es so weit. Die Explosion im Block 4 des Atomkraftwerkes Tschornobyl geschah, im Gegensatz zum Angriff auf Hiroshima, unbeabsichtigt. Sie wurde aber in Kauf genommen. Mit der Nutzung der Atomkraft wird weiterhin ein lebensgefährliches Risiko toleriert, verschwiegen, vergessen.
Staaten, die Atombomben besitzen und immer wieder testeten, haben eine besondere Verantwortung für die radioaktive Verseuchung der Welt. Ein Unfall in einer Atomanlage, aber auch schon eine fehlerhafte Anwendung im medizinischen Bereich oder der Diebstahl von Atommaterial kann für Einzelne fatale gesundheitliche Folgen haben. Von all dem erzählt dieser Kalender: von Menschen, die dafür bezahlt haben, dass andere meinten, Atomkraft beherrschen zu können.
Letztlich ist die Frage der Nutzung der Atomkraft eine zivilisatorische, ja philosophische: Haben wenige Menschen das Recht, viele andere einer so großen Gefahr auszusetzen?
Jahreskalender erinnert an Atomunfälle
Wie viele Menschen weltweit bereits Opfer der Atomkraft geworden sind, weiß niemand. Die Fotos von Robert Knoth, die den Kalendertext begleiten, stammen aus vier atomar verseuchten Regionen der ehemaligen Sowjetunion. Die Leiden der Menschen dort nimmt kaum jemand wahr.
Die Fotos von Robert Knoth zeigen Menschen, deren Leben sich durch Atomkraft dramatisch verändert hat. Tag für Tag bringt uns die Nutzung des Atoms an den Rand zur Katastrophe: 365 Gründe gegen Atomkraft.
"Der Rückblick zeigt Atomkraft als verheerende Technik. Sie war und ist nicht beherrschbar, Fehler führen zu katastrophalen Folgen", sagt Thomas Breuer, Atomexperte von Greenpeace. Wo Radioaktivität in größeren Mengen austritt, verstrahlt sie ganze Regionen und gefährdet die Menschen. Diese Gefahren lassen sich nur ausschließen, wenn wir die Atomkraft aufgeben.
Greenpeace fordert, Atombomben weltweit abzurüsten, alle Atomkraftwerke so schnell wie technisch möglich abzuschalten und die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) umzuwandeln: Sie soll in Zukunft den weltweiten Ausstieg aus der Nutzung der Atomkraft kritisch begleiten.